Der FDP-Arzt Philipp Rösler bewies bereits vor Karl Lauterbach (SPD), dass Ärzte im Regelfall die schlechtere Wahl für die Leitung eines Gesundheitsministeriums sind. Von Lothar Krimmel
Der Wortwechsel ist legendär: Nach der Bundestagswahl im Herbst 2005 warf Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Frage auf, ob man Karl Lauterbach in die Koalitionsverhandlungen einbeziehen sollte. „Wenn wir ihn draußen lassen, pinkelt er uns ans Zelt“, gab sie zu bedenken. Doch Peter Struck kannte seine Genossen und fackelte nicht lange: „Und wenn ihr ihn reinholt, pinkelt er euch ins Zelt!“, war seine klare Botschaft.
Natürlich hat Lauterbach sich auch in der Folgezeit stets überall hineingedrängt. Wenn die Fraktion wieder einmal einen Gesundheitsexperten befragen wollte, meldete sich Lauterbach auf der Stelle und ließ seine Kollegen wissen, das könne man sich sparen, da man doch ihn habe und er ja alle relevanten Studien kenne. Dabei war längst bekannt, dass er stets nur diejenigen Studien zitierte, die ihm passten, und diese zudem genau so interpretierte, wie es ihm passte.
Seither sitzt ein selbstverliebter politischer Autist an der Spitze des Gesundheitsministeriums. Initiativen kommen von ihm ausschließlich zum Corona-Thema, und trotzdem – oder gerade deswegen – ist die Corona-Politik seit seinem Amtsantritt noch chaotischer als zuvor.
Und da er sich auch als Minister am liebsten von sich selbst beraten lässt, drängt er natürlich auch als Teilnehmer in die eigentlich zu seiner Unterstützung eingesetzten Expertenkommissionen, um ihnen seine Meinung aufzuzwingen oder sie durch seine gefürchteten Monologe gleich ganz auszuschalten.
In guten Zeiten hatte die Führung der SPD stets darauf geachtet, dass hinter einem unvermeidlichen Pseudo-Minister wenigstens die Staatssekretäre den Laden am Laufen halten. Doch diesmal haben Malu Dreyer und Manuela Schwesig als Drahtzieherinnen dafür gesorgt, dass auch die Leitungsebene hinter Lauterbach versagt. Denn Thomas Steffen ist vielleicht ein guter Verwalter, aber kein Impulsgeber. Und Antje Draheim ist als geradezu gespenstischer Totalausfall ein Garant für die Demotivation auch der nachfolgenden Ebenen des Ministeriums.
Mit Wehmut denkt man zurück an die Zeiten von Ulla Schmidt. Denn bei aller politischer Rigorosität der Aachener Sonderpädagogin: von 2001 bis 2009 wurden unter ihrer Ägide strukturelle Reformen noch angepackt und auch umgesetzt.
Legendär ist ihr politischer Enthauptungsschlag gegen die kassenärztliche Selbstverwaltung. Bis 2004 war das Parlament der deutschen Kassenärzte ein unbequemer Haufen ehrenamtlich tätiger Freiberufler, der immer wieder öffentlichen Widerstand gegen gesetzliche Regelungswut geleistet hatte. Seit Ulla Schmidts GKV-Modernisierungsgesetz jedoch drängeln sich frustrierte Praxisärzte scharenweise um die hochbezahlten Hauptämter der Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie organisieren jetzt nicht mehr den Widerstand der Ärzteschaft.
Stattdessen werden sie fürstlich entlohnt für das genaue Gegenteil, nämlich die eilfertige Umsetzung jedes noch so absurden Gesetzesprodukts.
Tatsächlich gab es seit Ulla Schmidt keinen Gesundheitsminister mehr, dessen Kernanliegen die Fortentwicklung eines zukunftsfähigen Gesundheitswesens war. Ihr Nachfolger, der FDP-Arzt Philipp Rösler, bewies bereits vor Karl Lauterbach, dass Ärzte im Regelfall die schlechtere Wahl für die Leitung eines Gesundheitsministeriums sind. Denn wer es als Arzt bis in diese politischen Höhen schaffen will, muss in der Regel alle ärztlichen Tugenden hinter sich lassen. Wer sich dem nicht beugen wollte, dem wurde schon zu Zeiten Herbert Wehners die unerbittliche Frage ins Gesicht gebrüllt: „Bist du Arzt oder Genosse?“
Eine vergleichbare Strafversetzung ereilte dann auch Gröhes Nachfolger Jens Spahn, der sich bereits als Finanzminister gesehen hatte. Allerdings kam hierbei Angela Merkels bewährte Taktik zum Einsatz, potenzielle Rivalen oder Störenfriede auf solchen Geleisen abzustellen, auf denen sie nichts gewinnen, aber alles verlieren können.
