Schwingt Hauptkommissarin Gabler sich vom Rad in der Gewissheit, null schädliche Emissionen produziert zu haben, und bestellt im Aubach einen Roiboosch-Tee, wünscht man sich Caroline Peters zurück, wie sie hocherhobenen Hauptes mit einer Kippe im Mundwinkel im knallroten BMW durch Eifeler Haarnadelkurven braust.
Das erste deutsche Programm hat offenbar in seinem Arsenal Tausender Krimis, unter seinen Heerscharen von Drehbuchschreibern keinen gefunden, der die Lücke füllen konnte, die das Ende der „Morde mit Aussicht“ nach dem Absprung von Bjarne Mädel 2014 gerissen hat. Der „Straßenfeger mit Quotenrekorden“ (laut TV-Spielfilm) musste wohl auch, weil „Humor besonders in diesen Zeiten … etwas Erleichterndes hat“ (Christine Strobl, ARD-Programmdirektorin), auf Teufel komm raus wieder auf die Mattscheibe.
Und obwohl der Sender sich angesichts einer Quote von knapp unter sieben Millionen Zuschauern für die ersten Ausstrahlungen schon eines Erfolgs rühmt, fehlt den neuen Folgen neben wirklich überzeugenden Hauptdarstellern offenbar etwas, denn die Kritiken fallen teils harsch aus. So klagt der Spiegel über eine „Hölle von Hengasch“, das Internet-Magazin Liebenswert berichtet von „Empörung der Fans“, über 120 Reaktionen auf den neuesten Post der offiziellen Fan-Seite seien traurige oder wütende Smileys. Laut t-online kann die Neuauflage „nicht punkten“, für die Augsburger Allgemeine ist sie eine „Enttäuschung“ und der Bonner Generalanzeiger spricht von einem „heftigen Phantomschmerz“, den die Fans der Serie nun verspüren. Tag24 titelt sogar: „Grauenhaft, unterirdisch! ‚Mord mit Aussicht‘ fällt komplett durch“.
Wer deshalb aber eine wirkliche Fortsetzung dieser „Schmunzelkrimis“ (ARD-Jargon) erwartet hat, wird enttäuscht: Den alten Figuren kommt lediglich die Funktion besserer Pappkameraden zu, die den Hauch der alten Folgen verströmen sollen. Das handstreichartige Beseitigen des früheren Ermittlertrios erhält besonders durch die bemühte Erläuterung den Beigeschmack einer politischen Säuberung. So sei Polizist Schäffer – nicht etwa dem übermäßigen Genuss Eifeler Fleisch- und Wurstwaren, was näher gelegen hätte -, sondern im Einsatz einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen; seine Kollegin Bärbel habe den Dienst quittiert, weil sie diesen Unfall durch einen Schaltfehler an der Ampel mit ausgelöst hatte. Ehefrau und Wuchtbrumme „Muschi“ Schäffer wie auch dem Zuschauer ist damit einer der witzigsten Reibepunkte abhanden gekommen.
Laut Autor ein Vorteil für die Darstellung der Lebenswirklichkeit: „Jeder weiß, dieses Dorf gibt’s nicht.“ Der Kahlschlag hat, wie man dem Interview mit Drehbuchautor Johannes Rotter bei der Medienseite DWDL entnehmen kann, Methode, denn der findet: „je höher der Grad der Übertreibung, desto lustiger ist es.“ Man könne „auf der kreativen Seite richtig Gas geben … und ein neues Hengasch schaffen“. Für ihn sei „Fernsehen für Alle … ein demokratischeres Medium als alles andere, was in der Kunst passiert“, für das „wir Themen aus einer Lebenswirklichkeit schöpfen und in ausgedachte Welten pflanzen“.
Damit zäumt Rotter, der auch in die Nebenrolle des Pastors Puttermann schlüpft, das Pferd aber von hinten auf, denn für eingefleischte Fans der Serie waren das kleine Dorf in der Eifel und seine störrischen Bewohner mindestens genauso echt wie die „Themen aus der Lebenswirklichkeit“, für die der Autor scheinbar nur eine geeignete Bühne benötigt. Eine Bühne, die sich biegt unter dem Schwall der neuen Kreativität.
