Zahlen sind die moderne Religion. Sie werden geglaubt, angebetet, ihrem Rat wird gefolgt. Irgendwie ahnt jeder: So richtig kann das alles nicht sein mit der Gottheit, die ist doch meist ziemlich durchschaubar. Aber Gott ist Gott. Und er ist vor allem Gott, wenn man ihn nicht versteht; bekanntlich der unschlagbare Gottesbeweis. Darüber haben wir gestern bei Günther Jauch diskutiert. Ach was. Es war ein Gottesdienst in der Kathedrale des Gasometers.
So ähnlich geht es mit den magischen 22 Prozent, um die Frauen betrogen werden, weil sie schlechter bezahlt werden als Männer. Dafür gibt es den Equal Pay Day, der soll dieser Tage gewesen sein. Bis Ende März arbeiten also Frauen umsonst, während Männer in dieser Zeit überbezahlt auf der faulen Haut liegen. 22 Prozent.
Seit Wochen werden sie uns um die Ohren gehauen, wir lesen sie, hören sie im Autoradio, sehen sie im Fernsehen. In aufgeregtem Tremolo werden sie vorgetragen, mit hochgezogenen Augenbrauen der Sprecherinnen, allesamt Vertreterinnen des Prekariats, aber gut gekleidet. Der Beweis ist da. Frau ist Opfer.
Nun gibt es sie, als Opfer. Und eine Gottesanbeterin.
Nun sagen leider die 22 Prozent nichts aus über Diskriminierung, so das Bundesamt für Statistik, das diese gottgleiche Zahl hervorgebracht hat.
Die faktischen Gehaltsunterschiede beruhen darauf, dass Kindergärtnerinnen schlechter bezahlt werden als Männer, und dass wer in Teilzeit arbeitet, weniger verdient als der oder die in Ganztagsarbeit. Damit sind von den 22 Prozent schon mal zwei Drittel Luft raus. Und auch dann schrumpft die Zahl: Junge Frauen verdienen teilweise deutlich besser als die Jungs, die jetzt die Rechnung für ein paar Jahrtausend Patriarchat um die Ohren kriegen – die systematische Benachteiligung an Schule und Uni schlägt jetzt durch. Frauen holen auf. Gut so. Selbst der statistisch falsche Gap schrumpft bei den 25-jährigen/innen und schlägt sogar ins Gegenteil um. Arme junge Männer, böse Alte?
Aber das sind Argumente, und Gott ist eine Zahl.
Die Frauenministerin Manuela Schwesig will deshalb ein Lohngleichschaltungsgesetz hervorbringen, das funktioniert wie ein Nacktscanner am Fabriktor: Jeder weiß, was jeder verdient. Damit, endlich, soll die Benachteiligung der Frau ein Ende haben. Manuela Schwesig ist eine Gottesanbeterin. Wer gegen ihren Glauben verstößt ist böse, zumindest ungerecht, meist Mann.
Aber wenn es das doch gar nicht gibt? Wenn es Teilzeit ist und Berufswahl nach Neigung, nicht Bezahlung? Um so schlimmer.
Macht nix, sagt Frau Schwesig, dann ist es für die Gerechtigkeit, und die ist immer gut. Gott ist Gott weil er Recht hat, auch wenn er nicht recht hat. Anbetung ist erforderlich.
Nun hilft es der Kindergärtnerin gar nichts. Sie geht ja nicht durch den Nacktscanner bei VW, sondern in ihren Kindergarten. Und da weiß sie, ausgehend von der Gehaltstabelle und Ortszuschlag, was jede Kollegin verdient. Nix zu holen mit Frau Schwesigs Gesetzesgebet.
Sorry IG Metall, keine Lohnerhöhung
Aufholen könnte die Kindergärtnerin ihre Gehaltslücke nur, wenn zukünftig die IG Metall darauf verzichten würde, zehn Jahre lang Gehaltserhöhungen herauszuverhandeln und nur Kindergärtnerinnen Lohnwachstum erhielten. Aber das ist im Gesetz noch nicht vorgesehen. Es wäre konsequent. Schließlich ist Gleichheit ja immer Gleichheit in Armut. Und will Gott nicht die Armut?
