Deutsche Journalisten werfen Polen und Ungarn vor, in der aktuellen Krise großzügig Flüchtlinge aufzunehmen - was sie 2015 vermieden hätten. Angesichts der bisherigen deutschen Haltung im Ukraine-Konflikt ist das dünnes Eis.
Der Krieg in der Ukraine fördert unangenehme Wahrheiten zutage. Die Geschichte ist zurück – und sie ist sehr, sehr hässlich geworden, seitdem der Westen beschloss, sie in die Besenkammer zu verfrachten. Zu den unangenehmen Wahrheiten gehört nicht nur die Einsicht, dass die Bundeswehr blank ist. Zu ihr gehört die bittere Erfahrung, dass der Westen zu zahnlos ist, um zu drohen, und zu verständnislos, um diplomatisch zu agieren. Die Doktrin, dass das, was ist, nicht sein kann, weil es nicht sein darf, bleibt trotzdem bestimmend auf jener Halbinsel, die vergessen hat, dass sie nur eine Ausfaserung des asiatischen Kontinents ist. Das zeigt sich einerseits daran, dass Themen wie der Klimawandel oder ein neues Transsexuellengesetz die Kabinettsordnung bestimmt, indes russische Helikopter die ukrainische Luft zerteilen. Andererseits wirft die ukrainische Flüchtlingsfrage ihre Schatten voraus. Und damit unangenehme Schlussfolgerungen, die das Narrativ des Sommermärchens ad absurdum führen.
Die Meinungsgestalter der Republik versäumen keine Minute, um die Differenz offensichtlich zu machen. Da ist das Wehklagen darüber, dass nun ukrainische Männer außerhalb des wehrfähigen Alters das Land nicht mehr verlassen dürfen, während Frauen und Kinder ins Ausland fliehen. Familien werden zerrissen, die Tränen fließen. Während im Sommer 2015 das Narrativ dominierte, es könnten nur die jungen Männer fliehen, um ihre Frauen und Kinder später nachzuholen, sind es derzeit junge Männer in anderen Teilen Europas, die sowohl in die Ukraine wie nach Russland zurückgerufen werden, um für ihre Länder zu kämpfen. Es sind die klassischen Muster, die man in einem Krieg erwartet, nicht die herbeigeschriebenen.
— Тhοmаѕ Νеy ?? (@neythomas) February 25, 2022
Ein weiterer Eckpunkt der Erzählung von 2015: während Deutschland sein Herz für die Welt öffnete, verschlossen die kaltherzigen Länder des östlichen Mitteleuropas ihre Grenzen. Allen voran Ungarn unter Viktor Orbán gilt bis heute als Gegenbild zu Angela Merkel, die in der Not der Stunde Menschlichkeit über die Realpolitik stellte. Orbáns Erklärung, dass aggressive, illegale Einwanderer auf ungarisches Staatsterritorium vorzudringen versuchten, galt als eine Schwarze Legende. Dass der ungarische Premier immer wieder betonte, echte Flüchtlinge – wie etwa orientalische Christen – aufzunehmen, blieb ebenso unbeachtet wie sein Einsatz für bedrohte Minderheiten des Nahen Ostens vor Ort.
Das andere Land, das den Groll der deutschen Medien erregte, war und ist Polen. Nicht erst seit der Migrationskrise, die von Wladimir Putins Verbündeten Alexander Lukaschenka an der weißrussischen Grenze herbeigeführt wurde, musste sich Polen den Vorwurf von Kaltherzigkeit und Unmenschlichkeit vorwerfen lassen. In der Europäischen Union wehrte sich Polen gegen die Verteilung von Migranten, war Anwalt einer strikten Einwanderungspolitik. Deutsche Medien haben das Land in der Vergangenheit als Hort einwanderungsfeindlicher, ja latent rassistischer Kräfte gekennzeichnet. Die Grenze zwischen Flucht, legaler Einwanderung und illegaler Einwanderung gilt im Land ohne Grenzen nicht mehr.
Umso mehr kommen Journalisten des Lagers nunmehr in die Bredouille, weil ausgerechnet diese beiden Länder sich vom ersten Tag mit einer Solidarität in die vorderste Reihe drängeln, die einem europäischen Denken entspricht, das in Berlin längst pervertiert wurde. Es sieht europäischen Geist und europäische Kraft nicht in der bürokratischen Verlegung von Problemen auf Verträge, Abmachungen und Richtlinien, oder die technokratische Ausweitung von EU-Befugnissen. Insbesondere Polens Selbstverständnis ist ein alteuropäisches, das in einer Anerkennung von Völkern und historischer Identität begründet ist. Die europäische Identität Polens schließt den anderen nicht aus. Gerade das Gefühl, einer abendländischen Schicksalsgemeinschaft anzugehören, fördert in Warschau das Bewusstsein, den anderen nicht im Stich zu lassen. Während Deutschland debattiert, zeigt Polen Russland auf allen Feldern die rote Karte und öffnet die Arme für die bedrängten Nachbarn, die Schutz suchen. Auch Ungarn hat keinen Zweifel daran gelassen, ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen.
