Warum schon mehrere russische Generäle gefallen sind

Mindestens vier russische Generäle sind in der Ukraine gefallen. Eine kaum vorstellbare Unzulänglichkeit der russischen Armee soll es den Ukrainern ermöglicht haben, diese hochrangigen Kommandeure auszuschalten. Zur Schwächung der militärischen Führung hat Putin selbst beigetragen.

IMAGO / ZUMA Wire
Zerstörtes Panzerfahrzeug in Mariupol, 23.3.2022

Die russische Armee hat nach aktuellen Nachrichten mindestens vier Offiziere im Generalsrang in den Kämpfen in der Ukraine verloren. Das ist beim Angriffskrieg einer überlegenen Armee ungewöhnlich und schadet ihrer Handlungsfähigkeit. Die ukrainischen Verteidiger verweisen darum nicht ohne Stolz auf diese Erfolge. Bei den gefallenen Generälen handelt es sich um:

  • Andrei Alexandrowitsch Suchowetzki. Der am 25. Juni 1974 geborene Kommandeur der 7. Garde-Luftsturm-Division und stellvertretende Kommandant der 41. Russischen Armee starb am 28. Februar vor der ukrainischen Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Als erster hochrangiger Offizier, der in der Ukraine den völkerrechtswidrigen Überfall mit dem Leben bezahlte, bestätigte Wladimir Putin am 4. März den „Heldentod“ des Offiziers, der bei allen früheren, „schmutzigen“ Aktionen Russlands gegen Nachbarstaaten beteiligt gewesen ist – eine Würdigung, die künftig unterblieb, als die Opferzahlen der russischen Seite in für den Kreml unerträgliche Höhen stiegen.
  • Witali Petrowitsch Gerassimow. Der am 9. Juli 1977 in Kasan geborene Stabschef der 41. Armee war hochdekoriert aufgrund seiner Einsätze in Tschetschenien, auf der Krim und in Syrien. Er starb am 7. März bei dem bislang erfolglosen Versuch, die Metropole Charkiw unter russische Kontrolle zu bringen. Der russische Geheimdienst FSB bestätigte Gerassimows Tod ungewollt, indem er zur Übermittlung der Todesnachricht eine ukrainische Sim-Card benutzte.
  • Andrei Kolesnikow (45). Der Generalmajor einer transbaikalischen Panzereinheit der 29. Russischen Armee starb am 11. März bei den Kämpfen um Mariupol.
  • Oleg Jurjewitsch Mitjajew (47). Der Syrien-Veteran und Kommandeur der 150. Motorisierten Schützendivision starb im Alter von 47 Jahren am 15. März ebenfalls vor der ukrainischen Hafenstadt Mariupol. Die Ukraine veröffentlichte ein Foto des Toten nebst Rangabzeichen. Russland hat den Tod Mitjajews ebenso wie den Kolesnikows bislang nicht bestätigt.
Selbst die Kommunikation zerstört

Experten rätselten, wie es sein konnte, dass ukrainische Kräfte in der Lage gewesen sind, gezielt die Kommandeure von feindlichen Einheiten ins Visier zu nehmen und auszuschalten. Wie TE nun aus für gewöhnlich gut informierten Kreisen erfuhr, soll dieser Erfolg der ukrainischen Seite durch eine fast schon unvorstellbare Unzulänglichkeit der russischen Armee ermöglicht worden sein.

Versuch einer Analyse
Wo ist der Ausweg aus Putins Krieg?
Demnach kommunizierte die Invasionsarmee untereinander über das Internet, um so mittels Zerhacker die Konversation nebst Befehlserteilung für die Ukrainer zu verunmöglichen. Um wiederum sowohl die Information über das kriegsverbrecherische Vorgehen der Russen in den sozialen Netzwerken als auch die Vernetzung und Kommunikation der Ukrainer über das Internet zu behindern, galten die ersten Schläge der russischen Armee nun jedoch genau dieser Internet-Infrastruktur des überfallenen Landes.

