Covid, Krieg und Klima – drei Krisen, eine Moral

Nicht nur die Dachschäden sind dort am größten, wo die Moralkeulen am hingebungsvollsten geschwungen werden. Die Stabilität Deutschlands ist in Gefahr.

Nicht nur die Dachschäden sind dort am größten, wo die Moralkeulen am hingebungsvollsten geschwungen werden. Die Stabilität Deutschlands ist in Gefahr.

I.

Die Covidmaßnahmen, das Impfchaos, das Trommelfeuer der Angst, die ökonomischen, politischen und psychosozialen Folgen, die einsam gestorbenen Alten, die reizdeprivierten, bildungsfern gehaltenen Kinder, die systematische Entmündigung der Bürger: Die letzen beiden Jahre haben die offene Gesellschaft nachhaltig beschädigt und geschwächt. Noch ist das eine Verhängnis nicht ausgestanden, wie die Bundestagsdebatte um die Impfpflicht zeigte, schon macht sich das nächste breit. Doch die Moralkeulen wandern nicht zurück ins Arsenal der Freiheitsverächter. Sie werden nur umso heftiger geschwungen.

II.

Es herrscht Krieg. Und statt der allmählichen Erholung von der Covid-Depression, statt der Entmachtung der Angst, die von den Lauterbachs weiter geschürt wird, überlagert und verdüstert das russische Desaster die Lage. Covid hat der Weltwirtschaft bereits erheblichen Schaden zugefügt, Lieferketten zerstört, die Inflation geschürt, Wohlstand vernichtet. Das ist noch nicht vorbei, wie man in China sehen kann. Covid geht vielleicht, die Angst aber bleibt. Jetzt trifft Russlands Krieg die deutsche Wirtschaft. Allein die Automobilindustrie brach im März um ein Drittel ein. Selbst, wenn Putin bald zur Räson gebracht werden könnte: Der größte Schaden ist bereits angerichtet, die doppelte Falle schnappt zu. Die deutsche Politik hat sie selbst aufgebaut: Energiewende nach merkelgrünem Rezept bei gleichzeitiger Abhängigkeit vom Gaslieferanten Russland. Auch hier spielte Moralismus deutscher Webart die entscheidende Rolle. Der jahrzehntelange Kinderglaube an Wandel durch Handel vereint mit dem abrupten Ausstieg aus der Kernenergie, für die Merkel nicht ohne Grund keine Physiker, sondern katholische und evangelische Bischöfe als Chefpropagandisten einspannte.

III.

Jetzt treiben die frisch gewendeten Pazifisten die Bevölkerung mit der Moralkeule die schiefe Ebene hinunter. Die Deutschen sollen auf russisches Gas verzichten. Und siehe da: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung stimmt diesem Irrsinn zu. Wie lange werden die Populisten in den Regierungsämtern dem noch widerstehen? Der Schaden wäre unkalkulierbar und nachhaltig. Zur Vertrauenskrise kämen massive Umverteilungskämpfe. Das Mittel der vergangenen Jahrzehnte, alle Probleme mit Milliarden zuzuschütten, funktioniert nicht mehr. An zwei Fronten werden die Bürger bereits enteignet: Rekordinflation und Rekordsteuern. Was nützt es der Ukraine, wenn dann der kranke Mann Europas, nämlich Deutschland, am Boden liegt. Es wäre nur ein Triumph des so lange hofierten Despoten in Moskau.

IV.

Auch Putin wird früher oder später gehen – aber die Klimahysterie wird bleiben. Es stoppt zwar nicht die Erderwärmung, wenn die Deutschen zu hause frieren, weil sie sich weder das Gas zum Heizen noch ein Auto leisten können. Aber so ist das Kalkül grüner Fanatiker. Energiemangel wäre ein Kollateralnutzen. Der Krieg ist die beste Gelegenheit, die Energiewende zu radikalisieren. Nur dass eben nicht mehr „Rettet das Klima“ auf den Fahnen steht, sondern „Frieren für den Frieden“. Die Doppelstrategie liegt in der Tradition der Bewegung. Es waren dieselben, die schon vor fünfzig Jahren gegen Nachrüstung und Kernkraft gleichermaßen protestierten und randalierten.

V.

