Gastautor Lothar Krimmel wirft einen eigenen Blick auf den Ukraine-Krieg: Die ukrainische Führung hat nicht mit einem russischen Einmarsch gerechnet und Putin-Russland hat die ukrainische Gegenwehr und die internationale Solidarität mit der Ukraine unterschätzt. Die Ukraine wird den Aggressor nicht besiegen können.
Der Autor kennt die Ukraine aus zahlreichen Besuchen und hat viele Kontakte dorthin. Für ihn gibt es nur eine einzige Lösung, um eine humanitäre und geopolitische Katastrophe zu verhindern: Die Weltgemeinschaft muss das kurze Zeitfenster der Neuorientierung beider Seiten nutzen, um einen sofortigen Waffenstillstand durchzusetzen und eine internationale Ukraine-Konferenz einzuberufen.
Ja, beide Seiten haben sich verrechnet: Die ukrainische Führung hat nicht mit einem russischen Einmarsch gerechnet und Putin-Russland hat die ukrainische Gegenwehr und die internationale Solidarität mit der Ukraine unterschätzt. Derzeit sortieren sich beide Seiten neu. Dabei steht eines fest: Die Ukraine wird den Aggressor nicht besiegen können, auch nicht mit Waffenhilfe und internationaler Isolation Russlands.
Die derzeitige Strategie von EU und NATO ist in dieser Hinsicht nicht zielführend. Auch wenn die moralische und logistische Unterstützung der Ukraine ethischen Grundsätzen zu gehorchen scheint, so ist sie im Ergebnis nicht frei von Zynismus: Man nimmt Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende von Opfern in Kauf, und am Ende steht dennoch die militärische Niederlage eines ruinierten Landes.
EU und NATO sitzen wie die Zuschauer im antiken Colosseum und feuern die unterlegenen Gladiatoren an. Ab und zu werfen sie ihnen Waffen zu und schmähen die zahlenmäßig weit überlegenen Gegner, mit der Folge, dass sie noch länger dem beiderseitigen Abschlachten und der zunehmenden Verrohung der Auseinandersetzung zusehen müssen. Und die Begründung ist nicht minder zynisch: Man will den „Preis“ hochtreiben, den Putin-Russland für die Aggression bezahlen soll.
Russland muss und wird nunmehr militärisch nachlegen. Alle vergleichbaren historischen Konflikte haben gezeigt, dass die Verbissenheit und die Brutalität der Auseinandersetzungen fast täglich zunehmen. Und mit den Opferzahlen steigen die seelischen Wunden der Menschen und der Völker.
Die Angehörigen der „letzten Generation“, die jedes Methanmolekül im Hintern einer Kuh zählen, um ihre klimatologischen Endzeitphantasien auszuleben, finden plötzlich nichts dabei, dass die größte Atomstreitmacht der Erde destabilisiert werden soll. Ja: Ein Atomkrieg würde die Erde massiv erkalten lassen. Aber das kann nicht die Antwort auf den Klimawandel sein!
Putin ist angeschlagen, aber er wird diesen Krieg zu Ende bringen. Und je härter seine Opfer sein werden, umso härter wird der Preis sowohl für die Ukraine sein als auch für die Sicherheitsarchitektur der Welt. 200.000 Tote, 5 Millionen Flüchtlinge, die weitgehende Einverleibung einer zerstörten Ukraine und ein neuer Kalter Krieg zwischen der um die Rest-Ukraine erweiterten NATO auf der einen und Russland/China auf der anderen Seite werden dann das Leben der nächsten Generation bestimmen. All das kann (noch) verhindert werden.
Das Wochenende mag wichtig gewesen sein, um Russland die Folterwerkzeuge der totalen Isolation aufzuzeigen. Aber ab heute darf es nur noch eine Forderung geben, nämlich die nach sofortigem Waffenstillstand.
Nach der fatalen Logik des Krieges kann es sich keine Seite leisten, einen einseitigen Waffenstillstand anzubieten. Deshalb muss die Forderung nach sofortigem Waffenstillstand und Einberufung einer internationalen Ukraine-Konferenz von außen kommen. In diesem Fall wahrhaft von der gesamten Weltgemeinschaft, insbesondere aber von EU und USA.