Und Teilzeit? Ist jetzt wieder bäh. Galt zwar lange Zeit als ideale Form, um Familie und Beruf zu vereinbaren, aber ist jetzt wieder schlecht. Alle sollen Vollzeit arbeiten, denkt Frau Schwesig, denn dann ist es gerecht. Aber wenn die Menschen nicht wollen? Muß man sie zwingen. Auch hier wirkt allerdings ihr Gesetz nicht. Auch nicht. wieder nicht. Wieder daneben. Aber macht nix. Wahre Gottesanbeterinnen machen einfach weiter. Auch Schwesig. Dass übrigens die allermeisten Beschäftigten nach Tarifverträgen beschäftigt werden, die nach Qualifikation einordnen und auch hier das Gesetz nicht benötigt wird: Gott ist groß.
Schaut man sich die Studienfächer an, dann stellt man fest: Statistisch gesehen lieben Frauen Anglistik und Germanistik; Männer Maschinenbau und Informatik. Das ist nicht schlimm, soll jeder studieren, was er will. Nur nicht jammern, wenn’s dann doch wieder nur zur Gattin reicht. Auch hier wirkt das Gesetz nicht. Vielleicht sollte man in Schulen das Kopftuch verbieten, damit junge Muslimas nicht einer Lehrerin nachlaufen, die Unterwerfung predigt? Äh. Anderer Gott.
Und dann ist da noch Herr Sattelberger, der mal bei der Telekom war. Ihm sind die Tarif-Frauen, die es nötig hätten, gleichgütig. Er kämpft für die 4.000 Führungsfrauen der Telekom. Nun ja, schön für ihn. Aber braucht man ein Gesetz, um Frauen, die ohnehin jenseits der Vorstellungsgrenze für Gehalt liegen, noch reicher zu machen? Und übrigens: Wenn diese Toll-Frauen schon nicht für ihr eigenes Gehalt ordentlich verhandeln können, können sie es dann für die Firma? Auch nicht? Liegt darin einer der Gründe für das Versagen der Telekom, ihren sensationellen Kursverlust?
Nun gut, wir wollen nicht übertreiben. Gott kennt keine Logik. Er ist Gott und in unserem Fall 22 Prozent. Aber klar ist: Wer Frauen ständig als Opfer behandelt, macht sie zum Opfer. Übrigens: Bei der Telekom wie überall – junge Frauen wollen das alles gar nicht. Sie sehen sich nicht als Opfer. Das kann man jeden Montag-Morgen in den Karriere ICEs sehen, wenn die jungen Frauen auf der Bahnstrecke entlang der Geld-Banane München-Stuttgart-Frankfurt-Düsseldorf-Hamburg unterwegs sind. Sie brauchen kein Gesetz. Sie haben sich und die Karriere. Ich gebe zu: Frau Schwesig kam direkt aus Schwerin nach Berlin. Da ist die Welt eben noch anders. Gestern.
Brauchen wir also dann das Gesetz zur Lohngleichschaltung? Nein, überhaupt nicht, viel mehr als noch mehr Bürokratie kommt hinten nicht raus. Aber trotzdem wird es kommen, sagt Ministerin Schwesig. Sie hat sich mit CDU-Fraktionschef Kauder schon geeinigt.
So ist dass, wenn Gott herrscht, auch wenn er eine bescheuerte Zahl ist: Ein Gesetz kommt. Das ist das Gesetz der Groko. Wir tun, als ob wir regieren und machen dabei das Land schlechter. Wir haben ja genug davon. Das Beste was dazu zu sagen ist: Schwesigs Gottesanbeterei und Kauders Kniefall helfen niemandem – schaden allen ein klein wenig. Aber nicht viel. Die Groko macht eben Deutschland zwar schlechter, aber nicht viel. Gott sei Dank
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein