Großes Ukraine-Aktenschreddern bei Illner: Rette ich meine Ideologie oder meinen Kopf?

Bei Maybrit Illner wechseln alle Linken vom Lager der pazifistischen Diplomatielaberer in das der Schon-immer-vor-Putin-gewarnt-Habenden. Man behauptet einfach das Gegenteil – und kommt damit durch. Wäre da nicht ein 93-Jähriger, der beim Wenden nicht mehr so schnell ist.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

Illner war mal wieder im Sonderformat, und es ging um die Ukraine. Tja, so schnell dreht sich die Welt weiter. Von heute auf morgen ist Corona kaum noch interessant, Karl Lauterbach wurde aus den Talkshow-Studios vertrieben, das ZDF hat keinerlei Verwendung mehr für ihn. Vielen macht diese Entwicklung Angst, sie vermuten dahinter Ablenkung von der Impfpflicht.

Ich muss ehrlich gesagt sagen, dass ich das eher entspannt sehe. Auch die Coronapanik-Bubble wird von ihrem Kampf gegen Corona abgelenkt, Putin nimmt sie als Feindbild voll und ganz ein. Die doch eher glimpflich verlaufende Covid-Erkrankung ist auch nix im Vergleich zum drohenden Atomkrieg, der natürlich durch den „fossilen Krieg“ verursacht wurde. Und das Corona-Panikensemble ist jetzt einfach viel zu sehr damit beschäftigt, alle Beweise zu vernichten, die zeigten, dass grün, rot und schwarz die maximal falsche Russland-Politik betrieben haben.

Die Lage in der Übersicht
Putin greift im Süden und Osten an – und könnte ukrainische Truppen einkesseln
Statt Virologen sitzen bei Illner nun Militärexperten und Bundeswehroffiziere, der Fokus liegt auf so unfeministischen Themen wie Landesverteidigung. Es ist interessant zu beobachten, wie schnell die Politik (mal wieder) ihre Prinzipien über Bord wirft, wie hastig sämtliche Politiker jetzt ihre eigenen Worte verdrehen, um es so darzustellen, als hätten sie das alles kommen sehen und schon immer davor gewarnt – und dabei auch ihre linke Ideologie verraten. Nicht zuletzt auch Maybrit Illner selbst, die doch gar nicht mehr so sehr links klingt wie zuletzt.

Man habe ja aus 2015 gelernt, dass man doch schon überprüfen sollte, wer über die deutschen Grenzen kommt, stellt sie als allgemeinen Konsens fest. 2015 hätte sie sich das nicht getraut, bis vor Kurzem auch noch nicht. Auch eine spannende Frage, die sie Merz stellt: „Könnte dieser grottenschlechte Zustand der Bundeswehr auch damit zu tun haben, dass es 16 Jahre Verteidigungsminister aus der CDU/CSU gab?“ Und als es um den Beitritt der Ukraine in die Nato geht, stellt sie noch einmal ausdrücklich fest, dass es ja Angela Merkel war, die den seinerzeit blockiert habe. Sie windet sich und windet sich, doch es läuft alles auf eine Erkenntnis hinaus: Merkel hat es verbockt. Das merkt man jetzt, wo die Russen kommen, auch im ZDF.

Das Schlagwort der grünen Transformatoren ist nun auf „Energiesouveränität“ zusammengeschrumpft

Besonders gespalten ist die SPD. Sie muss gerade viel Schröder-Kritik einstecken, wird dabei massig in klarer Laberpositionierung behindert, weil sie die ganze Zeit den Altkanzler babysitten müssen. So ist auch die erste Frage von Illner an Herrn Klingbeil, immerhin neuer SPD-Chef, was er denn von Schröders geheimer Reise zu Putin halte. Diese Reise ist nämlich so geheim, dass alle genau wissen, wo er sich mit wem, wann und weshalb trifft. Ob man denn von Schröders Bitte an Putin nach Frieden irgendetwas erwarten kann, wo er doch für ihn arbeite.