Die Handlung der beiden „Schurkenstaaten“ in der EU, deren Image die Medien jahrelang aufgebaut haben, löst kognitive Dissonanzen aus. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet Polen bei der Ächtung des Kremlchefs in erster Reihe steht, indes die ganze Bandbreite deutschen Versagens offenkundig wird; und ebenso darf es nicht sein, dass Polen sich nun auch noch als humanitäre Macht „inszeniert“, die die Bedrängten im Nachbarland scharenweise unter die Fittiche nimmt. Der Kampf gegen das Böse und die Erhaltung des Guten muss schließlich die Sache Deutschlands sein. Anders kann man sich nicht erklären, dass mehrere Journalisten nun versuchen, das Engagement beider Staaten kleinzureden. Vielleicht hilft es, um die Äußerung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu übertönen, die er angesichts des deutschen Beitrags in der Ukraine getätigt hat: „Ein Witz. Das muss ein Witz sein.“ Moralisch abgefertigt zu werden, insbesondere von den Polen, ist man westlich der Oder nicht gewohnt.
Im Elfenbeinturm will man indes nicht verstehen, was da passiert. So glaubte offenbar Markus Decker vom Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Krise in der Ukraine könne sich nun an Polen und Ungarn für ihre restriktive Einwanderungspolitik rächen: „Beide Länder werden nun bei der Verteilung von Flüchtlingen auf jene Solidarität angewiesen sein, die sie anderen EU-Staaten bei anderen Flüchtlingen stets verweigert haben. Auch hier gilt: man sieht sich im Leben zweimal.“
Das beginnt bei der Entfernung. Warschau hatte zurecht Einwände dagegen, dass eine Person, die durch mehrere Länder reist, als Flüchtling im engeren Sinne gelten kann. Die Ukraine ist dagegen ein direktes Nachbarland. Im Übrigen gilt diese Feststellung nicht nur für Polen, sondern auch für den Rest Mitteleuropas. Um sich die Entfernungen vor Augen zu führen: die österreichische Hauptstadt Wien liegt näher am westukrainischen Lemberg als am lombardischen Mailand. Was für Wien gilt, gilt ebenso für Berlin. Dennoch will man so tun, als sei es kein Unterschied, ob ein Westukrainer aus Lemberg Richtung Polen oder Ungarn flieht, oder aus Afghanistan bis nach Deutschland.
Ein europäisch-christlich sozialisierter Ukrainer ist zudem einfacher für eine Volkswirtschaft zu stemmen und zu integrieren als eine Person aus einem benachbarten Zivilisationskreis. Das ist auch der Grund, warum sich Polen und Ungarn im Zweifel zumuten, eher eine Million Ukrainer aufzunehmen als eine Million junger Männer aus den buntgemischten Ecken des islamischen Kulturkreises. Es sind wieder diese ehernen Gesetze von Logik und Nachvollziehbarkeit, die dem relativistischen Westen und dessen Presse immer noch verborgen bleiben will. Medienvertreter wittern dagegen einen weißen, christlichen Rassismus.
Paul Starzmann, Journalist beim Tagesspiegel, ließ sich sogar zu dem Vorwurf hinreißen: „Wirklich ehrbar, dass Polen und Ungarn ukrainische Flüchtlinge aufnehmen. So viel Menschlichkeit hätte man sich auch gewünscht, als vor ein paar Jahren Tausende Menschen Schutz suchten, die nicht weiß und christlich waren.“ Das heißt: unterschwelliger Rassismus und Glaubensdiskriminierung. Das Argument ist zweischneidig. Denn ganz offenbar ist es so, dass die Bundesregierung, die damals die Tore weit für arabische und muslimische Menschen öffnete, nunmehr vor allem darüber nachdenkt, die benachbarten Länder zu unterstützen, obwohl Deutschland vom Kriegsschauplatz nur ein Drittland trennt. Nach dieser Logik wäre es so, dass Deutschland heute Menschlichkeit für weiße und christliche Menschen vermissen lässt.