Was Russlands Strategen nicht bedacht hatten: Auch ihre Internet-Kommunikation war auf die ukrainische Logistik angewiesen. Mit der Zerstörung der entsprechenden Infrastruktur konnte die ukrainische Seite zwar auf ein speziell hierfür von Elon Musk bereitgestelltes Satelliten-System umsteigen – doch die Russen blieben nun ohne Möglichkeit, das WorldwideWeb für ihre Kriegsführung einzusetzen. Um dennoch untereinander kommunizieren zu können, stiegen die Kommandeure auf das klassische Mobiltelefon um – noch dazu basierend auf ukrainischen Sim-Cards, wie sie vom FSB auch bei der Übermittlung der Todesnachricht Gerassimows genutzt worden war. Mit diesem Umstieg auf das ukrainische Mobiltelefon-Netz konnten die Ukrainer nicht nur mithören, was die Russen sich untereinander zu berichten hatten – es konnten auch die genauen Standorte der jeweiligen Offiziere ermittelt werden. So gelang es in mindestens zwei der bekannten vier Fälle, die Kommandeure gezielt durch Scharfschützen auszuschalten.

Putin enthauptete seine eigene Armee

Für die russische Angriffsorganisation war der Tod von mindestens vier der vermutlich 20 eingesetzten Kommandeure dieses Dienstrangs ein kaum zu ersetzender Verlust. Eine weitere und noch schwerwiegendere Attacke auf die Einsatzfähigkeit der Invasionsarmee allerdings hat Putin höchstpersönlich zu verantworten. Als der Überfall nicht, wie von ihm und seinem Umfeld erwartet, innerhalb weniger Stunden mit dem totalen Sieg endete, sondern sich entgegen der Geheimdienstberichte die Bürger der Ukraine kollektiv zusammenschlossen, um sich den Aggressoren entgegenzustellen, soll Putin weitere acht Generäle entlassen und teilweise unter Hausarrest gestellt haben. Am 14. März soll es zudem mit Roman Gawrilow den Vizechef der Nationalgarde getroffen haben – einer der ranghöchsten Offiziere der russischen Armee, dem noch eine Anklage wegen Hochverrat drohe.

Die Tatsache, dass Putin mit dem Verlauf seiner „Militäraktion“ alles andere als zufrieden ist, ist kein Geheimnis. So sucht er offenbar nach Schuldigen, denen er sein eigenes Versagen anlasten kann. Es kursieren unterschiedliche Meldungen und Informationen, welche nicht nur auf die Unzufriedenheit der in der Ukraine eingesetzten Truppen hinweisen, in deren Reihen es sogar schon zu Meuterei gekommen sein soll, weil sich die einfachen Soldaten weigern, gegen die Ukrainer vorzugehen. Auch soll es mittlerweile den Auslands-Geheimdienst FSB getroffen haben, dessen Spitze angeblich unter Hausarrest steht und von einer Hochverratsanklage bedroht ist.

Verwirrspiele im Kampf um die Macht

Einen vorläufigen Höhepunkt der Verwirrspiele um die Vorgänge hinter den Mauern des Kreml lieferte nun eine israelische Quelle. Danach habe Putin Ermittlungen gegen seinen Verteidigungsminister Sergej Shoigu einleiten lassen, weil dieser im Verdacht stehe, mit dem amerikanischen CIA zu konspirieren. Sehr wahrscheinlich ist eine solche Anschuldigung allerdings nicht: Der Halbtuwine gilt als konsequenter Vertreter russischer Weltmachtambitionen und führungsstarker Oberbefehlshaber der russischen Armee. Auszuschließen ist dennoch nicht, dass der Armeegeneral als nächster ins Blickfeld des Präsidenten gerät, wenn es um die Suche nach Schuldigen für das Ukraine-Desaster geht, denen irgendwelche absurden Anklagen drohen, um Putins Versagen zu verschleiern.

Sendung am 24.03.2022
Tichys Ausblick: Wie groß ist Putins Einfluss in Deutschland?
Längst schon hat Putin angesichts der Tatsache, dass die USA über Informationen aus höchsten Militär- oder Geheimdienstkreisen verfügen, sein Umfeld kontinuierlich verkleinert und eine Kultur des Misstrauens aufgebaut. Der Kreis der „Verräter“ scheint sich insofern einkreisen zu lassen. Da Putin bei Weitem nicht über Macht und Charisma eines Stalin verfügt, wäre es mit seiner Führung dennoch schnell vorbei, wenn sich Geheimdienste und Militär einig sind, dass der Überfall auf die Ukraine ein in jeder Hinsicht unsinniges Unterfangen gewesen ist, welches Putin persönlich zu verantworten hat.

