Die beiden bislang betont neutralen Länder Schweden und Finnland wollen nach dem Überfall Putins auf die Ukraine einen NATO-Beitritt nicht mehr ausschließen.
Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen. Aber mit den ähnlichen „historischen“ „Argumenten“, mit denen Putin den Überfall auf die Ukraine rechtfertigte, könnte er demnächst einen Überfall auf Finnland inszenieren. All dies hat einen durchaus realen Hintergrund. Denn die beiden bislang betont neutralen Länder Schweden und Finnland wollen nach dem Überfall Putins auf die Ukraine einen NATO-Beitritt nicht mehr ausschließen. Immerhin fast die Hälfte der Finnen sind – bei steigender Tendenz – mittlerweile für eine NATO-Mitgliedschaft. TE hatte bereits am 5. Januar 2022 berichtet.
Beide Länder wollen sich jedenfalls in ihrer Entscheidung nicht von Moskau dirigieren lassen. Immerhin hatten Finnland und Schweden ihre Kooperation mit der NATO zuletzt immer weiter ausgebaut. Beide Länder beteiligen sich seit Jahren an dem NATO-Sicherheitskonzept „Partnerschaft für den Frieden“ und haben ihr eigenes Militär zunehmend NATO-tauglich gemacht. Und auch in Schweden ist eine Mehrheit für einen NATO-Beitritt nicht mehr ausgeschlossen. Sollte die amtierende schwedische Regierung im September 2022 abgewählt werden, könnte ein NATO-Beitritt real werden. Auch ein Umschwenken Finnlands in der NATO-Frage würde in Schweden zu einer Neubewertung der Frage führen.
Auffallend ist, wie Moskau auf die finnischen und schwedischen Überlegungen sofort gereizt reagierte. Der Beitritt Finnlands zum westlichen Bündnis „hätte schwerwiegende militärische und politische Folgen“, erklärte das russische Außenministerium.
Wie gesagt: Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen. Aber gerade Finnland ist für Putin eine offenbar schwärende russische Wunde. Siehe dazu:
Ein wenig finnische Geschichte im Zeitraffer
- Die Urheimat der Finnen ist wohl Ostrussland, ins Gebiet des heutigen Finnland sind die Finnen um Christi Geburt eingewandert.
- Im Zuge der Kreuzzüge ab 1152 kam Finnland zu Schweden.
- 1556 bzw. 1581 wurde Finnland zum Herzogtum bzw. Großfürstentum.
- Im Nordischen Krieg (1700 bis 1721) wurde Finnland von Russland erobert.
- In einem weiteren russisch-schwedischen Krieg („Krieg der Hüte“ 1741–1743) wurde Finnland erneut besetzt, und im anschließenden Frieden wurde die russische Westgrenze bis an den Fluss Kymijoki vorgeschoben.
- 1809 konnte Finnland mit Genehmigung von Zar Alexander I. ein eigenes Staatswesen errichten. Es wurde aber von einem Gouverneur aus St. Petersburg regiert.
- 1898 bis 1917 begann eine weitreichende Russifizierung Finnlands. 1900 wurde die russische Sprache als Amtssprache eingeführt.
- Am 6. Dezember 1917 rief der finnische Landtag die Unabhängigkeit aus. Dieser Tag ist heute noch der finnische Nationalfeiertag. Diese Unabhängigkeit wurde vom kurz zuvor gegründeten Sowjetrussland am 18. Dezember 1917 anerkannt. Der Prozess der Ablösung von Russland ging freilich mit schweren inneren Konflikten einher. Am 27. Januar 1918 kam es zu einem sozialistischen Umsturzversuch und einem drei Monate währenden Bürgerkrieg, bei dem allerdings die Bürgerlichen obsiegten.
- 1920 wurde mit Sowjetrussland ein Friedens- und Grenzvertrag unterzeichnet.
- Dennoch erfolgte der Angriff der Sowjetunion auf Finnland am 30. November 1939. Es begann der sog. Winterkrieg. Als die finnische Armee vor dem Zusammenbruch stand, kam es am 13. März 1940 zu einem Friedensvertrag. Finnland musste große Teile Kareliens an die Sowjetunion abtreten. Im Fortsetzungskrieg (1941 bis 1944) eroberte Finnland abgetretene Gebiete zunächst zurück. 1944 musste sich Finnland aber zurückziehen. Am 19. September 1944 schloss es mit der Sowjetunion einen Separatfrieden. Der II. Weltkrieg endete für Finnland de facto aber erst am 27. April 1945 mit dem Abzug der letzten deutschen Soldaten aus Lappland.
- Im Kalten Krieg betonte Finnland seine strikte Neutralität. Die Sowjetunion behielt aber großen Einfluss auf die finnische Politik. Finnlands damaliger Präsident Paasikivi (1870 bis 1956) trieb die Versöhnung mit der Sowjetunion voran. 1948 war es zu einem Freundschaft- und Kooperationsabkommen gekommen; dieses blieb bis 1991 in Kraft. Im Westen wurde die enge Beziehung Finnlands zur Sowjetunion als „Finnlandisierung“ kritisiert.
