Lauterbachs letztes Gefecht

In den Tagen vor dem Impfpflicht-Gesetz gibt der Gesundheitsminister noch einmal alles: Drohungen, Erpressungen, Aufruf zum letzten Aufgebot. Es ist ein Kampf gegen den Bedeutungsverlust.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Er glaubt an den „Sieg der Vernunft“. Die Rede ist von Karl Lauterbach. Innerhalb weniger Wochen zerfällt die rigide Corona-Politik des einstigen Ministers der Journalistenherzen zu Staub. Hatte der Bundesgesundheitsminister mit der Hotspot-Regelung geglaubt, ein Mittel gegen das Ende der Maßnahmen zu finden, so offenbart sich, dass viele Bundesländer keinen Nutzen von diesem „Werkzeug“ gemacht haben.

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Viel zu wenig wird noch darüber gesprochen, wie das geschehen ist. Freilich: In den Hochburgen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, die dem Corona-Regime eng verbunden sind, hat man die Maßnahmen weiterlaufen lassen. Doch in Bundesländern wie Baden-Württemberg und Sachsen kam es zu regelrechten Palastrevolten gegen die Landesfürsten. Winfried Kretschmann und Michael Kretschmer hätten die Maßnahmen noch gerne weiterlaufen lassen, um die Richtlinien der Politik weiter über Bund-Länder-Konferenzen zu regeln. Daraus wurde nichts – aus politischen und juristischen Bedenken.

Lauterbachs ungewollte Karriere vom Mahner und Warner zum Lockerer

Die Idee, die Bundesrepublik zum Hotspot-Flickenteppich zu erklären, um so die Maßnahmen aufrechtzuerhalten, hat sich für Lauterbach demnach erledigt. Seine Dauerappelle, diese umzusetzen, verpufften mehrfach. Ab dem 1. Mai fällt dann die Quarantänepflicht: Isolation bei Covid-Erkrankung erfolgt nur noch auf freiwilliger Basis. Man könne „nicht entwarnen“, die Lage sei weiter „angespannt“, fügte Lauterbach hinzu, als er einräumte, dass die Regelung dauerhaft so nicht mehr notwendig sei – und kritisierte die Bundesländer erneut, sie sollten doch bitte, bitte die Hotspot-Regelung umsetzen.

Frei nach Wellington: Lauterbach wünscht sich, es würde endlich Herbst oder eine neue Variante käme. Denn in den eigenen Reihen, sowohl bei der einst gewogenen Presse wie auch im erweiterten „Fanclub Karl“, der dem Maßnahmenbefürworter in den Talkshows zu Füßen lag, häufen sich die Enttäuschungen. Es gibt dazu eine Passage aus der Tageszeitung Welt, die in zwei Sätzen diese Situation aufgreift:

„Kritiker halten ihm vor, er habe sich im Amt binnen weniger Monate vom Mahner und Warner zum Lockerer gewandelt – schließlich sind am Sonntag die meisten Schutzbestimmungen weggefallen. Wenn man Lauterbach darauf anspricht, ist sein Unbehagen geradezu greifbar.“

Der Impfzwang muss her, damit die „laute Minderheit“ nicht gewinnt

In der Zero-Covid-Blase entsteht das Narrativ: Man darf der „lauten Minderheit“ den Erfolg nicht überlassen. Alles, wofür man seit zwei Jahren gekämpft hatte – was das auch immer war –, stehe nun auf dem Spiel. Die Idee, in die Normalität zurückzukehren, erscheint vielen als grässliches Schreckgespenst. Lauterbach hat in den Augen der Hardliner die große Sache verraten.

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Insofern bleibt nur noch eine Karte: die allgemeine Impfpflicht. Es ist Lauterbachs letztes Gefecht. Und es sieht düster aus, nachdem nicht nur der Vorschlag eines allgemeinen Impfzwangs ab 18 auf der Kippe steht, sondern auch die Idee, im Herbst diese auf alle auszuweiten. Der „Impfzwang durch die Hintertüre“ hat sich damit vielleicht erledigt. Bleibt der Impfzwang für Senioren. Lauterbachs letzter Strohhalm.

