Viele CDU/CSU-Europaparlamentarier stimmten mit den Grünen – gegen Atomenergie

Die Abstimmung über die Taxonomie im Europäischen Parlament zeigt: Abgeordnete der CDU/CSU ergrünen zunehmend. Es setzt sich hier fort, was wir bei den letzten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in NRW und den nachfolgenden Regierungsbildungen erlebten.

IMAGO/Future Image

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 5. Juli 2022 angekündigt, sie werde im Bundestag einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeiten der noch verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke über den 31. Dezember 2022 hinaus stellen. Man will diesen Antrag mit einer namentlichen Abstimmung verbinden – verständlicherweise, um die eigenen Reihen geschlossen zu halten, aber auch um den einen oder anderen FDP-Atomfreund als Helden zu ködern. Man darf gespannt sein, wie die Sache ausgeht.

Wenn man sich freilich vergegenwärtigt, wie die CDU/CSU-Europaabgeordneten soeben, am 6. Juli, im Europäischen Parlament in der Frage „Gas- und Atomenergie“ abgestimmt haben, darf man vermuten, dass die namentliche Abstimmung für die CDU/CSU im Bundestag ein Flop wird.

Warum? Im Europäischen Parlament wurde entschieden, ob man die Sicht der EU-Kommission teile oder ablehne, dass die Energiegewinnung mit Gas- und Atomkraft umwelt- und klimafreundlich, also nachhaltig und „grün“ sei. Die „Grünen“ und die vereinten Linken wollten diese Definition der EU-Kommission kippen. Aber es ist ihnen nicht gelungen. Sie brachten nur 278 der erforderlichen 353 Stimmen auf die Waage. 353 – das wäre die knappe Mehrheit der 705 Europaabgeordneten gewesen. Somit bleibt die Klassifikation der EU-Kommission stehen: Gas- und Atomenergie sind nachhaltig und klimafreundlich.

Wie aber wurde in Straßburg abgestimmt? Man schaue sich erst einmal unabhängig von Fraktionszugehörigkeit das Abstimmungsverhalten der 96 deutschen Europaabgeordneten an: 58 votierten gegen die Klassifikation der EU-Kommission, also gegen Gas- und Atomenergie, 21 dafür, 7 enthielten sich, und 10 nahmen nicht an der Abstimmung teil. Das heißt: Wenn es nach den deutschen EP-Parlamentariern ginge, hätten Gas- und Atomenergie keine guten Karten. „Am deutschen Wesen …“ Wir kennen das.

Richtig interessant wird es, wenn man das Abstimmungsverhalten der 29 deutschen Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP), also der CDU/CSU-Europaparlamentarier anschaut. Und da kommt man aus dem Staunen nicht heraus: 13 votierten gegen die Klassifikation/Taxonomie der EU-Kommission, also gegen Gas- und Atomenergie. 12 stimmten dafür, 3 enthielten sich, und einer nahm nicht an der Abstimmung teil. Will sagen: Nicht einmal unter den deutschen EVP-Abgeordneten haben Gas- und Atomenergie eine Mehrheit. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU) hat zwar zugunsten von Gas- und Atomenergie gestimmt, aber offenbar hat er seinen „deutschen‘‘ EVP-Laden nicht im Griff, sonst hätten 13 deutsche Mitglieder seiner Fraktion nicht anders gestimmt als er. Sein kleiner Trost kann sein: Die von ihm geführte gesamteuropäische EVP-Fraktion stimmte mit überwältigender Mehrheit (119 versus 37) zugunsten von Gas- und Atomenergie.

Hier eine Übersicht des Abstimmungsverhaltens der deutschen MdEPs. Wir verwenden dafür eine Darstellung, die die Fraktion der „Grünen“ (die sind also in der Dachzeile der Grafik mit „uns“ gemeint) – vermutlich nicht ohne Süffisanz – zusammengestellt hat. Diese Zusammenstellung haben wir für TE mit dem Protokoll der Sitzung des Parlaments verglichen und konnten die Auflistung bestätigen – siehe hier.

Screenshot / Bündnis 90/Die Grünen

Was heißt das? Die Abgeordneten der CDU/CSU im Europäischen Parlament ergrünen zunehmend. Es setzt sich hier fort, was wir bei den letzten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in NRW und den nachfolgenden Regierungsbildungen erlebten: Schwarz/Grün. Man mag sich, man kann’s miteinander.

Für die Energieversorgung Deutschlands sind das keine günstigen Perspektiven, auch wenn die EU-Kommission sich (noch?) aufgeschlossen für Gas- und Atomenergie gibt. Was aber wird die schwarz-grüne Schmuserei uns noch bescheren: Das endgültige Aus des Verbrennermotors? Noch mehr voraussetzungslose Zuwanderung? (Auch hier hat sich die EVP-Fraktion schon sehr offen für die Zuwanderung aus Afrika gezeigt.) Noch mehr „diversity“ und „wokeness“? Trübe Aussichten, politisch „schwarze“ jedenfalls kaum noch. Denn auch die Unions-Alpha-Tiere Merz und Söder geben sich hier mehr und mehr ausgesprochen flexibel.

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Kommentare ( 39 )

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F. Hoffmann
2 Jahre her

Ein herzliches Grüß Gott auch an Frau Hohlmeier, CSU. Der Friedhofswärter läßt ausrichten, daß im Grab ihres Vaters FJS heftige Rotationsbewegungen zu verzeichnen sind.