- Diese „Finnlandisierung“ fand ihren Endpunkt am 1.Januar 1995 mit dem Beitritt Finnlands zur Europäischen Union und am 1. Januar 2002 mit dem Beitritt in die Euro-Zone.
Finnland als einfacheres Objekt russischer Begehrlichkeiten als die Ukraine?
Ja und nein. Nein, weil Finnland immerhin in der EU ist und dort mehr Solidarität erwarten darf als die Ukraine. Ja, denn auch Finnland kann die Beistandsklausel der NATO-Vertrages nicht für sich in Anspruch nehmen. Und: Finnland wäre militärisch ein „Klacks“ für das russische Militär. Nicht vergleichbar mit der Ukraine, die immerhin – ohne Reservisten und Mobilgemachte – 209.000 Mann unter Waffen hat. In Finnland stehen ad hoc jeweils 23.000 Soldaten und Grenzschützer zur Verfügung. Allerdings kann Finnland 430.000 Mann einer „Kriegsreserve“ mobilmachen; das sind fast zehn Prozent der Bevölkerung von 5,5 Millionen Finnen.
Als gravierender Nachteil kommt hinzu: Finnland hat eine 1.340 Kilometer lange Grenze zu Russland. Und Finnland ist nur im Süden dicht besiedelt. In der Fläche träfe eine einmarschierende russische Armee vermutlich tagelang oft auf keinerlei Widerstand. Zur Veranschaulichung: Finnland ist mit 338.000 Quadratkilometern fast so groß wie Deutschland (358.000 Quadratkilometer). Bei einem Verhältnis der Bevölkerung von 5,5 zu 82 Millionen.
Hoffen wir, dass Putin, der sich gerne als Historiker und großer Strategie gibt, davon nicht leiten lässt.
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Hatte man das nicht damals auch geunkt, dass Russland sich in Syrien festsitzt u. ebenso festbeißt? Und ein Weltkrieg daraus entstehen könnte, weil er den USA & Türkei in die Quere kommt?
Aber gut. Damals gab’s ja auch einen andren Präsidenten, der nichts von Aussenpolitik versteht u. sogar angefangen hat, seine Leute nach Hause zu holen.
Lieber Herr Kraus, Ich hätte auf Moldawien getippt, denken wir nur an den Konflikt um Transnistrien. Dort hat Putin schon vor Jahren dadurch einen latenten Dauerkonflikt initiiert, der jederzeit durch russische Agenten, wie gehabt, wieder entflammt werden könnte. Finnland bedeutete dagegen ganz sicher Krieg mit ganz Europa. Und nachdem Herr Scholz heute ein Aufrüstungsprogramm von 100 Mrd angekündigt hat, scheint auch in der deutschen Politik eine Zeitenwende möglich. Unterstützung hat Herr Scholz von der CDU, die Herr Merz explizit zugesichert hat. Herr Merz hat eine gute Rede gehalten, die Richtungsänderung auch für seine Partei eingeläutet und damit indirekt auch das… Mehr
Eine WIRKLICHE Politikveränderung mit der CDU ?
Ich vermute, Sie belieben zu scherzen …
Das Problem ist, dass man für eine einsatzfähige Armee Menschen braucht die bereit sind zu kämpfen und im Notfall zu sterben. Die haben wir nicht. Da können wir noch so viel Geld in die Bundeswehr pumpen. Diese ist ja schon jetzt die einzige Armee unter den teuersten 10 der Welt die nicht einsatzfähig ist. Klar kann das töten auch automatisieren. Aber eine Drohnenarmee in Deutschland? Das wird doch nie was….
Ich hab Verwandtschaft in Finnland und kenn mich ein bisschen in den örtlichen Gegebenheiten aus. Militärisch gesehen wäre eine Invasion Finnlands für Russland Selbstmord. Natürlich ließe sich das Bevölkerungszentrum im SW, v.a. um Helsinki und Turku, wo ein Großteil der Finnen leben, relativ leicht ausschalten. Aber der dünn besiedelte Osten und Norden sind von undurchdringlichen Wäldern und Seen durchzogen. Dort ist kein Durchkommen, v.a. auch weil die wenigen Straßen sich leicht verminen lassen. Außerdem trainieren tausende Finnen in Vereinen regelmäßig den Partisanenkrieg in den Wäldern. Wenn das bisschen Widerstand in der Ukraine bei topologisch günstigen Gegebenheiten schon zuviel ist für… Mehr
Die meisten Kommentare zu Ihren Ausführungen machen mir Angst, Herr Kraus.
Mir auch! Manchmal frage ich mich, welche Art von Sympathisanten sich hier tummelt. Scheint eine konzertierte Aktion zu sein. Aber ich werde die „Feder“ nicht beiseitelegen.