Das im Zweifel nicht nur politische Überleben des Leningraders hängt insofern davon ab, wie lang es ihm gelingt, Kooperationen der Machtzentralen seines Umfelds durch gegenseitiges Misstrauen zu verhindern. Ob ihm dieses jedoch auf Dauer gelingen kann, wird umso fraglicher, je mehr die Köpfe in seinem Umfeld sich persönlich durch Schuldzuweisungen bedroht sehen. Tatsächliche oder erdachte Leaks wie das einer Anklagevorbereitung gegen Shoigu können insofern auch gezielt platzierte Versuche sein, die Sollbruchstellen in der russischen Führung sich überdehnen zu lassen.

Die Unruhe im Heer ist unbestreitbar

Dass die Unruhe in den Kreisen des Militärs wie der Dienste Russlands zunimmt, wird allerdings auch dadurch offenbar, dass jüngst ein Kreml-höriges Internetmedium unter Berufung auf das Verteidigungsministerium Opferzahlen der Invasionstruppen veröffentlichte, die knapp an die 10.000-Marke heranreichten. Zwar verschwanden die Zahlen kurz nach ihrer Veröffentlichung wieder und es wurde von einer „Hackerattacke“ fabuliert – doch die Zahlen, die den internationalen Erkenntnissen deutlich näher sind als jene durch den Kreml veröffentlichten, sind nun in der russischen Welt und könnten Putins Rolle unterminieren.

Gleiches gilt für die nicht mehr zu übersehenden Logistik-Probleme der Russen, deren Nachschubwege gezielt von den Ukrainern zerstört werden. Der Unmut der Truppe, gepaart mit der Erkenntnis der Militärführung, dass die Invasion ein militärischer Fehlschlag und eine politische Katastrophe ist, kann Kräfte in Bewegung setzen, die Putin beispielsweise durch eine Militärregierung ersetzen lassen. Wie wenig Shoigu von Putin tatsächlich hält, ließ er bereits angesichts des Bereitstellungsbefehls der Atomwaffen kurz aufblitzen.

Gegen Putins Zukunft spricht zudem, dass es mittlerweile vor allem sein „Dackel“ Dmitri Medwedew ist, der den Westen mit absurden Drohgebärden einzuschüchtern sucht. Bei Nato und EU allerdings setzt sich zunehmend die Auffassung durch, dass es sich bei diesen Drohungen weitestgehend um Schattenboxen handelt. So deuten beispielsweise Aufnahmen der angeblich von Russland eingesetzten Hyperschallrakete darauf hin, dass diese Flugmaschine mit Hyperschall nicht das Geringste zu tun hatte. Unabhängig davon sind nicht nur Washington und Brüssel erstaunt, in welch einem dysfunktionalen Zustand sich die russischen Invasionstruppen unübersehbar befinden.

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Kommentare ( 70 )

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Gerd07
2 Jahre her

Und wieder einer weniger. General Sergei Kisel ist nicht mehr in Amt und Würden. Aber immerhin lebendig, da nur seines Kommandos enthoben. Was Generälen nicht passiert, wenn der Krieg so läuft wie die Politik ihn erwartet hat.

Hieronymus Bosch
2 Jahre her

Klar, erst das Trump-Bashing und jetzt ist zur Abwechslung einmal Putin an der Reihe! Unsere Super-Geiheimdienste, unsere Super-Militärs, unsere Super-Politiker und unsere Super-Journalisten hätten alles anders und vor allem viel besser gemacht! Der Weise, welcher sitzt und denkt, kann sich dabei nur an den Kopf greifen!