An der Antwort von Klingbeil ist eigentlich nichts Besonderes. Bis einem auffällt, dass sie genau die gleiche Struktur hat, wie die Antworten aller anderen SPDler, die zu diesem Thema befragt wurden. Erst wird noch mal ausdrücklich und überschwänglich betont, dass man von diesem Besuch ja ganz und gar nichts wusste und dass das auch ganz und gar nicht von der SPD organisiert oder angeordnet wurde. Dann die diplomatische Einlenkung, dass man aber alle Versuche zur Friedensschaffung begrüße und ihm viel Glück wünsche. Da kommt einem dann doch der Gedanke, dass die SPD da etwas mit zu tun hatte, worauf ich vorher gar nicht gekommen wäre. Ich kann mir jedenfalls bildlich vorstellen, wie gestern früh alle SPD-Funktionäre zu diesem Statement gebrieft wurden.

Friedrich Merz war auch da, inhaltlich wär’s ja alles ok, wenn er sich nicht dauernd durch sein Wichtiggetue als größter Stratege des Jahrhunderts so aufbauschen und die Fehler seiner eigenen Partei ausblenden würde.

Steuerlos
Deutschland zwischen Apathie und Aggression
Wie gesagt, es ist unterhaltsam zuzusehen, wie sie nun alle eine große Entscheidung treffen müssen: Rette ich meinen Kopf oder meine Ideologie? Die meisten entscheiden sich dann doch für ihren Kopf, wodurch Katja Kipping (Die Linke), Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, ehemalige Parteivorsitzende, auch von ukrainischen Flüchtlingen schwärmt, die alle sofort arbeiten wollen, oder Ukrainern, die ihr Land verteidigen. Ganz anders als gewisse andere Flüchtlinge, die nicht arbeiten wollen, und denen man erstmal das mit dem Müll und solchen Sachen erklären musste. Von einer Energiewende redet sie auch nicht mehr so stolz wie früher.

Das Schlagwort der grünen Transformatoren ist in der Runde auf „Energiesouveränität“ geschrumpft.

Es muss schon ein 93-Jähriger sein, der die Linken zurückholt und daran erinnert, dass sie eigentlich auf der anderen Seite standen. Klaus von Dohnanyi liefert alles: Nato-Kritik und grenzenlosen Glauben an Diplomatie, wie man es kennt. Die Zukunft liege nicht in Abschreckung, sondern Ausgleich, meint er, und es dauert nicht lang, da ist er bei Willy Brandt angelangt.

Er beschämt die Runde ein wenig, weil die Linken im Raum wissen, dass sie im Prinzip bis gestern noch genau die gleichen Pazifismus-Sprüche rausgehauen haben und erst seit heute morgen Teil der Nato-Kampfverbände sind, die sie zuvor doch mitsamt der Bundeswehr halb und halb abschaffen wollten. Aber die Akten wurden offenbar rechtzeitig geschreddert.

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Kommentare ( 46 )

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46 Comments
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Juergen F. Matthes
2 Jahre her

Maybritt Illner, studierte an der Eliteschule der DDR, dem Roten Kloster in Leipzig. Noch Fragen?

Peter Mallm
2 Jahre her

Bitte nicht vergessen, daß es der 93 jährige SPD Greis von Dohnanyi war, der eine Wahlempfehlung für Merkel abgab bei Ihrer letzen Wiederwahl, und klar äußerste, daß er Merkel wählen würde. Die SPD ein hoffnungsloser historischer Ansatz, das Thema Gerechtigkeit den Bürgern zu verkaufen – krachend gescheitert, heute in der Führung (!) genauso kriegstreibend wie damals……
Peter Mallm

Jens Frisch
2 Jahre her

„Man habe ja aus 2015 gelernt, dass man doch schon überprüfen sollte, wer über die deutschen Grenzen kommt, stellt sie als allgemeinen Konsens fest.“

Das muss ich verpasst haben. Allein schon, dass diese „Flüchtlinge“ jetzt ohne Impfnachweis o.ä, reingelassen werden, sit eine zum Himmel schreiende Ungleichbehandlung der einheimischen Bevölkerung gegenüber, aber gut: Das Grundgesetz ist seit 09/2015 das Papier nicht mehr wert, auf das es gedruckt wird.