ErwinLoewe
2 Jahre her

Die grüne Ideologie frisst sich in alle Parteien. Auch in der bundesrepublikanischen CDU/CSU steckt sie schon.
Schaue man sich nur die Bundestagsdebatte am 07.07.2022 ab 09:05 Uhr (Dauer: ca. 90 Minuten), zum beschleunigten Ausbau der „Erneuerbaren“ an. Herr Jung und Frau Weisgerber der CDU/CSU-Fraktion jammern ein bisschen herum, sind aber voll auf Habeck-Kurs.

josefine
2 Jahre her

Wenn die CDU sich weiterhin so grünen-freundlich verhält, ist auch sie nicht mehr wählbar.
Die CDU-Wähler sind scheinbar damit zufrieden: Sie wollen keine Übermacht der Grünen, finden aber ein grünes Korrektiv in der Regierung in Ordnung.
Die Frage wird sein, ob die CDU als konservative Partei in einer Verbindung schwarz-grün erkennbar sein wird. Und natürlich, wer Koch und wer Kellner sein wird.
Es wird spannend in NRW und SH.

Thorsten Maverick
2 Jahre her

Wundert mich nicht. Peter Liese, CDU, war mit mir im Gymnasium. LK Englisch und Geschichte. Hat dann Medizin studiert. Nach dem Studium sofort Abgeordneter im EP für das Hochsauerland. Vertritt grüne Politik pur. Will das Klima mit Solarzellen und Windrädern retten. War bei Corona voll auf Regierungslinie. Genauso der Landtagsabgeordnete Kerkhoff, hat übrigens Politikwissenschaft studiert. Ebenfalls total grün. Diskussionen sind sinnlos. Die haben von Technik null Ahnung. Das Hochsauerland ist schwarz, die Wähler regen sich zwar über die Windräder auf, wählen die CDU aber trotzdem.

S.Bauch
2 Jahre her

Sollte Putin Ende Juli die Gaspipeline Nordstream1 nach den Wartungsarbeiten nicht mehr in Betrieb nehmen, droht Deutschlands Wirtschaft ein Absturz ungeahnten Ausmaßes.42000 Betriebe brauchen für ihre Produktion Vorprodukte vom größten Gasverbraucher BASF. Sollte dieser nicht mehr liefern, droht Massenarbeitslosigkeit. Wird Herr Scholz oder Herr Habeck am Ende des Jahres die AUS-Knöpfe für die letzten drei Kernkraftwerke drücken, die immerhin für zehn Millionen Haushalte Strom erzeugen?

puke_on_IM-ERIKA
2 Jahre her

Und wenn die CDU noch so rumgrünt nach 16 Jahren grünem Angelismus- dann wählen viele gleich das Original. Dumme Klatschhasen sind keine Führung für ein Industrieland. Grüne ebenso nicht.
Vorwärts in den Niedergang.

Aufgewachter
2 Jahre her

Es tut mir in der Seele weh schreiben zu müssen das Friedrich Merz komplett versagt, ich dachte er wäre besser als Merkel, was für ein fataler Irrtum. Mit seinem Versagen schwindet jegliche Hoffnung für unser Land, für all das was unsere Großeltern, Eltern und wir selbst nach den 2WK aufgebaut haben.

F. Hoffmann
2 Jahre her

Freie Wähler. Nur so nebenbei. Auch Aiwangers Freie Wähler haben gegen Kernkraft und Gas gestimmt. Absolut volksnah 🙂 Es fehlt nach wie vor eine liberal-konservative praxisnahe Partei.

Last edited 2 Jahre her by F. Hoffmann
Memphrite
2 Jahre her
Antworten an  F. Hoffmann

Bitte keine „liberal-links-konservativ etc.“ Partei mehr.
Einfach nur „PRAGMATISCH“
Gerade in der Ukraine-Sanktions-Nidergangs-Spirale haben die „liberal-konservativen-alten-weissen Männer“ gezeigt, das sie nicht besser als die „links-liberalen-grünen“ sind.

Duke_van_Hudde
2 Jahre her

Wirklich spannend wird es bei der CSU. Dort haben 5 dafür und nur 1 Person dagegen gestimmt. Die CSU ist quais schon zu deutlich mehr als 80 % von dne Gürnen übernommen.
Wobei das wirklich schlimme ist die Taxonomie als solches. Die EU zwingt Banken,Versicherungen und Anlagebereater ihre Kunden massiv dazu zu drängen Produkte zu kaufen die Aktien und Anleihen von Firmen enthalten die laut den EU Beamten „gute“ Firmen sind.
Es geht also dadrum eine gelenkte Wirtschaft zu erzeugen in dem nicht der Investor entscheidet wo sein Geld am besten hinfliessen soll sondern ein EU Beamter.

ErwinLoewe
2 Jahre her
Antworten an  Duke_van_Hudde

Das Ziel der EU-Kommission ist Planwirtschaft à la UdSSR und DDR. Denn nur sie wissen, wie Wirtschaft funktioniert, glauben sie, und die Bürger treten sie noch immer nicht in die Allerwertesten.

elly
2 Jahre her

Die Jugend ist die Zukunft des Landes, so schallt es seit Jahren aus allen Rohren. Kein Wunder, dass sich auch Parteien den Jungen anbiedern. Sie hoffen auf zukünftige Mitglieder und Wähler. Aber warum soll jemand eine billige Kopie wählen, wenn das Original zur Verfügung steht?
Die Grünen haben die NGOs hinter sich und die NGOs haben viele junge Menschen.