Das alles könnte Stoff für eine kabarettistische Aufarbeitung liefern, wenn die Lage unseres Gesundheitswesens nicht derart dramatisch wäre. Denn das deutsche Erfolgsmodell einer selbstverwalteten Gesetzlichen Krankenversicherung macht angesichts katastrophaler Finanzierungslücken derzeit erste Nahtoderfahrungen. Eine vom Finanzminister abhängige und damit chronisch unterfinanzierte staatliche Krankenversorgung nach britischem oder italienischem Vorbild scheint kaum noch abwendbar. Dazu mehr in Teil 2.
Karl Lauterbach ist derzeit noch vor Christine Lambrecht die beliebteste Wette in der Berliner Szene. Die Mehrheit geht davon aus, dass er bei einer größeren Kabinettsumbildung in jedem Fall ausgetauscht wird. Und wenn die SPD die Niedersachsen-Wahl am 9. Oktober verlieren sollte, dürfte er mit Sicherheit dabei sein.
Damit wäre das Gesundheitswesen noch nicht von der schiefen Bahn geholt. Aber es bestünde wenigstens wieder die Chance auf eine vernunftgeleitete Gesundheitspolitik. Vielleicht hofft ja deswegen sogar die SPD-Spitze auf Schwarz-Grün in Hannover.
Weiter in Teil 2: Auf dem Weg in die staatliche Mangelverwaltung
Dr. med. Lothar Krimmel, Facharzt für Allgemeinmedizin, war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und damit ein genauer Kenner des Medizinsektors.
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Die innereuropäische Migration gleicht sich dem Leistungsverahlten schneller an als „andere“. Ich habe viel Kundschaft vom Balkan und Polen, die Männer sind oft im Gerüstbau, Staßenbau, Fabrik, die Frauen in der Pflege. Die schenken sich nichts. Allerdings, weil sie das Geld, wie sie auch offen sagen, außer Landes tragen und „zu Hause“ in ihre Grundstücke stecken. Dort gibt es auch nicht einen derartigen Zirkus mit Baugenehmigungen. Mit dem hier verdienten Geld haben sie dort eine tolle Kaufkraft. Aber ich würde den Schiefstand nicht ethnozentristisch erklären wollen. Die „Deutsche Mentalität“ war offenbar schon immer von einem „Sendungsdedanken“ geplagt, so wurden Gelder… Mehr
Vielleicht sollte man einmal die Kirche im Dorf lassen. Das deutsche Gesundheitswesen ist wahrscheinlich qualitativ eines der besten der Welt. Die finanzielle Schieflage ist wohl größtenteils dadurch bedingt, dass seit 2015 zwei Millionen Leistungsempfänger hinzugekommen sind, die naturgemäß nie in die Kassen eingezahlt haben und mehrheitlich auch in der Zukunft nichts einzahlen werden. Wir bilden seit Jahrzehnten gute Ärzte über ein von den Steuerzahlern finanziertes Bildungswesen aus, die dann zu einem großen Teil ins Ausland abwandern, weil sie dort besser bezahlt werden. Hier gibt es unbestreitbar einige Baustellen, bei denen noch Arbeit wartet, die aber von einem vollkommen überforderten Wirrkopf… Mehr
Das Thema, ob nach Lauterbach noch irgendwas zu retten wäre im Gesundheitsministerium, stellt sich aus meiner Sicht eigentlich gar nicht. Ich befürchte nämlich, dass diese Person zwar total fertig IST (das beweist er ja regelmäßig bei seinen Auftritten), aber leider noch nicht fertig „HAT“. Man kann Scholz sehr viel vorwerfen, aber sich nicht, dass er dumm wäre. Er weiß, was die Zukunft (noch während seiner Amtszeit) diesem Land bringen wird. Und er weiß auch, dass man dafür schon einen sehr „guten“ Sündenbock braucht. Lauterbach opfert er deshalb erst dann, wenn die Sache mit alles auf den Krieg schieben nicht mehr… Mehr
Der Gesundheitssektor ist im Kapitalismus kein Bereich, der sich selbst tragen kann. Das ist immer eine Geldfraßmaschine. Kein Wunder, denn ein Kranker oder Verunfallter schafft keine Werte und somit auch kein Pflegepersonal. Man kann zwar zugutehalten, dass der Gesundheitssektor Steuerpflichtige weitestgehend schnell wieder in den Arbeitssektor zurückführt, doch die Kosten für Arbeitsausfall, Pflege und Medikamente decken die Krankenversicherung nicht ab. Noch düsterer sieht es bei der Seniorenpflege aus. Auch die Zeiten von Ulla Schmidt waren keine rosigen Zeiten. Die alle Jahre wieder auftauchende Debatte um Gesundheitsreformen, suggeriere, es gäbe in der Marktwirtschaft eine deutsche Lösung, hiet Kosten und Nutzen in… Mehr