SwingSkate
2 Jahre her

Anders als bei allen ÖR-Schwatzrunden über Deutschlands Zustand seit 2015, wo immer eine enorme Zielstrebigkeit bei der Umschiffung des rosa Elefanten im Raum erkennbar war, kann beim Ukraine-Konflikt munter drauflos schwadroniert werden. Niemand hat hier wirklich eine Ahnung was da los ist. Geht es um die Migrationswaffe gegen Westeuropa, ist Putins Charakter- bzw. Geisteszustand die Ursache? Die üblichen Faustregeln „Wer die Panzerarmee über die Grenze schickt und wer Waffen in Krisengebiete liefert ist der Bösewicht“ helfen hier möglicherweise auch nicht weiter. 

doncorleone46
2 Jahre her

Den letzten Satz des Beitrages aufnehmend: Geschreddert haben die meisten in der Politik tätigen Menschen (nicht Politiker) den gesunden Menschenverstand und ihre Verpflichtung dem Volk zu dienen.

conanthebarbarian
2 Jahre her

Ich bin sehr dankbar, dass es die Journalisten von TE auf sich nehmen, die unerträglichen Laberrunden in den Öffentlich-rechtlichen anzuschauen und zusammenfassend zu kommentieren. So kann ich weiterhin das TV ausgeschaltet lassen und bleibe trotzdem auf dem neuesten Stand. Ohne mir die Staatspropaganda einträufeln lassen zu müssen.

niezeit
2 Jahre her
Antworten an  conanthebarbarian

Stimmt: Zumindest jeder Nichtprofiteur im Medien- und Wichtig-mach-Krieg, also jemand, der mit wertschöpfender Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreitet, sollte peinlich genau auf seine Geisteshygiene achten. Das kann anstrengend sein, zahlt sich aber aus. Es kommt auch mal wieder eine Zeit nach der großen Dummheit.

luxlimbus
2 Jahre her
Antworten an  niezeit

„Die Zeit der großen Dummheit“ – endlich hat das Kind einen Namen!

Radler
2 Jahre her

Zur unangenehmen Ukrainewahrheit gehört freilich auch, dass dort der Nazikollaborateur und Massenmörder Bandera verehrt wird. 2009 war er auf einer Briefmarke zu sehen, Straßen tragen seinen Namen, Denkmäler sind auf Hochglanz und an seinem Grab in München fehlen selten Blumen. München? Wie kommt der nach München? https://www.heise.de/tp/features/Lviv-ehrt-Nazikollaborateur-und-Kriegsverbrecher-4319933.html . Das soll den russischen Überfall nicht entschuldigen, wird mir aber doch zu dröhnend verschwiegen.

U.M.
2 Jahre her
Antworten an  Radler

Da sollte doch unsere neue Außenministerin beim nächsten Frontbesuch in der Ukraine, wie es in deutschen Städten auch geschieht, eindringlich auf die Änderung von Straßennamen bestehen.

HDieckmann
2 Jahre her

Leider hat die Autorin nicht wiedergegeben, was Klaus von Dohnanyi wirklich gesagt hat. Die Ursachen für den Krieg liegen bei den Schlafwandlern im Westen, die mit NATO- und EU-Osterweiterungen die roten Linien Russlands überschritten haben. Putin hatte Abrüstung an seiner Grenze vorgeschlagen, wir rüsten jetzt auf. Sicher ist jetzt schon, dass die USA der Gewinner und die Europäer die Verlierer dieses Krieges sein werden.