Deutschmichel
2 Jahre her

+++Unabhängig davon sind nicht nur Washington und Brüssel erstaunt, in welch einem dysfunktionalen Zustand sich die russischen Invasionstruppen unübersehbar befinden.+++
Als ehemaliger DDR-Bürger, welcher in unmittebarer Nachtbarschaft einer Kaserne der sowjetischen Armee lebte, wundert mich das allerdings nicht. Diese Kaseren waren die reinsten Sauställe und von A-Z Schrott.
Ich war stets ungläubig, was man der heutigen russischen Armee alles zutraute. Das hätte ja einen fulminanten Mentalitätswechsel zur Folge haben müssen.

hansmuc
2 Jahre her

Da habe ich aber ganz andere Informationen, die, wenn sie sich als wahr erweisen, von höchster Gefährlichkeit sind: https://uncutnews.ch/wenn-sich-dies-bestaetigt-befinden-sich-die-vereinigten-staaten-im-krieg-mit-russland/

ErinnereMich
2 Jahre her

Wieso wohl sieht ein Wohnhaus beschädigt aus, wenn ein Panzer davor steht?
Ein alter Hut, und von vor Ort Medien oft genug berichtet, das sich Asow und Konsorten hinter Zivilisten versteckt.

DAS BILD zeigt es.

Hannibal ante portas
2 Jahre her

Ganz ehrlich: ist es nicht wahrscheinlicher, dass westliche Geheimdienste den ein oder anderen „Tipp“ geben, als dass sich ein russischer General mit einem ukrainischen „Fernsprecher“ Gehör verschafft? Bin wahrlich kein Freund dieses Angriffskrieges, das heißt aber nicht, dass sich unsere Seite nicht „zweifelhafter“ Methoden bedient. Ja, Russlands Militär hat sich nur sehr selten durch geniale Heerführer ausgezeichnet, sondern nur durch Masse statt Klasse. Masse ist durch die beispiellose „Schrumpfung“ des Staatsvolkes nicht mehr vorhanden. Da Klasse anscheinend ( bin durchaus noch vorsichtig in der Beurteilung, dass Plan A – Vorbild Anschluss Österreichs – komplett versagt hat ist allein Putins Fehleinschätzung… Mehr

Hieronymus Bosch
2 Jahre her
Antworten an  Hannibal ante portas

Schon ‚mal etwas von Schukow gehört? Es soll auch in der russischen Geschichte fähige Generäle gegeben haben!!

Hannibal ante portas
2 Jahre her
Antworten an  Hieronymus Bosch

Durchaus. Wer seine untergegebenen Soldaten so verheizt, wie der von Ihnen genannte, dass er sogar von Stalin deswegen gerügt wurde, kann ich weder als fähigen Heerführer und schon gar nicht als genial bezeichnen. Es gibt fast keine Schlacht auf sowjetischen Boden bei der Schukow nicht das zigfache der deutschen Verluste zu verantworten hat.

Walter Eiden
2 Jahre her

Habe gerade auf Laufpass.com ein Interview mit einem ehemaligen CIAler und Militärausbilder Namens Larry C. Johnson gelesen. Nicht wissend wie viel Expertise dieser Mann aufzuweisen hat unterscheidet sich der Grundtenor seiner Aussagen doch wesentlich von dem von Herrn Spahn.
Überschrift des Artikels: „Ukraine ist besiegt“

Gerd07
2 Jahre her

Es hat noch einen erwischt. Generalleutnant Yakov Rezantsev. Weiterhin wurde Oberst Medvechek angeblich von seinen eigenen Soldaten getötet, nachdem diese schwerste Verluste erlitten hatten.

Last edited 2 Jahre her by Gerd07
Thorsten
2 Jahre her

Die Hungersnot betraf die gesamte Sowjetunion, es auf einen ethnischen Genozid zu beschränken ist eine „etwas beschränkte Sicht“ auf die Geschichte

John Farson
2 Jahre her

Auf Seiten der Ukraine scheint es keine Toten zu geben, oder?
Außer natürlich Zivilisten, die sich in Waffenlage..ähm Schulen und Kaufhäusern aufhalten.
Kriegspropaganda nervt, egal ob sie von Putin stammt oder aus dem Westen.
Meine Hoffnung liegt bei den Chinesen, vielleicht bekommen die es besser hin.