Polen hat über Jahre Deutschland vor Putins Ambitionen gewarnt. Es fühlte sich beim Bau der Pipelines im Baltikum übergangen und sah darin ein Manöver, um die größte Wirtschaftsmacht des Kontinents an den russischen Bären zu binden. Es beharrte auf Rüstung und NATO-Abkommen, während Deutschland die Einhaltung des 2-Prozent-Zieles nicht nur verfehlte, sondern willentlich auf die Pflege seiner Truppe verzichtete. Der Realitätssinn der Polen erweist sich trotz aller Animositäten gegenüber Deutschland mittlerweile als leitender europäischer Indikator. Es wäre an der Zeit, sich nicht nur in außen-, sicherheits-, gesellschafts- und energiepolitischen Angelegenheiten an Warschau zu orientieren, sondern auch in der Migrationspolitik eine sachte Polonisierung anzustreben.
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Mich würde einmal interessieren, was diese NGO usw. mit ihren Bussen jetzt tun. Die, die sich vor paar Monaten schnell an der polnischen Grenze zu Belaruss einfanden, um mit „kein Mensch ist illegal“ die illegal kommenden zu übernehmen und nach D. zu fahren. Tausenden ist das ja so gelungen s. Eisenhüttenstadt. Was machen sie jetzt, wenn echte Flüchtline, Frauen und Kinder kommen, statt meist junge Männer? Wo sind sie jetzt im Einsatz, schon was bekannt?
Dass Polen und Ungarn die Flüchtlinge aufnehmen ist auch dem Umstand geschuldet, dass viele Menschen im Ursprung aus diesen Ländern stammen und schon lange unter dem ukrainischen Regime gelitten haben. Man nehme als Beispiel die Sprache und viele weitere Drangsalierereien. Das Perfide an den ganzen Berichterstattungen ist, dass sie immer vom eigentlichen Kern der Ereignisse ablenken. Es ist halt einfacher, einzelne Punkte zur Diskussion zu stellen, statt sie zu verknüpfen und zu erkennen, welcher Weg sich aus der Verknüpfung ergibt. Dieser Krieg, vom Westen zumindest mitverschuldet, läßt doch wundersamer Weise alle anderen dringenden Themen wie z. B. Corona, Trucker Proteste… Mehr
Hervorragender Artikel, Marco Gallina immer ganz ausgezeichnet.
So wie wir auch Flüchtlinge aus dem Kosovo damals aufgenommen haben, was auch richtig war, so können wir auch von der Ukraine welche aufnehmen. Aber wie die Leute aus dem Kosovo dann auch wieder Heim mussten, müssten wir jetzt auch mal die seit 2015 gekommenen Flüchtlinge auch jetzt mal wieder heimschicken. Der Fluchtgrund ist doch für Viele aus Syrien, Irak etc. längst weggefallen. Auch die ganzen Anderen die hier sind aus Marroko, Ägyten und Afrika generell sind hier keine Flüchtlinge, sondern schlicht Wohlstandssuchende. Kann ja nicht sein das für die Bundeswehr jetzt 100 Milliarden Schulden aufgenommen werden, aber 50 Milliarden… Mehr
Unsere ukrainischen Nachbarn haben mir erzählt, dass ihre weiblichen Verwandten und Freundinnen (samt Kindern) in der Ukraine den Teufel tun werden, nach Deutschland zu fliehen. Viel zu groß ist die Angst der Frauen, hier alleine ohne ihre Männer -die dort bleiben, um gegen die Russen zu kämpfen- Opfer unserer von deutschen Frauen liebevoll aufgenommenen „islamischen Monstermänner“ (Zitat) zu werden. In den ukrainischen Nachbarländern müssen sie nämlich keine Messerstecher und Vergewaltiger befürchten.
Darüber sollte sich unsere linksgrünlastige Journaille mal Gedanken machen, bevor sie über die Aufnahmebereitschaft von Polen und Ungarn herzieht!!
Der deutschen Flüchtlingsindustrie ist der Wunsch nach einem besseren Leben Fluchtgrund genug.
Wir haben die streng moslemischen Analphabeten, während Polen, Ungarn usw. die wirklich gut ausgebildeten, tatsächlichen Flüchtlingen aufnimmt. Nach den Frauen und Kindern kommen die Männer.
Inzwischen bin ich soweit, dass ich den Generationen Wattebausch und Schneeflöckchen, samt Mamis & Papis die Zukunft von ganzem Herzen gönne. Die bösen Boomer, alten weißen Männer und Frauen werden das nicht richten können.
Ein sehr guter Artikel, der die Angelegenheit klar benennt und die Sache im Kern trifft !!! Meinen Dank dafür ! Ich möchte aber auf wieder einen der typischen Framing-/Manipulationsversuche des veröffentlichten Mainstreams verweisen: Hervorgehoben werden die Flüchtlinge und die weinenden Kinder in der U-Bahn – und das ist zunächst aller Ehren wert, – denn es sind die Schwachen und die Schwächsten ! Aber hier wird zunächst nicht berichtet, dass es vergleichsweise bisher nicht so viele Flüchtlinge sind (Es werden sicher noch VIEL mehr werden), weil viele Ukrainerinnen auch noch im Land ausharren um die Männer zu unterstützen, – die kämpfen… Mehr
Wo ist jetzt die Willkomenskultur. Wo sind die Sonderzüge, Plüschtiere, Blumensträuße für die Flüchtlinge?