Sollte es auch hier misslingen, wenigstens dieses Projekt halb zu retten, dann ist es aus seiner persönlichen Sicht ein Scheitern auf ganzer Linie. Impfstoffbestellungen hin, Hotspot-Regelung her: In der Talkshow-Welt der Maximalforderungen, aus der Lauterbach ins Ministerium gewechselt ist, wären solcherlei halbherzige Vorstöße von ihm selbst noch in Bausch und Bogen verdammt worden. Und der Applaus des Publikums wäre ihm sicher gewesen.

Lauterbach: „Die Aufgabe ist viel härter, als ich mir das vorgestellt hatte“

Doch 2022 ist nicht 2021, und der Ministerstuhl ist unangenehm. Lauterbach hatte an einen Traumjob geglaubt. Mittlerweile sieht das anders aus. „Die Aufgabe ist viel härter, als ich mir das vorgestellt hatte“, sagt er der dpa. „Ich arbeite von morgens früh bis spät in die Nacht hinein, und dennoch würde ich mir wünschen, dass der Tag mehr Stunden hat. Es ist eine Belastung, wie ich sie mir in dem Umfang nicht vorgestellt habe.“

Lauterbach wirkt nach vier Monaten bereits ausgelaugt. Die Mahnungen kommen nur noch aus der Konserve. Es ist das letzte, woran er sich festkrallt. „Jetzt gibt es viele, die nicht mehr an Gelingen der Impfpflicht glauben. Auch Schadenfreude wird laut“, twittert er. „Ich glaube aber immer noch an Sieg der Vernunft. Die Gesellschaft verlangt zunehmend Lockerungen, Druck ist immens. Ohne Impfpflicht müssen im Herbst die Lockerungen enden.“

Es ist eine verzweifelte Drohung: Ohne meine Impfpflicht kommt ihr wieder in den Lockdown. Die Frage bleibt, ob diese Aufrufe zum letzten Gefecht verfangen. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass der Zeitpunkt nähern könnte, an dem sich der Bundeskanzler von seiner rheinischen Paniktrompete trennt – damit dessen Scheitern nicht auf ihn abfärbt. So viel hat Scholz von Merkel gelernt.

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Kommentare ( 151 )

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151 Comments
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Heiliger Bim-Bam
2 Jahre her

„Ohne meine Impfpflicht kommt ihr wieder in den Lockdown.“
Wo ist denn bewiesen, dass mit den Impfungen die Inzidenzahlen zurückgehen?????

Pacoibiza
2 Jahre her

Auch wenn, der Scholz nicht mein Bundeskanzler ist, also nicht von mir gewählt.
Hoffe ich doch er erlöst uns bald von Panikkalle.Auch weil sie Morgen versuchen werden, in der Impfpflich ab 60 (ist für mich übrigen eine Diskriminierung – Altersdikriminierung) eine allgemeine Impfpflicht, durch die Hintertür versteckt wird.
Siehe Bundestag, entscheidet über Impfpflicht, von der Bundestagsseite, im 2. Absatz steht drin “ Zudem beinhaltet der Entwurf eine Impfberatungspflicht für Personen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren, die spätestens bis zu 15. Oktober 2022 zu erfüllen ist.“

Pumpernickel
2 Jahre her

Linus, stimme Ihnen vom Grunde her zu!

Aber habe die Maske selbst positiv für mich persönlich entdeckt. Der Verbrauch von Antiallergikum ist erheblich gesunken ?? nunja…

Alf
2 Jahre her

Mit dem Erlass dieser Impfpflicht tötet der Staat vorsätzlich Menschen!
Achgut.com dokumentiert einen Brief des Netzwerks Kritische Richter und Staatsanwälte an die deutschen Parlamentarier zur der morgigen Abstimmung zur Impfpflicht.
https://www.achgut.com/artikel/dann_toetet_der_staat_vorsaetzlich_menschen
Jeder Abgeordnete, der eine Impfpflicht beschjließt, macht sich schuldig und kann sich nicht hinter dem „Staat“ verstecken.
Scholz müßte die Anträge unverzüglich zurückziehen.
Damit ist alles gesagt.

Pumpernickel
2 Jahre her

Lauterbach am Montag: ab 01.05. freiwillig in Isolation (meine Randbemerkung: bei Infektion=heisst noch längst nicht krank, manche ja; andere nicht)

Aber warum tönt und turnt dieser Mensch ungehindert in die nächste Talkshow am Dienstag und kann ungehindert verkünden: ‚das kassiere ich wieder ein‘???