Brenne, Hengasch! (Titel Folge 3)
So drehen sich die ersten Episoden der 4. Staffel um den mühseligen Versuch, eine Erotikpuppe angemessen beizusetzen, um Erbstreiterei in einer Kartoffel-Großbauern-Dynastie und um die irren Rachegelüste eines gemobbten Jugendschwarms. Dem für feine Schwingungen empfindlichen Zuseher wird schnell klar: Das warmherzig bis skurril gezeichnete Eifeldorf gibt es nicht mehr, seine früher augenzwinkernd skizzierten Bewohner müssen nun als Zerrbild eines ländlichen Idylls herhalten, in dem nicht nur die Uniformen der Dorfpolizisten schräg sitzen. In dem gefühlt alle 15 Minuten die tiefsitzende Fremdenfeindlichkeit zum Ausdruck kommen darf – Zielonka: „Wenn ich Fremde sehen will, fahr ich in Urlaub“ –, bevorzugt beim Rudelsaufen in der Gastwirtschaft der ewig mürrischen Lydia Aubach (Julia Schmitt) oder bei dümmlichen Wettbewerben (Bierkästenquerstapeln).
Wer die Persiflage persifliert, schafft eine Groteske
Die Wirkungsstätte der neu angekommenen Revierleiterin Marie Gabler (Katharina Wackernagel) ist den Zuschauern wohl bekannt: Es handelt sich um das Polizeirevier, in dem auch Frau Haas, Dietmar und Bärbel schon Dienst taten. Jedoch herrscht hier eine seltsame Unordnung, ganz so, als ob seit 2014 niemand mehr einen Fuß in die Kulisse gesetzt hat (Tatsache dürfte sein, dass das Gebäude tatsächlich seit Ende der letzten Dreharbeiten leer stand). Das alte Forsthaus ihrer Vorgängerin Haas hat hingegen ausgedient, die Polizistin muss in einen Wohnwagen ziehen und sich mangels fließendem Wasser zunächst mit Mineralwasser waschen.
Cem Ali Gültekin, aus der Serie „Nord bei Nordwest“ zugewandert, darf endlich den ihm dort aufgesetzten Akzent und das Gezappel des ungelernten Tagelöhners ablegen und als Wirt Mehmet Özdenizmen mit dem „Pascha-Dönergrill“ sesshaft werden. Aber selbst dann verwehrt man ihm noch die Teilnahme am jährlichen Backwettbewerb um die beste „apple-tart“. Glücklicherweise springt Hauptkommissarin Gabler ein und bringt seinen Kuchen für ihn vor die Jury. So angestrengt ermitteln die neuen Kollegen in den ersten Folgen, so viele Aktenordner werden geschleppt, dass Kommissar Fuhs sein klassisch hellblaues Polizeihemd durchschwitzt.
Leichen werden schonmal zur ersten Begutachtung auf den Schreibtisch in der Wache gewuchtet, und dann muss man sich dort halt auch mal kollektiv von seinem Mageninhalt trennen, gerne auch über die ganze Uniform. Und wenn Hauptkommissarin Gabler sich in der Gewissheit vom Rad schwingt, dabei 0,0 Gramm schädliche Emissionen produziert zu haben, wenn sie im Aubach einen „Roiboosch-Tee“ bestellt, dann wünscht man sich unvermittelt Caroline Peters zurück, wie sie hocherhobenen Hauptes mit einer Kippe im Mundwinkel im knallroten BMW durch Eifeler Haarnadelkurven hobelt.
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Es gibt eben „Kult-Serien“, die man einfach nicht mit anderen – auch noch so guten – Schauspielern weiter drehen kann. Das kann nur ein Reinfall werden. Diese Serien stehen, bzw. fallen mit ihren Darstellern. Das sollte man aber vorher wissen. Wohl niemand käme auf die Idee, „Neues aus Büttenwarder“ ohne Jan Fedder und Peter-Heinrich Brix neu aufzulegen. So verschleißt man unnötig gute Schauspieler in einer Serie, die ein „Flop“ werden muß. Schade !
Mord mit Aussicht war eine der besten deutschen TV-Serien überhaupt. Mit hintersinnigen und witzigen Dialogen, mit einem augenzwinkernden Blick auf Details und origineller Handlung. Die Fortsetzung 2022 war bislang nichts als billig, völlig verkrampft und irgendwie zum Fremdschämen peinlich. Das gucke ich mir nicht mehr an. Freue mich schon auf die Wiederholung der Staffeln bis 2014.
