Merkel sagte in ihrer Interview-Videobotschaft vor den Feierlichkeiten zur deutschen Einheit, gefragt, was sie von der Pegida-Parole, wir sind das Volk, hält, den etwas merkwürdigen Satz: "Alle sind das Volk". Dann bleibt sie die Antwort, was sie da meint, schuldig.
Wir schaffen das Volk! Auf diese Kurzformel könnte man die politische Linie der Bundesregierung reduzieren. „Wir schaffen das“, dieser Satz, von dem Merkel sich inzwischen ein wenig losgesagt hat, war bekanntlich ebenso lange wie stupide der Schlachtruf der Kanzlerin, mit dem sie ihre sogenannte Flüchtlingspolitik verkaufen wollte.
Jetzt kurz vor den seit einigen Jahren ziemlich verkrampften Feierlichkeiten zum Jahrestag der deutschen Einheit am 3. Oktober, ließ Merkel sich fürs Volk so vernehmen: „Alle sind das Volk.“
Wusste man bei Merkels Satz „Wir schaffen das“ schon nicht, wen sie mit wir meinte, wie sie auch offen ließ, was „schaffen“ und was „das“ bedeuten soll, so weiß man auch bei ihrem neuen Kanzlerdekret „Alle sind das Volk“ nicht, wer „alle“ sind und auch nicht, wer oder was das „Volk“ ist. Merkels klare Botschaft lautet, unfreiwillig komisch: Die Rechten und die zu kurz Gekommenen (die, die sich so fühlen) sind das Volk. Wörtlich sagt sie:
(…) Alle sind das Volk: Die, die das heute rufen, zum Teil auch mit rechtem Hintergrund, was ich natürlich nicht richtig finde und wogegen wir auch auftreten müssen, aber auch Menschen, die vielleicht zu kurz gekommen sind, wie sie glauben (…)
Der in den Medien kolportierte Kurzsatz „Alle sind das Volk“ ist so, ohne Merkels Qualifizierung, in der Sache eine mediale Fehlinformation des Leservolkes. Die erste Assoziation, in die der Leser durch diese Überschrift hineingedrängt wird, ist (angesichts des aktuellen Diskurses und angesichts der Pegidafrage des Interviewers), dass mit „alle“ auch oder sogar vorrangig die Einwanderer gemeint sind, die jetzt zum Volk gehören. Denn das wäre das einzig Neue an ihrer Verkündung. Natürlich denkt man, dass Merkel wahrscheinlich auch alle anderen Menschen, die in diesem Land leben, vor allem auch die Flüchtlingshelfer, die Regierung, die Presse, die Opposition, die Linksradikalen, die Sozialisten, die Kapitalisten, die Grünen, die Merkelwähler, Frauen, Mütter, Kinder, Omas, Männer sicher auch, die arbeitende Bevölkerung usw. zum Volk dazu zählt. Allein, gesagt hat sie das nicht.
Merkels Volk: Alle, die auf dem Boden der Bundesrepublik gerade herumlaufen?
Und warum sagt Merkel „alle“ in ihrem etwas zu kurz gekommenen Deutsch und in ihrer etwas zu kurz gekommenen Logik? Irgendwie merkt die Kanzlerin beim Reden, dass ihr die Sache mit den Rechten und den zu kurz Gekommenen bereits entglitten war und sie keine vernünftige Erklärung für ihren Satz „Alle sind das Volk“ hinkriegen würde, weshalb sie dann in einem fröhlichen Genuschel und Geschwalle fortfuhr, ohne ihren Satz sinnvoll zu beenden, wer denn nun „alle“ sind, die zum Volk gehören.
Hätte Merkel konkret zu Ende gesprochen, was sie mit „alle“ meinte, nämlich alle Menschen, die jetzt auf dem Boden der Bundesrepublik herumlaufen, dann hätte sie womöglich ihre angestammten CDU-Wähler verprellt, bei denen sie zunehmend in die Kritik gerät.
Merkel hat also groß ausgeholt und dann gekniffen und vermieden zu sagen, wen sie außer den von ihr bekämpften „Rechten“ und den „zu kurz Gekommenen“ noch unter das Wort „alle“ subsumieren will. Sie hat also vermieden zu sagen, wer nach ihrer Auffassung zum „Volk“ gehört. Eigentlich eine ganz schön verschwiemelte Leistung zum Tag der deutschen Einheit.
Merkels politische „Unschärferelation“ ist eins ihrer wesentlichen Stilmittel in ihrer politischen Arbeit. In diesem ihrem Wochenerguss treibt sie es allerdings auf die Spitze. Und alles, was politisch korrekt ist, hat nichts gemerkt und die Medien veröffentlichen Merkels Satz vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen, wie eine reine Assoziation, die sie als „Information“ an Frau und Mann bringen.
