Wie die Ampel zukünftig Abschiebungen abschaffen und Einwanderung erleichtern will

Die Ampel tut so, als ginge es in der geplanten Reform des Asyl- und Ausländerrechts um Integration. Tatsächlich belegen die Pläne nur, dass die Integration vieler geduldeter Zuwanderer gescheitert ist. Jetzt will man den Schritt zum Einwanderungsland ohne Begrenzung oder Integrationsnotwendigkeit schaffen.

IMAGO / Jochen Eckel

Jetzt kommt also das „Chancen-Bleiberecht“. Der Koalitionsvertrag verspricht ein Ende der „bisherigen Praxis der Kettenduldungen“ für abgelehnte Asylbewerber. Das scheint zunächst ein Programmpunkt der Grünen gewesen zu sein, auch wenn SPD und FDP gerne zustimmten. Die drei Parteien tun so, als ob die Neuerung einer der Bausteine für einen funktionierenden Arbeitsmarkt wäre. Aber das ist eine äußerst fragwürdige Vermutung.

Die Bundestagsfraktion der Grünen will laut eigener Webseite https://www.gruene-bundestag.de/themen/integration-migration-flucht in dieser Legislatur einen Neuanfang in der Asyl-, Migrations- und Integrationspolitik. Migration soll „vorausschauend und realistisch“ gestaltet werden, und so will man auch endlich den „Paradigmenwechsel“ hin zum „Einwanderungsland“ schaffen. Speziell fordern die Grünen: „Ziel ist es, die Kettenduldungen endlich abzuschaffen, um Menschen in Duldung Perspektiven zu eröffnen. Dies ist auch eine langjährige Forderung von Ausbildungsbetrieben und Arbeitgebern.“ Es ist das alte Lied, das man seit 2015 anzustimmen versucht: Was der innere Humanitarismus einem grünen Funktionär – nennen wir ihn der Einfachheit halber Claudia Roth – gebietet, das soll auch gleichzeitig gut für die Wirtschaft sein.

Man darf Fragezeichen setzen. Denn einerseits ist das deutsche Aufenthaltsrecht schon heute sehr flexibel, um nicht zu sagen: ausgesprochen lax. 2015 führte die große Koalition einen einklagbaren Aufenthaltstitel ein, den Geduldete erhalten können, soweit sie ihren Lebensunterhalt „überwiegend“ durch eigene Erwerbstätigkeit sichern. Schon das ist eine großzügige Regelung, denn die geduldeten Asylbewerber, die eigentlich gar kein Recht haben, in Deutschland zu sein, dürfen nach vier, sechs oder acht Jahren noch immer teilweise von staatlicher Unterstützung abhängen.

NRW-Grüne fordern vorausschauenden Verzicht auf Abschiebungen

Nun wollen die Grünen und ihre Koalitionspartner auch diesen Vorbehalt schleifen: Es reicht wenn ein geduldeter Migrant fünf Jahre im Land ist, mit welchem Status auch immer. Er bekommt dann ein weiteres Jahr geschenkt, in dem er – vielleicht – endlich die Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt erfüllen kann. Dabei geht es vor allem um die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts, aber auch um den Identitätsnachweis.

In NRW fordern die Grünen von der Landesregierung, Abschiebungen für die betroffene Gruppe schon jetzt auszusetzen. „Vorbildliche Geflüchtete von Abschiebung ausnehmen“, übertitelt die NRZ aus der Funke-Mediengruppe ihren Bericht. Es ist reichlich Sand, der uns hier in die Augen gestreut wird. Denn „vorbildlich“ sind diese Zugewanderten eben gerade nicht, sonst hätten sie schon lange einen sicheren Bleibetitel erhalten.

Auch der SPD-Abgeordnete für Wuppertal, Helge Lindh, setzt sich derzeit gegen die Abschiebung eines Gambiers ein, welche nach geltender Rechtslage geboten wäre. Jürgen Lemmer, der Leiter der Wuppertaler Ausländerbehörde, versteht die Welt nicht mehr und wünscht sich laut WDR „eindeutige Landes- und Bundesverordnungen“. Dabei existieren bereits Regeln, die Lemmer auch anwenden wollte. Nur der Wuppertaler SPD passte das nicht in den Kram.

Thomae: Kein Modell für die Zukunft

Die FDP findet es laut Stephan Thomae, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, „widersinnig, gut integrierte Leute abzuschieben“, während „Kriminelle, Straftäter, Gefährder“ nicht abgeschoben würden. Das beklagten auch „Unternehmer, Handwerksmeister, Bürgermeister“. Ist es aber wahr, dass „Unternehmer, Handwerksmeister, Bürgermeister“ dringend ein „Chancen-Bleiberecht“ für arbeitslose Zuwanderer fordern, wie Thomae es gegenüber dem Deutschlandfunk suggeriert?