Sorry wer schaut so einen Müll? Jeden Tag zeigen die öffentlichen Anstalten nur Krimi Krimi Krimi. In allen Varianten. Haben wir nicht schon genug Gewalt in jeglicher Hinsicht daß man sich das den ganzen Tag reinziehen muß? Dann bekommen zwei Typen die andere auf unglaubliche Art und Weise beleidigen auf offener Szene eine geknallt – was normalerweise nicht geht aber bei den beiden nicht anders wirkt – und alle Welt ist entsetzt über so viel Gewalttätigkeit. Die bekommt man jedoch selbst im Zwangssteuer-Fernsehen jeden Tag im Überfluss. Da wird Gewalt in allen Varianten präsentiert und unsere Tageszeitung schreibt schon Kolumnen… Mehr
Wie wahr, wie wahr… ich habe für die deutsche „Krimi-Mania“ auch keine Erklärung; ob’s das braucht???
Das beste sind oft die ausländischen Produktionen. Von den deutschen Produktionen sind vielleicht 10% gut. Caroline Peters war da echt super! Eine der wenigen deutschen Serien, die mir gefallen hatte!
Original bleibt Original, alles was danach kommt, ist großteils für die Tonne. Es gibt auch kein 2. Spiel mir das Lied vom Tod, weil jeder weiss, es kann nur schlechter werden. Bewährte Filme oder Serien nach auslaufen wieder zu beleben, ist nur denkbar durch kompletten Realitätsverlust der handelnden Personen. Und alle heutigen u.a. Komissardarstellerinnen sind nur der Qoute geschuldet und meiner Ansicht keinen Schuss Pulver wert. Ich habe noch nie einen Tatort oder sonstiges mit derartiger Beteiligung gesehen und ich glaube ich habe auch nichts versäumt. Fischer, Bayerhammer, Götz George, Beppo Brehm, Lamprecht, der heute krampfhaft totgeschwiegen wird, u. a.,… Mehr
Vielleicht sollten sich die Prgrammdirektorinnen mal wieder mit der (inzwischen fast verpönten) Bibel beschäftigen. Da steht in den Predigern 3, 1-8 “ eine jegliches hat seine Zeit….“ Mal beherzigen und nicht auf Teufel komm raus Sachen am Leben erhalten wollen, die abgelaufen sind.
Einzige Serie, die ich noch verfolge: Hubert, wahlweise mit oder ohne Staller. Für alle anderen gilt ja generell: die Soziologie studierende Tochter liebt einen Nordafrikaner, gleichzeitig entdeckt der Vater, dass er trans ist, woraufhin sich die Mutter mit einem 20 Jahre jüngeren Syrer tröstet der lange verloren geglaubte Onkel ist schwul die Kommissarin ist türkischstämmig ein coole Cousin mit Patchwork-Familie aus dem Kaff mit hoher Arbeitslosigkeit projektiert Windkraftanlagen und kämpft in einer Bürgerinitiative gegen die Ansiedlung einer Industrieanlage der einzige sportliche Akteur mit Uni-Abschluss ist ostdeutscher Nazi, dessen prügelnder Vater säuft Also genau so, wie ich es jeden Tag erlebe… Mehr
Gestern gab es auch wieder so einen politisch korrekten Dramakrimi, direkt aus dem Leben gegriffen: Die Deutschlehrerin Afrodeutsche, die dominierende Ober-Bitch an der Schule Asiatin, die Kommissarin Chinesin.
Immerhin: Die (angehenden) Selbstmörderinnen waren noch labil und biodeutsch, und natürlich der Bösewicht.
Keine Zuschauer = nicht anschalten ist die einzige Möglichkeit, wie der Zuschauer sich wehren kann. Kommen Sie, liebe Mitleser, was sind schon ein paar Zwangsspenden für oder gegen den guten Zweck. Weigern Sie sich, die Gebühren zu nutzen! Schalten Sie den ÖRR nicht an. Jeder Nicht-Zuschauer zählt. D a s ist Verantwortung des Einzelnen!
Sind das nicht Fragen, die sich genau so einfach beantworten lassen wie die Handlung eines „neuen“ Tatort sich vorhersehen lässt? Mal ein paar Stichworte: bieder, einfältig, Grünenparteitag. Der Rest sollte dann doch wohl klar sein, oder?
Die billige Anbiederung derer, die mal irgendwas mit Medien gemacht haben spiegelt sich in der Qualität der Beiträge wider.
Hauptsache gut versorgt, dann ist auch Fernseharbeit auf Aktuelle-Kamera-Niveau OK.
Framing, Nudging – muss halt auch in Unterhaltungsserien geschehen. Das Volk muss erzogen werden.