Es ist verstörend zu verfolgen, dass zwischen den Kriegsparteien ein Treffen zur Auslotung eines Waffenstillstandes stattfindet und dass keine einzige westliche Stimme dieses Anliegen unterstützt.
Für Putins sicherheitspolitisches Kernanliegen kann es trotz seines revisionistischen Narrativs und trotz des Tabubruchs eines Angriffskrieges eine Verhandlungslösung geben. Am Ende einer Friedenskonferenz könnten im Donbass und auf der Krim Volksabstimmungen unter UN-Aufsicht stattfinden. Und mit einer dauerhaft neutralen Ukraine, in der die Russisch-sprachige Minderheit geschützt ist, könnte der konkrete Fahrplan zur EU-Mitgliedschaft erörtert werden. Auch Russland muss eine Option zur gesichtswahrenden Rehabilitierung eingeräumt werden – mit oder ohne Putin. Ein dauerhafter Frieden in Europa ist jedes Opfer wert.
Lothar Krimmel
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„Offizielles Hauptziel der Russen war, die Regierung Selenzkij zum Rückzug der Armee aus dem Donbass zu zwingen und so weitere ukrainische Menschenrechtsverletzungen, wie den Beschuss von Zivilisten, zukünftig zu verhindern.“
So beschreibt Wikipedia das „Offizielle Hauptziel der NATO“ im Kosovokrieg, vorausgesetzt, man tauscht die Begriffe:
„Russen“ gegen „NATO“,
„Selenzkij“ gegen „Slobodan Milosevic“
„Donbass“ gegen „Kosovo“
„ukrainische“ gegen „serbische“ (Menschenrechtsverletzungen)
„Beschuss von Zivilisten“ gegen „zuvor verübte Massaker von Rucak“
(https://de.wikipedia.org/wiki/Kosovokrieg)
Was sagt uns das? War die NATO damals in Wirklichkeit „der Russe“?
Sehr guter Artikel!
Um den Anteil der USA an diesem Schlamassel zu erkennen, sollten Sie sich -sofern Sie ausreichende Englischkenntnisse haben- unbedingt die Vorträge von Professor Mearsheimer aus den USA zum Thema Ukraine auf YouTube ansehen/anhören!!
Er hat schon vor 6 Jahren vor genau dieser – von den USA provozierten bzw. billigend in Kauf genommenen – Katastrophe gewarnt.
Fehlt nur noch, dass Sie schreiben: Nicht Putin sei der Terrorist und Massenmörder, sondern Präsident Selenskij, weil er sein Volk zum Widerstand aufruft, sowie der Westen, weil er den Ukrainern Waffen zur Selbstverteidigung liefert. Man darf Ihren Text ohne Weiteres unter der Rubrik ‚Russische Propaganda‘ ablegen.
Ich kann das aus dem Text nicht herauslesen. Der Autor skizziert lediglich einen Weg, wie man das Töten vielleicht stoppen könnte. Zu glauben, dass das ohne Zugeständnisse an die Russen möglich sein wird, ist naiv.
Treffende Einschätzung der Situation, der ich hundertprozentig zustimme. Der Westen applaudiert der Ukraine bei ihrer selbstmörderischen Aktionen für „Souveränität und Freiheit“ , wohl wissend dass beides eine Schimäre ist, geboren aus der Propagandamaschine der verlogenen Hintergrundprofiteure. Die Medien ( leider auch die „alternativen“, denen ich das Vertrauen entzogen habe ) delektieren sich an den „Hungerspielen“ und sorgen tatsächlich dafür , dass der gerade bevorzugten Seite wie im Vorbild Panem Waffen zugespielt werden, um das Schauspiel möglichst lange spannend zu gestalten. Das Kämpfen und Töten muss möglichst lange weiter gehen, Brot und Spiele für das Publikum. Von Anfang an war klar,… Mehr
Ja, dieser Ausgang ist auch für mitdenkende Deutsche höchst wünschenswert.