Werter Herr Kraus, ich bekomme ganz sicher kein Zeilengeld von Herrn Putin. Schade eigentlich, aber sei’s drum. Ich entgegne Ihrer Meinung schlicht meine Meinung. Genau das zu können schätze ich an diesem Magazin. Und nebenbei bemerkt: Ich finde es klasse, wenn Autoren gelegentlich auch Kommentare kommentieren. Und noch was, schon gelegentlich bemerkt: Meine eigene Meinung kenne ich, wenigstens so halbwegs. Den DLF höre ich. „Grüne“ Regierungspropaganda. Das „dazwischen“ schätze ich, und darum lese ich gern TE, empfehle es stets weiter und frage am Kiosk nach Druckversion. Ihnen allen einen schönen Sonntag, ich gege jetzt zur Ein-Mann-Coranaspaziergangsdemo in den schönen Wald,… Mehr
Das ist eine Art Wetterprognose die meistens nicht stimmt. Derzeit sind die Russen damit beschäftigt vor ihrer Haustür in Zentraleuropa sicherheitsrelevante Ordnung zu schaffen, die der Westen nicht bereit war zu geben. Das hängt natürlich auch vom Erfolg oder Mißerfolg ab und es bleibt abzuwarten, wie sich alles in den nächsten Tagen entwickelt, eines aber ist klar, die Russen wollen möglichst zivile Opfer vermeiden und hätten sie die Absicht Kiew dem Erdboden gleichzumachen, dann wäre das schon lange geschehen. So sind die Spekulationen nicht zielführend über alles was darüber hinaus geht und es wäre ratsam, sich in dieser Angelegenheit nicht… Mehr
Finnland war zwar mal für eine gewisse Zeit Bestandteil des zaristischen Russland aber nicht der Sowjetunion und die Finnen sind auch keine Slaven. Sein neutraler Status war eine Folge von WKII und der heftigen erfolgreichen Abwehrkämpfe der Finnen unter General Mannerheim, der 1944 einen Frieden mit Stalin aushandelte. Ob Putin in Richtung Finnland expansive Pläne hat, ist hypothetisch ähnlich wie die Vorstellungen des amerikanischen Geostrategen Zbigniew Brzesinski, bezüglich der Ukraine, der diesen Staat, leninscher Schöpfung, gerne als Bestandteil im us-amerikanischen Vorfeld in Bezug auf Russland gesehen hätte.
Ich denke, Putin wird sich in der Ukraine eine blutige Nase holen. Selbst wenn es ihm gelingt, Kiew und die Ukraine einzunehmen würde sich wohl ein jahrelanger Partisanenkrieg anbahnen. Ein Afghanistan hatte Russland schon.
Aber bereits seit den Ereignissen vom Maidan hatte ich den Gedanken: da ist doch so ein grosser Fluß mitten im Land – fast eine natürliche Grenze…
Wir wollen “ den Teufel nicht an die Wand malen „, und tun dann genau das. Die Finnen stehen jedenfalls nicht in Verdacht Ostslawen/Russen zu sein, für die Kiew die Mutter aller finnischen Städte wäre. Die finnische Sprache ist keine slawische, und die Finnen waren seit dem Mittelalter römische und dann reformierte Christen. Die russiche Souveränität war genau das, sie war keine kulturelle. Die Finnen hatten auch den großen Vorteil eine finnische Identität zu haben, und eine finnische Elite, die ganz anders als in Kiew, bereit und in der Lage war, eine rechtsstaatliche und demokratische Entwicklung, und daraus eine marktwirtschaftliche… Mehr
„Wird Finnland Putins nächstes Ziel?“:
Man muss nicht von einem Extrem ins andere verfallen. Niemand (auch ich nicht) hätte vor seiner Geschichtsrede gedacht, dass Putin die gesamte Ukraine angreift.
Falls Putin nicht verrückt ist, sind trotzdem folgende Dinge klar:
1.) Putin wird kein NATO-Land angreifen.
2.) Ich bin mir ziemlich sicher, dass das eine einmalige Angelegenheit ist. China hat bei seiner Erzählung mehrmals betont, dass das mit der Ukraine eine besondere, einmalige Situation ist. China lässt Putin die Ukraine durchgehen. Und (falls er den Krieg gewinnt) auch die Vereinigung von Russland mit der Ukraine und Weißrussland. Sonst aber nichts.
Diese Einschätzung teile ich; hoffentlich verschätzen wier uns da nicht. Die Ukraine ist russische Einflußsphäre, Finnland und Schweden definitiv nicht. Finnland und Schweden haben deshalb eindeutig das Recht der freien Bündniswahl, gerade angesichts der aktuellen Situation.
Das mit dem „Fortsetzungskrieg“ 41-44 darf man sehr wohl kritisch sehen,denn bis auf einige KM haben sich damals die Finnen an den deutschen Einschlessungsring um Leningrad heran gearbeitet.
Ich kann sehr gut verstehen,das die Russen die Finnen weiterhin neutral sehen möchten,ist St.Petersburg doch die „heimliche“ Kapitale der Russen und liegt gerade mal wenige KM von der finnischen Grenze,US-Nato-Soldaten sind natürlich ein Affont in der Situation