Der Skandal um die gescheiterte ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger hat den Blick auf die Krise der Öffentlich-Rechtlichen freigelegt. Diese besteht aus vielen ineinandergreifenden Elementen. Eines davon ist das Programm.
SWR1 macht Radio. Einmal im Jahr. Dann ruft die Welle die Hörer auf, ihre Charts zu wählen. Später laufen 1.000 Titel in Folge, von denen die meisten im Programm sonst nicht denkbar sind: Der 17 Minuten dauernde Jazzrock-Klassiker kommt nach dem Bierzelt-Schlager und davor singt George Michael, dass er diese Weihnachten sein Herz an jemanden Besonderen verschenken will. Auch die Moderationen fallen aus dem Rahmen. Sie sind frei, frech und ufern mitunter aus. Alles zusammen ist sehr unterhaltsam – einmal im Jahr.
Einen der wichtigsten Sätze über ARD und ZDF hat der Publizist Roger Willemsen gesagt: Es sei nicht das Problem, was die Sender mit den Rundfunkgebühren machen. Das Problem sei, was die Öffentlich-Rechtlichen mit dem Geld nicht machen. Trotz 8,5 Milliarden Euro staatlich erzwungener Einnahmen, trotz zusätzlichem Geld aus Lizenzen und Werbeerlösen, klaffen Lücken im System. Geht es um den Film, sieht es ähnlich aus wie beim Radio: Zwischen Angeboten für Anspruchslose und Freak-Show geht nur in Ausnahmefällen was. Wer indes gerne Filme sieht, in denen jemand seine sexuelle Identität in schwarz-weißen Bildern sucht, der wird reichlich bedient.
Die ARD kann Geld ausgeben, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Dafür braucht es nicht erst den Massagesessel auf der Chefinnenetage des RBB oder die zwei Dienstwagen für eine BR-Führungskraft. So berichtete das Morgenmagazin über die Fußballweltmeisterschaft 2014 aus dem Badeort Brasilien an der deutschen Ostseeküste. Zig tausende Euro zusätzliche Kosten nur für einen Gag auf dem Niveau eines Siebenjährigen: Kennste den? Wir berichten über die WM in Brasilien aus Brasilien, der Stadt. Verstehste? Die Stadt heißt wie das Land, kennste den? Der zusätzliche „Gewinn“ für den Zuschauer bestand darin, dass er sich die quälend langen und unlustigen Anmoderationen anhören musste an der Stelle, an der er einfach nur die Bilder von den Spielen sehen wollte. Doch um den Zuschauer ging es bei der Aktion nicht – wohl eher um den bezahlten Ostsee-Urlaub der Redaktion.
Obwohl sie finanziell gut ausgestattet sind, überlassen die verschiedenen Redaktionen der ARD die investigative Recherche gerne den Kollegen von der Lokalzeitung. So kam es an einem Montag im August 2002 zu einer denkwürdigen und beispielhaften Redaktionskonferenz des lokalen SWR-Nachrichtenformats „Radio Mainz“. Am Wochenende zuvor fand das städtische Pressefest statt. Dort hatte ein Pressesprecher der Stadt die scherzhafte Frage gestellt, ob die Redaktion am Montag wieder die AZ (Allgemeine Zeitung) vertonen wolle. Darüber echauffierten sich nun die Journalisten. Wie könne er sich erdreisten, so ihre Integrität zu beleidigen. Der Tumult verstummte, als der Lokalchef die Konferenz eröffnete. Er verteilte drei DIN-A4-Seiten. Darauf hatte er ausgeschnittene Artikel aus der AZ geklebt. Die zu vertonen, war die Tagesaufgabe der Reporter. Sie taten wie geheißen. Eigene Vorschläge kamen von ihnen nicht. Zugegeben: Die Anekdote ist schon älter. Doch grundsätzlich hat sich nicht viel geändert – während die Rhein-Zeitung sowohl die Versäumnisse während der Flutkatastrophe an der Ahr gut aufarbeitete wie auch das Staatsversagen beim Wiederaufbau, konzentrierte sich der SWR darauf, Landeschefin Malu Dreyer (SPD) gut ins Bild zu setzen. In guter Zusammenarbeit mit der Regierungssprecherin – einer ehemaligen SWR-Mitarbeiterin.
Noch die Wahlnacht begann in der ARD damit, dass die Gäste im Studio auf den anstehenden Sieg Hillary Clintons mit Sekt anstießen. Ein möglicher Sieg Trumps kam ihnen nicht in den Sinn. Die Einspieler der Nacht ließen erahnen, warum das so war: Die meisten handelten von Clinton und ihren Perspektiven. Trumps Anhänger wurden nur als verbohrte Fanatiker gezeigt, ein bisschen Nazi, ein bisschen Christen – mehr Vorurteil als Wissen. Produziert von Korrespondenten, für die USA gleich Washington ist – vielleicht noch New York, Los Angeles und San Fransisco.