An dieser Stelle muss man schon fragen: Was ist eigentlich „gut integriert“ an einem abgelehnten Asylbewerber, der im fünften Jahr seiner Duldung nicht von seiner Hände Arbeit leben kann oder sogar einen Identitätsnachweis schuldig bleibt?

Die CDU ist tatsächlich gegen diese erneute Lockerung des Aufenthaltsrechts, weil so „Abschiebungen ad absurdum geführt“ würden. Die Neuregelung öffne Tür und Tor für Asylbewerber, die ohnehin wüssten, dass sie abgelehnt werden, aber auf ein solches „Chance-Bleiberecht“ hofften. Doch auch an diese Eventualität will die Koalition laut Stephan Thomae gedacht haben. Ebendeshalb habe man einen Stichtag gesetzt, der in der Vergangenheit liegt: der 1. Januar 2022. Eine „Sogwirkung auch für künftige Fälle“ sei damit ausgeschlossen. „Es ist also kein Modell für solche, die noch kommen wollen.“

Doch bildet eine solche Amnestie für illegale Zuwanderer dennoch stets einen Präzedenzfall, gemäß dem auch künftige Antragsteller vermehrt Hoffnung schöpfen können, durch die Maschen des ohnehin löchrigen deutschen Asylgesetzes zu schlüpfen. Längst ist doch bekannt, dass sich deutsche Verwaltungsakte – via Videocalls und sozialen Medien – wie ein Lauffeuer in den Herkunftsländern verbreiten. Das müsste auch eine Bundesregierung wissen und in ihr Handeln mit einbeziehen.

Interessant auch: Die Regelung soll für Menschen gelten, die am 1. Januar schon fünf Jahre im Land sind. Damit ist also jedenfalls die große Zuwanderungswelle der Jahre 2015 und 2016 mit umfasst. Es ist – und an dieser Stelle wird jede Unionskritik schal und abgestanden – ein weiterer Teil der Merkel-Flüchtlinge, dem so eine weitere Jahresfrist gewährt wird auf dem langen Marsch zur totalen Integration in den deutschen Arbeitsmarkt.

Asylrecht und Arbeitsmarkt sind wohl eher keine kommunizierenden Röhren

Und dann erzählt Thomae  noch etwas vom Pferd, wenn er sagt, wer in den Genuss des „Chancen-Bleiberechts“ kommen wolle, müsse schon „gut integriert“ sein, nämlich „sprachlich, wirtschaftlich, rechtlich, kulturell“. Aber all das wird gar nicht verlangt im Text des Koalitionsvertrags (S. 109). Dort ist nur die Rede von: Menschen, die „nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen“. Es wird also – gemäß Koalitionsvertrag – gar keine gelungene Integration in allen von Thomae genannten Aspekten gefordert, sondern nur das ohnehin notwendige Minimum, dass jemand eben kein Straftäter und kein möglicher Terrorist ist.

Weitere Neuerungen sollen laut Koalitionsvertrag bald folgen: Die Beschäftigungsduldung soll entfristet werden. Auch Geduldete in Ausbildung sollen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können. Außerdem sollen Zuwanderer ihre Identität und Staatsangehörigkeit durch Versicherung an Eides Statt klären können. Und ganz generell: Wer bereits in Deutschland lebt, soll nicht mehr von Arbeitsverboten betroffen sein. Immer wieder wird so eine Verbindung zwischen Asylrecht und Arbeitsmarkt konstruiert – ganz so, als ob diese beiden Politikbereiche siamesische Zwillinge oder zumindest kommunizierende Röhren wären. Auch hier sind Zweifel erlaubt und geboten. Das neue Gesetzesvorhaben belegt das im Grunde: Es schafft eine neue Ausnahme für die, die es nicht geschafft haben.

Die Ampelkoalition setzt offenbar jenes Zerstörungswerk am deutschen Asyl- und Ausländerrecht fort, das von Schwarz-Rot begonnen wurde. Aus einem Recht auf zeitweiligen Schutz, der gewährt wird, solange die Gefährdung im Heimatland anhält, ist ein automatisches Bleiberecht geworden, verziert mit Anspruch auf vielfältige Sozialleistungen – egal wie die eigentlich zentrale Asylentscheidung ausfällt. Nur schwerstes Fehlverhalten kann (ja, kann) dieses Bleiberecht beenden. Mit der neuesten Reform gibt Rot-Grün-Gelb auch den nach fünf Jahren noch immer halb Integrierten die Chance, ein weiteres Jahr zu bleiben. Und danach? Kommt vermutlich die nächste Reform, die nächste Ausnahme, die nächste Amnestie, die vielleicht schlicht mit Handreichung an die Ausländerbehörden zu regeln sein wird.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 80 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