Sehr geehrter Herr Kollege Krimmel ,ich bin schlicht entsetzt über die Zeilen zur Leistung der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Genau diese Zeit hat uns die Fallpauschalen ,die Abrechnungsdaten für Hausbesuche per Luftlinie und viele ,viele andere Unsinnigkeiten ,beführwortet von einer „ gekauften „ Führung der KBV eingebracht . Es hatte erhebliche Einkommensverluste der Kassenärzte zur Folge ,von denen überwiegend die hausärztlichen Kollegen betroffen waren ,da in politischer Absprache die sog. Fachärzte die Führungsgremien occupierten . Es ist eben nicht passend ,wie sich zur Zeit herausstellt ,eine „ stromlinienförmige „ KBV zu installieren . Bei den Gewerkschaften kommt niemand auf diesen… Mehr
Ich bin etwas ratlos. Eigentlich war ich der Meinung, dass es von Vorteil ist, einem Bundeamt vorzustehen, zu dem man auch einen beruflichen Bezug und dementsprechende Erfahrung vorzuweisen hat. Es gab einfach zu viele Beispiele, dass Politiker ohne jeglichen Realitätsbezug in Ämter gehievt wurden, in denen sie riesigen Schaden anrichteten, weil sie von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten (haben). Nun reden wir allerdings von einem Arzt (?) im Gesundheitswesen. Der sollte doch eigentlich wissen können, wie´s richtig laufen muss. Vielleicht ist der Ansatz falsch. Es sollten nur solche Menschen Ministerposten erhalten, die tatsächlich etwas auf dem Kasten haben, von… Mehr
Naja, Herr Krimmel relativiert die Überschrift weiter unten mit dem Satz: „… war zwar kein Arzt, aber dafür ebenso wie Lauterbach ein Karriere-orientierter politischer Autist,…“. Das ist wohl die Pointe, dass Herr Lauterbach sich offenbar mitnichten längere, zusammenhängende Zeit in dem Berufsfeld eines „Arztes“ betätigte. Damit meine ich die tägliche Anamnese, Diagnose, Therapie, Umgang mit einem Praxisteam, Patienten und Verwaltung. Wobei man Empathie, Psychologie und den Grundgedanken des H.Eides lebt. Im Gegenteil, an Ausbildung mangelt es ihm keineswegs: Herr Lauterbach studierte lt. Wiki an einer deutschen und zwei US-Unis Medizin, danach Harvard School of Public Health, wo er seinen M.Sc.… Mehr
„Selbstverliebter politischer Autist“
– Sehr schöne Bezeichnung. Trifft ins Schwarze.
„Aber es bestünde wenigstens wieder die Chance auf eine vernunftgeleitete Gesundheitspolitik.“
– Grundgütiger, wovon träumen Sie eigentlich nachts? In diesen irren Zeiten ist ganz allgemein eine vernunftgeleitete Politik so weit weg wie die Erde vom Pluto. Da ist die Gesundheitspolitik nur eine Baustelle von vielen. Wobei – eigentlich ist ganz Deutschland mehr oder weniger eine Baustelle. Was kriegen wir überhaupt noch hin, außer uns selbstmörderisch ins eigene Knie zu schießen?
Hat eigentlich irgend jemand mal nachgerechnet, wie viel die GKV durch hunderttausende von Hartz-IV-Migranten belastet wird? Kann man beliebig vielen Menschen aus dem Armutsprekariat der Dritten Welt (und bald auch allen Ukrainern) eine AOK-Versichertenkarte in die Hand drücken und glauben, dass die Beitragssätze stabil bleiben können?
Im Gesundheitsbereich sind große Aufgaben zu bewältigen. Die Reform der Pflegeberufe, Intensivpflege, die Beseitigung des Pflegenotstandes, der absolut nicht mit Corona zu tun hat, die Psychiatriereformen, Krankenkassen, DRG-System und und und. Lauterbach kann nichts, auch nicht Corona. Wer so mit einer angeblichen Pandemie umgeht, ist ein Narr und Realitätsverweigerer. Die Aussage „selbstverliebter Autist“ trifft den Nagel auf den Kopf. Lauterbach gehört unbedingt gestoppt, denn er ist eine reale Gefahr für unser Land. Er hat als Pharmalobbyist schon genug Schaden angerichtet, und ich hoffe, er wird mit Prozessen überhäuft.