Das kann doch nur ein Bundesminister mit einer gewissen Rückendeckung von sich geben…

Montesquieu
2 Jahre her

Lauterbach hat seine erratische Taktung weiter erhöht. Behördlich angeordnete Isolation war vorgestern, freiwillige Isolation war gestern, behördlich angeordnete Isolation ist heute.Da kommt man kaum noch nach. Ich glaube auch nicht, dass Lauterbach selber da noch nach kommt. Er schlingert nur noch wie die Gummiente in der Badewanne, die von allerlei Lobbyistengruppen hin und her gepustet wird.

moorwald
2 Jahre her

Morgen hat die CDU noch einmal die Chance, ihrer Rolle als Oppositionspartei gerecht zu werden.
Der Ampel steht das Wasser in Sachen Impfflicht bis zum Hals. Schon sendet sie Hilferufe an die Opposition – das sicherste Zeichen von Schwäche.

Anne
2 Jahre her
Antworten an  moorwald

Von der CDU/CSU ist hinsichtlich einer Abwehr der Impfpflicht nichts zu erwarten. Vielmehr wird sich diese sogenannte Opposition als Erfüllungsgehilfe der Ampel betätigen.

moorwald
2 Jahre her
Antworten an  Anne

Ist im Grunde auch egal: der Impfzwang kommt so oder so nicht

Maultasche ohne Fuellung
2 Jahre her

Gefunden auf „Geld und mehr“! Bis November darf Lauterbach Impfstoffe ohne Kennzeichnung und Kontrollen verimpfen lassen – auch abgelaufene 4. 04. 2022 | Nachtrag | Karl Lauterbach und Jens Spahn haben genug Impfstoffe gekauft, um alle Bundesbürger sieben Mal zu impfen. Bei vielen dieser Impfstoffe läuft demnächst die Mindesthaltbarkeit ab. Aber zum Glück hat Spahn daran gedacht, bis November 2022 alle möglichen hinderlichen Arzneimittel-Vorschriften für Corona-Impfstoffe außer Kraft zu setzen. Man glaubt kaum was dank dieser Verordnung alles geht. Nachtrag (23:15 Uhr): Ein Leser hat mich dankenswerter Weise darauf hingewiesen, dass Lauterbach schon getan hat, was ich meinte, dass verhindert werden müsse. Die Verordnung… Mehr

weihnachtsmann_frau_lein
2 Jahre her

Sollte der impfzwang kommen, dann sollten die betroffenen – und die zukünftig betroffenen, denn sie werden es nicht bei den ü60 belassen – in eine nicht verbotene form des generalstreiks treten (siehe nachfolgende punkte 1 und 2), die das gesundheits- und/oder das sozialsystem tatsächlich überlasten würden. Beide sind schmerzhaft für die streikenden, aber die ernsthaftigkeit einer zielverfolgung bemisst sich an der opferbereitschaft zu deren erreichung. 1. hungerstreik 2. (einkommen)steuerstreik durch „freiwillige“ arbeitslosigkeit. Für mich persönlich sehe ich drei weitere schmerzhafte alternativen: 3. auswanderung (ja, auch die wäre schmerzhaft, weil ich aus altersgründen vermutlich keinen job als angestellter mehr finden würde,… Mehr

Manfred_Hbg
2 Jahre her

Zitat: „Lauterbach wirkt nach vier Monaten bereits ausgelaugt.“ > Öhm, Karl’s ausgelaugter Zustand könnte am Schlafmangel liegen weil er Nacht für Nacht wach liegt und am Grübeln ist wie er das Volk auch weiterhin nerven und drangsalieren kann damit er, Prof. Karl der Große, ja bloß nicht in Vergessenheit gerät. (Zynismus off) Es reicht mir schon, dass wenn ich zum Beispiel alleine nur im Hintergrund deren Stimme höre (wozu auch die „näselnde“ Bearbock gehört), dass sich mir die Nackenhaare aufstellen und ich überwiegend nach spätestens den zweiten oder dritten Satz wegschalte weil aus deren Mündern eh nichts für mich glaubhaftes,… Mehr