Die Klimamoralisten propagieren heute neue Illusionen. Trotz enormer Anstrengungen liefert erneuerbare Energie heute nur 5,4 Prozent der Primärenergie in Deutschland. Wenn dann noch der gesamte Individualverkehr auf Strom umgestellt werden soll, kann die Rechnung nicht aufgehen ohne Kernenergie und ohne neue Technologien wie grüner Wasserstoff. Doch die Ideologen sperren sich der auch hier notwendigen „Zeitenwende“ und setzen falsche Prioritäten. Es geht der Marktwirtschaft an den Kragen. Staatseingriffe und Planwirtschaft greifen um sich. Die Nachhaltigkeitsbürokratie der EU stranguliert schon heute die Energiemärkte. Grüner Furor zerstört Wohlstand.

VI.

Die größte gegenwärtige Gefahr mag darin bestehen, dass es Putin gelingt, die Nato und Europa in den Krieg hinein zu ziehen. Dann hat niemand mehr das Geschehen unter Kontrolle. Doch nicht nur Putin, sondern auch die grünen Moralisten nutzen den Ukrainekrieg für einen zentralen Angriff auf Freiheit und westliche Lebensart.

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Kommentare ( 71 )

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Sonny
2 Jahre her

Ein Leser hat es hier bei TE wunderbar auf den Punkt gebracht:
Sinngemäß: Diese ganzen grünlinken Idioten rächen sich schon ihr ganzes Leben dafür, was ihnen damals auf den Schulhöfen angetan wurde.

Der Michel
2 Jahre her

„Die größte gegenwärtige Gefahr mag darin bestehen, dass es Putin gelingt, die Nato und Europa in den Krieg hinein zu ziehen.“ Falsch, Herr Herles – so falsch wie es nur sein kann. Putin hat *keinerlei* Interesse an einem Krieg mit der Nato – denn angesichts des bereits jetzt in dem begrenzten Ukrainekrieg zutage tretenden desolaten Zustands der russischen Streitkräfte, angesichts der fast vierfach größeren Armeen der Nato müsste er wirklich den Verstand verloren haben, wenn *er* diesen Krieg anzettelte. Tatsächlich ist es genau umgekehrt: Durch mehr und mehr Unterstützung der Ukraine, also einer Kriegspartei, nun auch mit Offensivwaffen (!), durch… Mehr

karacho
2 Jahre her

Der jahrzehntelange Kinderglaube an Wandel durch Handel vereint mit dem abrupten Ausstieg aus der Kernenergie, für die Merkel nicht ohne Grund keine Physiker, sondern katholische und evangelische Bischöfe als Chefpropagandisten einspannte.“
Die katholischen und evangelischen Bischöfe wurden doch nicht eingespannt. Die haben doch ihr Fähnchen im vorauseilendem Gehorsam in den links-grünen Wind gehangen und tun es, trotz ausufernder Kirchenaustritten, immer noch.

CIVIS
2 Jahre her

Widerspruch zu VI: „Die größte gegenwärtige Gefahr mag darin bestehen, dass es Putin gelingt, die Nato und Europa in den Krieg hinein zu ziehen.“

Meines Erachtens ist das letzte, was Putin will, nämlich die Nato und Europa in den Krieg hinein zu ziehen.

Im Gegenteil: Einige dieser sog. Experten aus der NATO, der EU, den sog. „Qualitätsmedien“ und aus sonstigen Organisationen können es mit ihrer hysterischen Hetze anscheinend gar nicht abwarten, schnellst möglich selbst und aktiv auf ukrainischem Gebiet in den Krieg einzugreifen.
…und das wäre dann der Supergau !

Last edited 2 Jahre her by CIVIS
karacho
2 Jahre her
Antworten an  CIVIS

Diesen Abschnitt VI fand ich auch sehr ‚merkwürdig‘ formuliert. Russland wäre doch in einem Krieg gegen die Nato mit Konventionellen Waffen und bezgl. der Truppenstärke Militärisch Haushoch unterlegen (1>3,5?). Das weiß Putin und auch der Wertewesten. Und deswegen will Putin auch garnicht, dass es zu einer großen Auseinandersetzung mit dem Wertewesten kommt. Denn dann wäre wirklich alles im Arsch. Dann würde nicht mehr nur geblufft, sondern die Nukleare Karte ausgespielt. Die momentanen Kriegstreiber für einen richtig großen Krieg sind Selensky, Melnyk, die Polen, der Westen und die westlichen Medien mit immer neuen Forderungen zur Unterstützung mit Waffenlieferungen für die Ukraine.… Mehr