Teekanne
2 Jahre her
Antworten an  HDieckmann

Immer wieder dieser Unsinn! Leute wie Sie, die Estland, Litauen und Lettland das Recht auf Bündniswahl, also auf eine souveräne Außenpolitik vorschreiben wollen, verstehe ich einfach nicht. Die Freiheit und Selbstbestimmung dieser Länder, die ganze HIstorie, die jahrzehntelange sowjetische Besatzung, die Unterdrückung – das alles scheint ihnen vollkommen egal zu sein. Auch die Bedrohung, die nach wie vor von Rußland ausgeht, Beispiel Südossetien und nun Ukraine. Inwieweit ist die Nato, ganz praktisch, eine Bedrohung für Rußland? Welches Nato-Land hat Pläne vertreten und damit gedroht, in Rußland einzumarschieren? Solche Beispiele können Sie nicht nennen, da es sie nicht gibt. Ebensowenig können… Mehr

Unglaeubiger
2 Jahre her
Antworten an  Teekanne

Bleiben Sie gerne weiter bei ihrer Träumerei die nicht der Realität entspricht. Sie mit realen Fakten zu konfrontieren ist vergebens, sie scheinen sich im Russlandschuldmodus zu befinden.Aber ich denke, auch Sie werden mal aufwachen.

Gottfried
2 Jahre her
Antworten an  Teekanne

In welchem Taka Tuka Land leben sie? Imperien vertreten ihre Sicherheitsinteressen notfalls auch mit Gewalt. Das tun die Chinesen und Amis nicht anders als die Russen. Man kann das moralisch verurteilen, aber erreichen tut man damit nichts. Realpolitik orientiert sich halt leider nicht an moralischen Grunsätzen.

luxlimbus
2 Jahre her
Antworten an  Gottfried

…mal eben den Wertekanon des Westens auf dem Scherbenhaufen entsorgt! In welchem Taka Tuka Land leben sie eigentlich?!
Sich oder Andere vor jemanden zu schützen, ist eben nicht das selbe, wie durch Krieg oder das Aufzwingen von „Neutralität“ zu besitzen.

Annette L.
2 Jahre her
Antworten an  Teekanne

Die USA und auch China sind ganz klar die Gewinner in dem Konflikt. Europa ist der wirtschaftlich grosse Verliererer dabei und vor allem Deutschland und deren Menschen werden finanziell zur Kasse gebeten werden.
Deren Wohlstand wird massiv beschnitten und über viele Jahre leiden.

niezeit
2 Jahre her
Antworten an  Teekanne

Sie argumentieren nicht richtig: Natürlich gibt es das Recht auf freien Bündniswunsch – aber nicht die Pflicht zur Aufnahme ins Bündnis. Dafür sind alleinig die Interessen der Aufnehmerländer maßgebend. Ähnliches Beispiel: Es gibt unbestritten das Recht auf Flucht (missbraucht als hinterhältige Grün-Links-Parole) – aber es gibt keine Pflicht zur Aufnahme, Verköstigung und Integration, keine Pflicht zur „Solidarität“.

luxlimbus
2 Jahre her
Antworten an  Teekanne

Ja, und wegen der ausgeschlagenen deutschen Neutralität namens „Stalinnote“ hätten wir die Vereinigung von West- mit Mitteldeutschland (zeitgenössisches Wording) schon ein paar Jährchen früher haben können!

Kassandra
2 Jahre her

Ich sprach gestern mit einem Unternehmer – der Stahlpreis ist inzwischen um das 10-fache gestiegen, was er seinen Kunden natürlich weiter berechnen muss, so diese momentan überhaupt noch investieren und ihn wie andere Unternehmen beauftragen. All diese erhöhten Preise werden, betriebswirtschaftlich unumgänglich, mit Aufschlägen an den Endkunden weiter gegeben – und ein jedes Produkt, das wir kaufen, wird unermesslich teuer werden – wir werden uns auf Dauer vieles, nicht nur das Heizen, nicht mehr leisten können. Conclusio wird zudem sein, dass der Unternehmer weniger Aufträge akquirieren kann und dementsprechend weitere Arbeitsplätze weg fallen. Dass sie uns verarmen um ihre Agenda… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Kassandra
Annette L.
2 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Ich denke ,beide meinen das gleiche. Nur glücklich damit wird niemand.

Ausser natürlich die privilegierte Elite

Und wenn es Spitz auf Knopf geht sind sie die Ersten,die sich ins Ausland absetzen.

Das war bisher immer so.

Monostatos
2 Jahre her

So sieht intelligenter Journalismus im Sinne Hans-Joachim Friedrichs‘ aus. Wieder ein ganz großes Kompliment an Frau David!