ProSieben zeigt heute die erste von sechs geplanten Folgen der Reihe "Das große Promi-Büßen". Aus Schauprozessen wird somit ein Show-Format. Die Senderfamilie will sich damit auch für schwulenfeindliche Ausfälle in früheren Sendungen entschuldigen.
„Das große Promi-Büßen“ ist bereits aufgezeichnet. ProSieben wirbt mit Ausschnitten für die Ausstrahlung an diesem Donnerstag. Zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr. Was dort zu sehen ist, ist gruselig: „Prominente“ treten vor einen Richter. Wobei man sich mit der Bezeichnung „Richter“ in Zeiten der Ampelregierung schon mit einem Bein im Strafrecht befindet. Denn bei dem „Richter“ handelt sich um Travestie-Künstler Olivia Jones. Die „Prominenten“ sind Leute wie Helena Fürst oder Matthias Mangiapane, die fürs Bekanntsein bekannt sind und eigentlich nur in Reality-Formaten auftreten wie eben „Das große Promi-Büßen“.
In einem dunklen Raum, der an die Verhörzimmer aus Vietnam-Filmen erinnert, gestehen dort die „Prominenten“ in gebeugter Haltung und Selbstkritik ihre Taten. Und Richter Jones spricht dominante Worte über die Täter.
Damit spielt ProSieben in einem Unterhaltungsformat zur besten Sendezeit mit Motiven, wie man sie aus Filmen über totalitäre Staaten kennt. Aber auch aus dem echten Leben. Etwa den Moskauer Prozessen. Stalin organisierte diese zwischen 1936 und 1938 gegen vermeintliche Verräter, hochranige Funktionäre der Kommunistischen Partei. Dutzende von ihnen wurden hingerichtet. Diese Prozesse standen am Anfang des „Großen Terrors“, dessen Opferzahl nur geschätzt werden kann. Nach dem Prozess entlässt Jones die „Büßer“ in eine Art Spaß-Gulag. Dort müssen sie sich den üblichen banalen TV-Spielchen stellen.
Mit dem Format „Das große Promi-Büßen“ reagiert die ProSieben-Gruppe gleich in doppelter Weise auf das Format „Promis unter Palmen“, das im vergangenen Jahr für negative Schlagzeilen sorgte: Auch hier handelte es sich um Reality-TV. Es fielen Ausdrücke und Bezeichnungen, die tatsächlich als schwulen- oder tansfeindlich zu bewerten sind. SAT1 setzte dieses Format daher ab.
Rein praktisch füllt „Das große Promi-Büßen“ unter anderem dadurch frei gewordene Sendezeit. Aber verkörpert durch die „Prominenten“ übt ProSieben auch eigene Selbstkritik für die unwoken Versäumnisse der Sendergruppe. In Calvin Kleinen oder Elena Miras sind auch Kandidaten dabei, die schon bei dem „Promis unter Palmen“-Desaster mitwirkten.
Für die Sendergruppe ist die Selbstkritik und Rehabilitation im Sinne der political correctness wichtig. Sie lebt vom Verkauf von Werbeplätzen und die Wirtschaft setzt derzeit stark auf woke Themen. Für den Sender bedeutet das einen Spagat. Denn mit dieser Art Fernsehen scheitert die Sendergruppe in schöner Regelmäßigkeit bei den Zuschauern: Seit das Vorzeigeformat „Zervakis und Opdenhövel“ Sommerpause macht, erholen sich die Quoten. „Birgits starke Frauen“ musste SAT1 schon nach zwei Ausgaben vom Sender holen. Und „Frau Jordan stellt gleich“ sorgte am Dienstag (wieder mal) für einen Quotenabsturz, nachdem der Abend mit „Darüber … die Welt!“ noch passabel begonnen hatte.
Bei den Zuschauern verlieren ProSieben und SAT1 so weiter an Relevanz. Bei den gesamten Zuschauern ist ProSieben im Juni auf Platz Sieben abgerutscht; Kabel Eins ist mit seinen Uralt-Filmen vorbeigezogen. In der werberelevanten Zielgruppe stürzte SAT1 auf Platz vier ab, den es sich mit Vox teilen muss. Sogar das ZDF versammelte im Juni mehr Zuschauer unter 50 Jahren vor dem Fernseher als SAT1. Nur haben die ein Problem: Die Zuschauer wollen etwas anderes sehen als das, mit dem sich die Wirtschaft zeitgeistig gerne umgibt. In der relavanten Zielgruppe war die erfolgreichste SAT1-Sendung im Juni eine Wiederholung von „Fluch der Karibik“. Mit Johnny Depp in der Hauptrolle. Der sich zu der Zeit noch gegen den Vorwurf der sexuellen Gewalt vor Gericht erwehren musste. Auch ProSieben feierte dann Erfolge, wenn man Filme wiederholte oder leichte Show-Formate brachte wie „Blamieren oder Kassieren„.