Es muss eine Friedensoption geben. Je früher, desto besser.
Deutschland und die EU-Staaten spielen genau die Theaterrolle, in der sie den Amerikanern gefallen. Die Amerikaner werden sehr zufrieden sein. Sogar die Schweiz hat die Sanktionen der EU 1:1 übernommen. Die NZZ berichtet betont amerikafreundlich.
Wo sind in dem Konflikt die Diplomaten, um zu vermitteln? Ohne Vermittler kann es martialisch werden, zumal die Ukrainer von den übergeschnappten Musterdemokraten der EU-Staaten angefeuert werden.
Der Westen benutzt die ukrainische Zivilbevölkerung für einen (möglicherweise noch sehr blutig werdenden) Stellvertreter(partisanen)krieg gegen Russland.
Um das zynisch zu finden, muss man gewiss kein Putin-Freund sein.
Entweder man verteidigt von vorne herein die Ukraine militärisch mit allen Konsequenzen (das hätte aber der Vorbereitung bedurft) oder man hält sich raus und versucht im Sinne Krimmels auf Waffenstillstand und Verhandlungen zu drängen statt Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern.
Beides nicht zu tun und stattdessen, die Ukrainer zu verheizen, ist verantwortungslos und feige.
Nun, es ist offensichtlich, dass die Ukraine mit einem Angriff der Russen gerechnet hat – sonst wäre sie nicht so gut darauf vorbereitet gewesen, den russischen Waffen zunächst einmal weitestgehend ihre Schlagkraft zu nehmen. Insoweit dürfte schon der vom Autor unterstellte Sachverhalt unzutreffend sein. Doch auch sonst überzeugen seine Überlegungen nicht: So folgt der Autor dem Narrativ der Angst, das sich meist hinter den Opfern versteckt, die man indes mit der eigenen Zögerlichkeit im Vorfeld des Krieges erst zum Abschuss frei gegeben hat. Ist das etwa nicht zynisch? Das Leben besitzt auch keinen Wert, wenn es nicht lebenswert ist. Ob… Mehr
Das Problem heisst Putin, der beratungsresistent sich anscheinend von der Realität verabschiedet hat. Er wird nie in einen Waffenstillstand einwilligen. Putin wird die Ukraine total verwüsten lassen.
Die einzige Hoffnung bleibt wohl das russische Militär (S. Ceaușescu 1989). Werden die russischen Generäle erkennen, dass Putin Herrn Xi Jinping in die Hände spielt, welcher schon lange seine begehrlichen Äuglein auf Sibirien richtet?
Nebenbei: Die Schuld immer bei sich selbst, zu suchen, passt natürlich zum gängigen Woke-Larifari. Eine Kultur, die nicht mehr ihre Interessen vertreten will, ist verloren.
Ulrike Guerot, die bekannte Politikwissenschaftlerin und Publizistin hat heute auf einen lesenswerten Beitrag hingewiesen, einen Hintergrundartikel, der zumindest in den aufgeheizten Diskussionen auch Beachtung finden sollte. „Verflochtene Geschichten“ aus der Bundeszentrale für politische Bildung. Es geht um Stephan Bandera, den ukrainischen Nationalsozialismus und um den transnationalen Faschismus. Der Beitrag ist vom 13.10.2017 und unter APuZ (Aus Politik und Zeitgeschehen) zu finden. 15 informative Minuten!
Der Denkfehler hier aus meiner Sicht: In typisch nachkriegsdeutscher Attitüde kommt eine ungeheure Kriegsangst hoch. Mit Palaver aber, Herr Kimmel, ist dieser Konflikt nicht zu befrieden, denn geredet wurde lange und viel. Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, daß die Kombattanten das derzeit nicht im Stuhlkreis lösen wollen. Es wird weiterhin Blut fließen in der Ukraine, auf beiden Seiten. Rußland wird den Krieg erst stoppen, wenn es sicher ist, daß in den von ihm als relevant angesehenen Gebieten auf dem Boden der Ukraine keine westorientierte Regierung residiert und das auch zukünftig ausgeschlossen bleibt. Wie aber sollte man dann mit dem… Mehr