Alles dazwischen nannten sie alleine in dieser Wahlnacht mehrfach „Fly over States“ – Landmasse, die nur da ist, um sie hinter sich zu lassen, am besten mit dem Flugzeug. Berichten die Korrespondenten überhaupt aus den „Fly over States“, dann machen sie den Relotius: Die Geschichte steht schon vorher fest, vor Ort fahren sie nur, um die passenden Stimmen und Bilder zu finden. Die vom ZDF für ihre interne Kritik geschasste Journalistin Katrin Seibold hat später über diese Praxis berichtet. Doch den Geist dieser Beiträge erkennt der Zuschauer auch ohne Insiderwissen.
Die Öffentlich-Rechtlichen fallen nicht so plump auf ihren Glauben an die Regierung rein wie Facebook. Aber letztlich tun sie es dann doch. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz der deutschen Armee in Afghanistan: 20 Jahre war die Bundeswehr dort. Zwei Jahrzehnte lang versuchte sie, aus einem islamischen Unrechtsstaat einen demokratischen Rechtsstaat zu machen. Am Ende alles vergebens. Ein kleiner Selbsttest: Wer kann sich an Beiträge von ARD und ZDF erinnern, die in den 20 Jahren zwischen Stationierung der Bundeswehr und dem Fall von Kabul angedeutet haben, dass diese Mission inhaltlich komplett schiefläuft? Bestenfalls in den Auslandsmagazinen – aber nicht in den Haupt-Nachrichtensendungen.
Wie regierungstreu und regierungsblind die Öffentlich-Rechtlichen sind, zeigt sich auch an ihrem Umgang mit Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin haben sie 16 Jahre wohlwollend begleitet. So wohlwollend, dass die ARD wenige Monate nach Merkels Abschied eine Dokumentation aus dem Programm nehmen musste. Die Jubelarie, die ARD-Journalisten über die Kanzlerin sangen, war so weit von der Realität des russlandabhängigen Deutschlands entfernt, dass das Werk nicht mehr zeigbar war – nicht mal mit erläuternden Kommentaren.
Die Auslands-Berichterstattung leidet unter dem gleichen Grundübel, das auch die Inlands-Berichterstattung von ARD und ZDF vergiftet: Die Journalisten sind immer seltener bereit, mit einem offenen Blick in die Welt zu gehen – und sie dann so darzustellen, wie sie diese auffinden. Stattdessen steht vorher die Haltung fest und der Beitrag soll diese nur noch untermauern. So verfügt denn Deutschland über ein ebenso teures wie wundervolles Netz an Auslandskorrespondenten – doch der journalistische Fang darin nährt nur wenig. Hört man den Fans von Rosamunde Pilcher zu, räumen selbst die oft ein, dass die Handlungen banal sind – aber dass sie die Bilder mögen. Was auch okay ist. Wer einen harten Tag erlebt, will am Abend genießen. Doch wenn sich Menschen gerne an Bildern aus fernen Ländern erfreuen, müssen sich Korrespondenten schon fragen, warum sie Dokumentationen liefern, die im Nachtprogramm von Phoenix versteckt werden müssen.
Vielleicht ist es aber auch umgekehrt. Vielleicht würden die Zuschauer diese Dokumentationen gerne sehen. Lieber als das, was stattdessen im Abendprogramm von ARD und ZDF läuft. Dann müssten die Korrespondenten indes die Frage an ihre Chefs stellen, warum sie diese Ware so gerne im Nachtprogramm oder auf Spartenkanälen verstecken. Wobei die Antwort auch den Zuschauer interessieren dürfte. Denn angesichts von vielem Schrott, der zur besten Sendezeit angesetzt ist, ist es immer wieder bemerkenswert, wie es die Verantwortlichen bei ARD und ZDF schaffen, Perlen ins Nachtprogramm zu schieben.
Das Problem von ARD und ZDF ist definitiv nicht das Geld. 8,5 Milliarden Euro alleine aus Zwangsgebühren sind genug – für mehr als nur ein gutes Programm. Auch fehlt es den Öffentlich-Rechtlichen nicht an Mitarbeitern, die ihr Handwerk beherrschen. Das Problem liegt auf der Ebene der Entscheider. Die mitunter obskure Entscheidungen treffen, was läuft und was nicht. Aber das ist nicht das Schlimmste, da behält Willemsen recht – das Schlimmste ist, welch gutes, mögliches Programm sie verhindern.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Zumindest der RBB macht es momentan vor. Hervorragende Recherche in eigener Sache. Gestern mit Poschardt eine Diskussion über die Aufgaben es ÖRR. Sicher zu spät, aber auch das soll erwähnt werden, denn es ist von uns auch bezahlt worden.