Nun wagt ProSieben mit „Das große Promi-Büßen“ eine Symbiose aus beiden Bedürfnissen: Die Selbstkritik über unwokes Verhalten dürfte der Wirtschaft gefallen. Die banalen Spielchen sollen das typische ProSieben-Publikum bedienen. Dazu eine Domina-Ästhetik zu bemühen, aber auch die Ästhetik einer Dystopie über totalitäre Staaten ist eine spektakuläre Entscheidung. Es kann ein Riesenerfolg werden und ein kultureller Wegweiser. Oder ein Format, von dem in zehn Jahren keiner mehr weiß, wie so etwas mal zustande kommen konnte.
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Wie gut, dass ich daheim lineares Fernsehen abgeschafft habe! Disney+, Netflix, RTL+, Magenta TV Megathek, YouTube Premium und Amazon Prime (alles über den Internet-Anschluss bis auf Amazon und YouTube) und schon guckt man was man will, wann man will und ohne Werbung. Und dank zusätzlichem Spotify-Premium-Abo (auch via Telekom) kann man einfach nur werbe- & geschwätzfreie Musik, Podcasts (TE Wecker z. B.) oder Hörbücher genießen. Gut, kostet bisschen was, aber die Familie und ich sind diesem Proleten-TV und dem geistigen Sondermüll der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender nicht ausgesetzt. Nachrichten kommen von hier oder Reitschuster, Wetter aus der App und Verkehr… Mehr
Das erinnert mich etwas an die maoistische Selbstkritik, die auch beim KBW stattfand. Die zur Selbstkritik aufgeforderten wurden nach allen Regeln der Kunst auseinander genommen. Bei den Genossinen flossen Tränen und auch der Genosse Mann fühlten sich nicht wohl in seiner Haut. Solange sich irgendwelche C oder D Promis dafür zu Verfügung stellen, kann es mir recht sein. Will nur hoffen, daß die ehemaligen KBW Kollegen bei den Grünroten nicht auf dumme Gedanken kommen.
Es erinnert mich etwas an die maoistische Selbstkritik, die auch beim KBW stattfand. Die zur Selbstkritik aufgeforderten wurden nach allen Regeln der Kunst auseinander genommen. Bei den Genossinen flossen Tränen und auch der Genosse Mann fühlten sich nicht wohl in seiner Haut. Solange sich irgendwelche C oder D Promis dafür zu Verfügung stellen, kann es mir recht sein. Will nur hoffen, daß die ehemaligen KBW Kollegen bei den Grünroten nicht auf dumme Gedanken kommen.
In diesem Format das eigene Fehlverhalten in überschaubarer Gruppengröße öffentlich bereuen und reflektieren zu müssen, wird zum emotionalen Schauspiel, bei dem eigentlich verpflichtend Politiker ihr Fehlverhalten gegenüber der Bevölkerung eingestehen müssten.
Die Einschaltquoten würden um einiges höher liegen, besonders dann, wenn die Zuschauer noch für deren Abwahl sorgen könnten.
?
In den Achtzigern dachte ich, dass solche pervertierte Unterhaltungsshows, wie sie damals in „Running Man“ dargestellt wurden, Satire und niemals möglich wären. Heute sehe ich, dass die Entwicklung immer mehr in diese Richtung läuft.
Mein Eindruck wird erneut bestätigt, die Privaten wollen im woke-,Grün-, Rot-. Trans- und was auch immer Sein den ÖRR noch weit Links überholen. Was aber sind das für Firmen die ihre Produkte einer bildungsfernen Schicht verkaufen wollen?
Der Titel der Sendung ließ bereits vermuten, dass das wieder prekäres Unterschichtenfernsehen wird. Mit Promis hat das auch nichts zu tun, sondern mehr was mit Arbeitsbeschaffung für Systemprediger. Sich dafür herzugeben hat schon was von Selbstverachtung und zeigt, wie groß die Not ist.
In Abwandlung eines Spruchs von Karl Lagerfeld kann ich da nur eins sagen: Wer sich sowas anschaut hat die Kontrolle über sein Leben verloren.
Das freie Privatfernsehen zeigt recht gut, welches Niveau ein Teil der potentiellen Wähler haben. Ein anderer Teil sind die grünen Bessermenschen. Ein weiterer Teil die Rentner, die immer noch glauben, zu Zeiten der Schwarzwaldklinik zu leben.
Bei solchen Wählern hat Demokratie einen Sinn.
„Nach dem Prozess entlässt Jones die „Büßer“ in eine Art Spaß-Gulag. Dort müssen sie sich den üblichen banalen TV-Spielchen stellen.“
Wenn schon, denn schon!
Anstatt die „üblichen banalen TV-Spielchen“, wie Insekten in sich hineinstopfen oder Hungern mit Heidi Klum, sollten die Spielchen dem eigentlichen Show-Format angepasst werden.
Z.B. kostenlose Geschlechtsumwandlung zu Transfrau oder Transmann bei transfeindlichen Witzen, gleichgeschlechtliche Scheinehe (wahlweise auf Sylt) bei homophoben Witzen oder freiwilliger Statist beim Messerwerfen im Zirkus bei Witzen über die Event- und Partygesellschaft.