Diesmal handelt es sich wirklich um Menschen die vor dem Krieg fliehen, diesmal sind es wirklich Frauen, Kinder und Alte. Hier könnte die Deutsche wirklich helfen, damit kennen sie sich gut aus.
Offenbar gibt es für die dt. MSM-Journallie inzwischen Flüchtlinge erster und zweiter Klasse. „Flüchtlinge erster Klasse“ sind für diese Hofschranzen demnach nur solche, die aus Afrika oder dem Nahen Osten oder aus Afghanistan kommen, dem islamischen Glauben angehören, und dauerhaft in Deutschland bleiben wollen.
„ein Manöver, um die größte Wirtschaftsmacht des Kontinents an den russischen Bären zu binden“. Ist nicht gerade der kombinierte Ausstieg aus Kernkraft und Kohle so ein Manöver? Dadurch entsteht doch erst die große Abhängigkeit vom Erdgas. Aber auch die Steinkohle kommt, wie man lesen konnte, zu wesentlichen Teilen aus Rußland. Ein Unterschied ist allerdings der Umstand, daß man Kohle kurzfristig viel leichter mit Schiffen aus anderen Teilen der Welt heran transportieren kann als flüssiges Erdgas. Die sog. Energiewende ist ein Manöver in die Abhängigkeit von unseren Nachbarn und/oder von Rußland. Ohne ein Freund von Schröder oder Putin zu sein, muß… Mehr
Annalena Baerbock begründete die Ablehnung einer SWIFT Blockade damit, dass Deutschland abhängig von russischer Kohle ist. Wenn Mädchen und junge Frauen die Politik bestimmen, dann werden unsere Bergleute in die Arbeitslosigkeit geschickt, die gesamte Kohleindustrie abgewickelt und wir sind abhängig von russischer Kohle.
Wenn Mädchen und junge Frauen die Politik bestimmen, dann werden unsere Atomkraftwerke still gelegt, während hier stationierte US Atomwaffen unter Obama modernisiert und signifikant aufgestockt wurden.
Ja, wenn Kinder an der Macht sind.
Was Sie schreiben geht auf Merkel zurück und davor auf Trittin/Schröder. Schröder traue ich zu, erkannt zu haben, daß aufgrund der Stimmung im Lande die sog. „Energiewende“ nicht aufzuhalten sein würde, was dann unweigerlich in die Abhängigkeit von Rußland führen mußte. Die Konsequenz die er daraus gezogen hat, könnte ich, wenn es denn so gewesen sein sollte, sogar noch nachvollziehen. Irgendwo habe ich mal die Meinung gelesen, Merkel sei Putins bester Agent im Westen gewesen. Es spricht m.E. einiges für diese Sichtweise, mindestens was die Abhängigkeit von Rußland anbelangt. Die Infrastruktur verfallen zu lassen, die Substanz aufzubrauchen, ist beste DDR-Politik.… Mehr
Bei LNG gibt es weder genug Angebot noch Transportkapazität. Das ist ein weiteres Problem. Dazu ist es unwirtschaftlich aus LNG Strom herzustellen.
Selbst die sog. Erneuerbaren bringen das Stromnetz jetzt schon an seine Grenzen.
Auch wenn es sich komisch anhört, bei http://www.blackout-news.de kann man gute Artikel lesen.
Selbst der EON Chef warnt schon das bald ganze Städte vom Netz getrennt werden müssen.
Ich weiß nicht ob unsere Politiker naiv oder dumm sind.
Schauen Sie sich die Viten der Leute an! Wem trauen Sie denn irgend ein technisches Verständnis zu? Baerbock? Habeck? KGE? Roth? Schulze? Esken? Kühnert?….. Aber es geht ja viel weiter. Nicht einmal in Fachgremien hält die Politik Fachwissen für nötig. Schauen Sie sich z.B. die Viten der Mitglieder der Kohlekommission an! Man könnte glauben, in einer Satireshow gelandet zu sein. Das Fehlen von jeglichem technischen Verständis ist ja nicht einmal das Schlimmste, niemand kann alles wissen. Angesichts von über 100 technischen Unis und Fachhochschulen mit unzähligen E-Technikern, Kraftwerkstechnikern u.s.w. in D nicht einmal unabhängige Spezialisten zu befragen, komplexe Sachverhalte sich… Mehr