Wolfgang M.
2 Jahre her

Krieg ist überhaupt keine „beste“ Gelegenheit, um irgendetwas zum Guten zu befördern, Krieg ist ein Verbrechen. Schauen wir uns doch in dieser Hinsicht nicht sehr ruhmreichen Menschheitsgeschichte um. Krieg bringt nichts anderes Elend, Trümmer, Tote und verkrüppelte Menschen. Was hätten wir schon alles erreichen können, ohne diese unglaubliche Vernichtung von Humankapital.
Und wenn die Grünen glauben, mit Krieg ihren Öko-Wahnsinn befördern zu wollen, dann sollte man sie von dieser Erde verweisen. Sollen sie doch meinetwegen auf dem Mars ihre Wahnideen ausleben.

karacho
2 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M.

Voll d’Accord. Man rechne sich nur mal aus, hätte man die ganzen Milliarden in Bildung und Kraftwerksforschung gesteckt, als in Energiewende und Genderideologie.

Wolfgang M.
2 Jahre her

Meine (unerhebliche) Ansicht zur Ukraine-Krise: Die Ukraine ist nicht das Resultat einer historisch gewachsenen Nationenbildung, sondern ein Überbleibsel jener multi-ethnischen Kunstgebilde, die in der Folge des Untergangs der ehemaligen Imperien nach dem Ersten Weltkrieg wie das Osmanische Reich, K.u.K., das deutsche Kaiserreich, das Zarenreich entstanden: Jugoslawien, Tschechoslowakei, das Zwischenkriegs-Polen, die Sowjetunion u.a. Allen gemeinsam ist, dass die ethnisch-kulturellen Spannungen schließlich so sehr dominierten, dass sie von der historischen Bildfläche wieder verschwanden, so bald die Zentralmacht, die ihren Erhalt garantierte, unterging. Die Ukraine war im Kernbreich eigentlich nur das ehemalige Galizien. Die Geschichte neigt langfristig dazu, ohne dass wir uns ihrer… Mehr

Moses
2 Jahre her

der Krieg schnellstens beendet wird“. Egal wie? Sie haben also bis jetzt nichts verstanden. So wie Macron auch nicht in der Lage zu verstehen, wieviel Schaden für den Frieden bringen seine regelmäßige Anrufe in Moskau.
Es ist Ihr Krieg, der noch nicht hier stattfindet. Mit der sicher Haltung bereiten Sie nur vor, die nächste Putinsche Schritte gegen Westen leichter zu realisieren.

Lizzard04
2 Jahre her

Alles richtig, kurz und bündig auf den Punkt gebracht! Wir sind im Eimer und die Perspektive sieht noch schlimmer aus, solange sich die Mehrheit im Lande weiter am Nasenring durch die Manege ziehen lässt (und sich SPD-Grüne Ideologen dabei heimlich ins Fäustchen lachen, was für eine famoses Werkzeug ihnen Putin mit seinem Krieg in die Hand gegeben hat, mit irren Moralsätzen ihr Zerstörungswerk auf eine neues Niveau heben zu können).

w.k.
2 Jahre her

In der Lagebeurteilung gebe ich Ihnen recht, in der Lösung nicht. Vielleicht wäre es vor dem Krieg möglich, jetzt an dem russischen Gas und Öl klebt Blut, unabhängig davon wieviel Schuld man den Akteuren zuschreibt. Die Lösung wäre Abkehr von der merkelschen grünlinken Klimarettung, weitere Nutzung der Atomenergie, Verzicht auf Blut-Öl und-Gas Importe. Dafür Import von Nordsee- Energieträgern mit deutlicher Reduzierung der Energiesteuern für Industrie und Bevölkerung. Leider, bezweifle ich, dass die linksgrüne Mafia auf seine kranke Ideologie verzichten wird, auch bei Vorwurf der Kriegsfinanzierung.

Boudicca
2 Jahre her

Merkel hat als CDU-Kanzlerin einer SPD-Regierung vorgeführt, wie man einen Staat mit Grundgesetz, Rechts-, Energiesicherheit und die Infrastruktur demontiert.
Diese Transformation werden die SPD und Grüne perfekt vollenden und die FDP wird es durch Lindner zu finanzieren helfen.

H.Altmeyer
2 Jahre her
Antworten an  Boudicca

Wie? Noch mehr Sonder“Vermögen“ schaffen?