Hauptproblem ist die Symbiose von Politik und Medien. Die Medien lassen die Politiker gewähren und wenn gewünscht erfolgt auch die mediale Unterstützung. Die Politik legt dem ÖR keine Steine im Weg bezüglich Bezahlung (Rundfunkgebühr als auch Gehälter) sowie sonstige Vergünstigungen. Solange diese Symbiose nicht durchbrochen wird, ändert sich nichts. Eigentlich müsste man konsequent die Politiker/Partei wählen, auf welche sich der ÖR in Abstimmung mit der Politik einschießt. Also was wird sich ändern. Gar nichts außer das man immer öfter nach dem Sprichwort “ wer einmal lügt, glaubt man nicht mehr“ reagiert und somit auch eventuell korrekte Informationen nicht mehr als… Mehr
Und über dem ganzen Framing thront dann noch er erhobene Zeigefinger.
Aus jeder Sendung versuchen sie Erziehungs TV zu machen.
Eventuell liegt es aber wirklich am Geld. Ein Blick in die Tarifverträge sowie die Zusatzversicherungen hilft da weiter. Ich habe gestaunt.
Alle Bürger, die noch halbwegs bei Verstand sind, sollten in einer gemeinsamen Aktion ab sofort keine Gebühren mehr zahlen und schriftlich erklären, dass dies erst wieder erfolgt, wenn eine Restrukturierung des ÖRR stattgefunden und dies von der Mehrheit der user akzeptiert worden ist.
Ich bin der Meinung diese Zwangs gehören einfach abgeschafft . Sollen ARD und ZDF sich am freien Medienmarkt behaupten , entweder als richtiges Pay TV , wo die Sender nur der empfängt der auch dafür zahlen möchte , oder einfach wie RTL ,Sat, VOX usw … über Werbung finanzieren …. Dadurch wird kein Zuschauer benachteiligt Fans von ARD und ZDF können weiter ihre Lieblingssender sehen und weiterhin zahlen oder auch kostenlos sehen . Alle anderen die das nicht wollen zahlen auf für nichts
Das ist schon lange meine Denke. Ich weiss natürlich nicht, wieviele Bürger noch „halbwegs bei Verstand sind“. Vielleicht 7 bis 8 Mio. Oder bin ich zu optimistisch? Wie dem auch sei, jedenfalls ginge denen dannder Popo auf Grundeis. Doch das wird wohl ein Wunschtraum bleiben.
Staatsfunk als Dauerpropagandasendung zu hören, überlasse ich lieber den queren Hörer:innen. Weiter muss ich dazu nichts ausführen, denn es wurde schon alles dazu gesagt.
Richtig. Sie Sender fragen die Hörer
1) Kennen sie das Lied ?
und
2) Mögen sie das Lied ?
Und anhand dessen werden die Titel für die Dudelrotation ausgewählt.
Wenn die Leute ein Lied kennen, ist die Gefahr des Umschaltens geringer.
Der ÖR Hör— und Fernsehfunk wird als Eigentum der Regierung verstanden . War früher nicht so ,klar ,aber mit dem Erstarken der Grünen und Roten ,mit ihrem Einzug in Regierungsämter hat man sich zunehmend im Aufbau des DDR Agitationsfunktion der Medien erstarkt gesehen . Und unter Merkel wurde dieses System perfektioniert. „Wer nicht für uns ist gegen uns und wer gegen uns ist unser Feind „ ,scheint das übernommene Motto dieser unseligen Zeit zu sein . Die Verbindungen der Kanzlerin zu Liz Mohn ,zu Springer und Burda war legendär . Und es braucht keine Befehlsstruktur um diverse Richtungsweisen in diesen… Mehr
Dasselbe wie bei den derzeitigen politischen Entscheidern.
Das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung ist weg..
Die ständigen Skandale um Personen bleiben nicht im Verborgenen.
Die „Spitze der Eisberg“-Vermutung schwebt über allem.
Unter normalen Umständen hätten wir inzwischen genügend anschaulich und glaubwürdig beschriebenes Belastungsmaterial (besonderen Dank an Hr. Thurnes) zusammen, um den ÖR und Rundfunkräte und Verwaltungsräte zu schleifen. Beweismangel gibt es nicht: Jeden Tag kommen neue Unregelmäßigkeiten hinzu.