Meine These: Merkel hat den von ihr seit einem Jahr geheim gehaltenen Plan zur Einwanderung weder als politisches Konzept irgendwo vorliegen noch hat sie offenkundig irgendetwas Konkretes im Kopf. Sie macht einfach situativen persönlichen Machterhalt und das war es. Von dem kurzen Schöngerede über das Einheitsfest abgesehen, offenbart diese Wochenbotschaft der Kanzlerin ganz ungeschminkt das politische Chaos. Große Glaubensbekenntnisse und politisch korrekte Schönfärberei ersetzen allerdings mitnichten seriöse Politik und seriöse Politik beginnt damit, dass eine Regierung sich im Klaren darüber ist, welches der Status quo ist, warum er ist, wie er ist, welches die politischen Ziele sind, warum die Ziele gut (Merkel) sind und wie diese Ziele sinnvoller Weise erreicht werden sollen. Nichts davon war in Merkels Videobotschaft zur Deutschen Einheit zu hören.
Christian Wulff 2010: Ich bin Präsident aller Menschen, die hier in Deutschland leben.
Seit dem unsäglichen Christian Wulff, der zum Verdruss seiner CDU die deutsche Nation am Tag der deutschen Einheit 2010 auf zwei Sätze einschwor: Der Islam gehört zu Deutschland, und an die deutschen Muslime gerichtet: „Ja, natürlich bin ich Ihr Präsident! Und zwar mit der Leidenschaft und Überzeugung, mit der ich der Präsident aller Menschen bin, die hier in Deutschland leben.“ ist es üblich geworden, dass die politische Nomen Klatura alljährlich am 3. Oktober sagt, jajaja, deutsche Einheit, was soll die olle Kamelle. Heute geht’s um die Implementierung des Islam und die Einwanderung und beides hat Vorfahrt, auch und vor allem am Tag der deutschen Einheit.
Auch mit dieser intellektuell ziemlich krausen Wochenbotschaft treibt Merkel, die noch kurz darauf hinweist, dass in Deutschland die Meinungs- und die Demonstrationsfreiheit gewährleistet wären, immer mehr Menschen dazu, in der Wahlkabine ihr Kreuz bei der verhassten AfD zu machen.
Merkel ist offenkundig nicht in der Lage ihre Einwanderungspolitik zu erklären und vielleicht gibt es objektiv auch keine Erklärung für ihre Einwanderungspolitik. Merkels weitergehende Botschaft, dass man jede politische Meinung äußern dürfte, nur keine Kritik an ihrer Einwanderungspolitik, weil solche Kritik nicht vertretbar und böse wäre, ist eine sehr kleinkarierte Variante dessen, was man in den Medien täglich tonnenweise in diese Richtung zu sehen, zu lesen und zu hören bekommt.
Die Frage, warum Einwanderung, die Frage, welche Einwanderung, die Frage, Einwanderung für immer oder auf Zeit, die Frage, wie geht Integration, was ist Integration und die in den Medien weitgehend bestrittene Frage, gibt es eine deutsche Identität oder gibt es nur nationale Identitäten der Zuwanderer (Doppelpass), die Frage, warum soll sich Deutschland oder warum soll sich ein „Eingeborener“ an die Identitäten von Menschen, die von anderswo kommen, anpassen, warum ist der Anpassungsvorgang nicht ganz einseitig auf die freundlich und fair behandelten Einwanderer begrenzt – all diese Fragen und sehr viele mehr, lässt die Bundesregierung unbeantwortet. Damit erzeugt sie Misstrauen in ihre Politik und sie produziert, man müsste eigentlich sagen, objektiv gezielt, eine wachsende Zahl von Kritikern.
Gabriel zu seinem teutonischen „Pack“: Ihr gehört nicht zu Deutschland
Ausweislich ihrer hier besprochenen Wochenbotschaft, ist Merkel keineswegs cool, sondern zunehmend verunsichert. Und Verunsicherung und Angeschlagenheit transportieren auch die Bilder Merkels von der Einheitsveranstaltung, besonders als sie von ihrem „Tag der Freude“, der es für viele Menschen „nach wie vor“ noch sei, spricht.
Und wer ist nun das Volk? Merkel demonstriert ihren, wenn auch geschwächten, Durchhaltewillen und der ist offenbar darauf gerichtet, das Volk brechen zu wollen, eben das Volk schaffen zu wollen, welches sie will. Dabei ist es scheinbar kein Widerspruch, dass Merkel selber offenkundig nicht formulieren kann, was sie überhaupt will und wer nun „alle“ sind.
Vizekanzler Gabriel hat mit seiner „Pack“-Nummer vor ca. einem Jahr der Frage, wer ist das Volk, eine neue Qualität gegeben. Anders als Merkel hat Gabriel das „Pack“, das „dunkle Deutschland“ (Gauck) im Prinzip vor die Volkstüren gesetzt und die Botschaft verbreitet: Ihr gehört nicht zu Deutschland. Klar, dass das dermaßen Gescholtene sich zu Wort melden und sagen, wir sind doch das Volk.
Übrigens: Merkels Verfassungsverständnis ist eigenartig. Tatsächlich darf jeder im Rahmen der Verfassung seine politische Kritik auch ohne jeden konstruktiven Vorschlag äußern. Aber Merkel sagt jetzt nicht das erste Mal, dass sie bei Kritik auf konstruktive Verbesserungsvorschläge abhebt:
„Wer sagt, dass er Probleme hat, die durch die Gesellschaft oder durch die Politik nicht wahrgenommen werden, der soll sich äußern, konstruktive Vorschläge machen. Das ist gelebte Demokratie.“
Und wann wird Merkel konkret und konstruktiv?
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