80 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
ketzerlehrling
2 Jahre her

Wozu gibt es in Deutschland noch das Asylgesetz. Es hält sich niemand dran, ist nur Makulatur. Jeder darf rein, jeder wird anerkannt und/oder geduldet, jeder darf bleiben, jeder wird alimentiert, so kriminell, ungebildet und primitiv kann er/sie/es gar nicht sein. Jeder bekommt Migrantenbonus für Mord, Vergewaltigung usw. Wozu also diese Farce? Nur um die Justiz zu beschäftigen, die Ablehnungen ohnehin kassiert.

christin
2 Jahre her

Vor der Wahl, September 2021, haben die, die jetzt an der Regierung sind, ihre Vorstellung von Immigration deutlich den potentiellen Wählern zu verstehen gegeben, also konnte der Wähler sehr wohl verstehen und der Wähler hat, wie wir inzwischen wissen, dafür gestimmt.

Memphrite
2 Jahre her

Aber die meisten jungen Menschen, vor allem der weibliche Teil, findet die Migration extrem toll und wählen entsprechend.

Was die Geschichte gezeigt hat (und die Amis im Nahost wieder lernen mussten) man kann keine Politik gegen die Bevölkerung machen.
Die deutsche Bevölkerung will genau das. Mehr gibt es leider dazu nicht zu sagen 🙁

Memphrite
2 Jahre her

Das alles ist doch nur noch eine Farce. Die Messe ist schon seit 2017 gelesen.
Ich bin dafür alle Ausländerbehörden, Grenzschützer (ausser es gibt wieder eine Pandemie etc.) abzuschaffen.
Jeder kann einwandern und auswandern wann er will.
Einzige Bedingung: Alle Unterstützungen, Harz etc. wird abgeschafft. Es gibt kein Geld vom Staat mehr.

jwe
2 Jahre her

Da sieht man mal, wie tolerant und weltoffen Deutschland ist. Das macht uns keiner nach!

jwe
2 Jahre her

Na das sind doch mal gute Nachrichten. Wenn diese Fachkräfte alle in Brot und LOhn sind, können die Renten endlich den anderen EU-LÄndern angepasst werden. Gleichzeitig kommen ob der vielen Arbeitnehmer genug Steuern und Abgaben rein, um diese von den höchsten weltweit auf Club-Med-Niveau zu senken. Dumm ist nur, das das am dichtesten besiedelte Land Europas noch dichter besiedelt wird und das, wo die Freiräume zwischen Wohngebieten doch radikal mit Windrädern und Solar zugestellt werden soll. Denkt man dann noch, das viele Menschen viel konsumieren und CO2 produzieren, wirds das mit Klimarettung durch Deutschland dann aber gewesen sein. Ob die… Mehr

Thorsten
2 Jahre her

Ist in Buch aus den Nahen Osten geregelt und heißt „Taqiya“. Wer kann es ihnen verdenken, wenn sie eingeladen sind …

Peter Klaus
2 Jahre her

Die Ausrufung eine unabhängigen „Nordrhein-Westfalistan“ scheint also nur noch eine Frage der Zeit zu seien. 2060? Oder doch erst 2070?

alter weisser Mann
2 Jahre her

Logik der Politik von rot-rot-grün-gelb-schwarz
Erst an der Grenze wegschauen, dann schlampig bearbeiten, großzügig versorgen und natürlich nicht abschieben … und am Ende den aufgelaufenen Bestand mit einem „Gute Chancen zum ewig Hierbleiben“-Gesetz „bewältigen“ und endgültig im Sozialsystem verankern.
Stichtag in der Vergangenheit, na das ist ja der Schutzfaktor schlechthin … oder der wird dann einfach gleitend nachgeführt.

Last edited 2 Jahre her by alter weisser Mann
Hairbert
2 Jahre her

Bis zur Realisierung dieser linksgrünen Pläne (wie so manch anderer, z.B. Änderung des Transsexuellengesetzes) wird das Volk sicher massiv mit dem „Kampf gegen Rechts“ auf Trab gehalten, und dürfte auch die Coronapanik zwecks Ablenkung weiter geschürt werden. Die diesbezüglichen Lockerungsländer haben mangels ähnlich überzogener Migrations-Pläne offensichtlich derlei Ablenkung nicht nötig und agieren derweil faktenbasiert – in der Coronafrage und in der Migrationsfrage!