Die internationale Omikron-Wende: Das Ende der Pandemie wird greifbar

Überraschend sanft reagiert das Ausland auf Omikron. Die Erkenntnis, dass nur der Eintritt in die endemische Phase den Lockdown-Teufelskreis durchbrechen kann, setzt sich durch. Die Bundesregierung tastet sich heran – und scheint unentschlossen.

IMAGO / Pro Sports Images

Deutschland geht wieder einmal im Datenchaos unter – die Mehrheit der Deutschen misstraut den Zahlen, die Gesundheitsämter und das Robert-Koch-Institut (RKI) bereithalten. Die Behörden geben sich alle Mühe, dass die Corona-Politik im Blindflug bleibt; nach fast zwei Jahren Pandemie in Deutschland kann man hier wohl mindestens von bewusster Inkaufnahme sprechen.

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Eines steht dennoch fest: Die „vierte Corona-Welle“, im Wesentlichen von der Delta-Variante getragen, neigt sich ihrem Ende entgegen. Die Bilanz: In der Spitze brachte diese Welle doppelt so viele Neuinfektionen wie die Welle im vergangenen Herbst. Nach den vom RKI gemeldeten Zahlen von mit oder an Corona Gestorbenen brachte die Delta-Welle allerdings weniger als ein Drittel der Toten der letzten Welle 2020: nämlich weniger als 20.000. Das sind weniger Tote als bei der schweren Grippewelle 2017/2018.

Bevor man sich nun einfach ins Getümmel der Debatte über die nächste Welle stürzt, sollte man einen Moment innehalten und die letzte betrachten. All die Debatten der letzten Monate, die Panikmache, der beispiellose staatliche Zwang, die Impfpflicht, das Berufsverbot für nicht-geimpfte Pflegekräfte – am Ende wegen einer Corona-Welle, welche in der Dimension einer Grippesaison liegt?

Im Verlauf von Corona in Deutschland und Europa sind einige grundlegende Erkenntnisse offensichtlich geworden:

  1. Neue Virus-Varianten weisen erheblichere Veränderungen auf als gedacht und treten in kürzeren Zeitabständen auf.
  2. Neue Virus-Varianten sind mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich ansteckender und deutlich weniger tödlich als ihre Vorgänger.
  3. Die Wirkung der Impfung ist auf die Gesundheit des Geimpften beschränkt; die Idee, durch sie die Ausbreitung einer Welle zu verhindern, ist utopisch.
Omikron: Das Comeback des schwedischen Wegs

Und nun kommt Omikron. In vielen Staaten Europas ist die neue Welle schon da – mit extrem hohen Infektionszahlen. Die 7-Tages-Inzidenz steigt im Vereinigten Königreich auf über 1.800, in Frankreich auf über 1.600, in Dänemark auf über 2.700 – immerhin fast das Sechsfache des Allzeithochs in Deutschland. Für Aussagen über Hospitalisierungen oder Tote ist es hier noch zu früh, zudem wachsen auch in Großbritannien gerade die Zweifel an der Verlässlichkeit der Hospitalisierungs-Statistiken.

Neue Studien zeigen jedoch abermals die deutlich geringere Krankheitsschwere von Omikron, die sich auch in Südafrika beobachten ließ (TE berichtete). Eine englische Studie zeigt eine um 40 Prozent niedrigere Wahrscheinlichkeit, ins Krankenhaus eingewiesen zu werden, eine Studie von Public Health Scotland geht gar von einer um rund zwei Drittel gesunkenen Gefahr aus, die Daten sind jedoch vorläufig. Omikron bestätigt also zunächst das, was zu vermuten war: viele Infektionen, wenige schwere Verläufe. Auch in Deutschland steht das nun bevor.

Zweierlei Maß im Corona-Staat
Staatsfeind Spaziergänger
Bemerkenswert sind nun vor allem die politischen Reaktionen darauf. In England sind volle Stadien und offene Pubs für die gesamte Bevölkerung weiterhin der Normallfall. Die Regierung Johnson setzt neben einer wenig restriktiven Politik vor allem auf eine Booster-Kampagne. 
Doch auch der Booster scheint wenig ausrichten zu können gegen Neuansteckungen. Fast 50 Prozent der Bevölkerung haben im Vereinigten Königreich schon ihre Auffrischimpfung erhalten – wie man sieht, ohne dass dadurch Neuinfektionen großflächig verhindert werden konnten.

Auch in Deutschland zeigen erste Daten des RKI, dass die Hoffnung auf den Booster, jedenfalls was das Infektionsgeschehen angeht, übertrieben sind: Von den symptomatischen Omikron-Fällen, für die der Impfstatus bekannt ist, waren über 25 Prozent geboostert. Fast 40 Prozent der Bevölkerung sind geboostert.

Doch nicht nur im Inselstaat des „Freedom Day“ fällt die Corona-Politik überraschend liberal aus. In Spanien liegt die Inzidenz bei über 1.200 und dennoch bleibt das Land geöffnet, man setzt stattdessen auf Selbsttestung und telefonische Krankschreibungen. In Israel wird gar über eine kontrollierte Massendurchseuchung diskutiert, die Rede ist laut Channel 12 News von einer „schwedischen Politik“. Auch in Dänemark reagiert man recht gelassen; das eigentlich sehr restriktive Frankreich schließt einen neuen Lockdown aus, und Joe Biden lässt seine Impfpflicht-Pläne nach einer Schlappe vor Gericht ruhen.

Omikron-Welle
Israel zögert nun doch vor der vierten Impfung
Im Vereinigten Königreich und in den USA wird die Quarantäne-Zeit für Omikron-Infizierte verkürzt. Bei über 150.000 täglichen Neuinfektionen wie etwa in Großbritannien oder Frankreich und zwei Wochen Quarantäne auch für Kontaktpersonen ist es schließlich nur eine Frage der Zeit, bis ganze Wirtschaftszweige zusammenbrechen, und natürlich ist davon auch die sogenannte kritische Infrastruktur gefährdet. Immerhin diskutiert man darüber nun auch in Deutschland. „Es wird auf jeden Fall neue Beschlüsse geben, weil wir müssen uns Gedanken dazu machen, wie verändern wir die Quarantäne-Verordnung“, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach diesbezüglich gegenüber RTL/ntv.

„Perfektes erstes endemisches Virus“

Es liegt eine Wechselstimmung in der Luft. Immer mehr Länder erkennen in Omikron die Chance, die Pandemie zu beenden und den Teufelskreis endlich zu durchbrechen: Eine harmlose, hoch ansteckende Variante könnte Immunitätslücken schließen und gefährlichere Varianten verdrängen. Das Ende dieses Wahnsinns, soviel ist jedenfalls schon lange klar, kann nur auf diese Weise kommen: Das Virus wird niemals ausgerottet werden können, aber es wird endemisch werden und uns in Zukunft als Grippe oder Erkältung begleiten und nicht als tödliche Seuche.

Auch Christian Drosten meint, Omikron könnte sich als „perfektes Nach-Pandemie-Virus“ herausstellen, als „perfektes erstes endemisches Virus“, auch wenn er meint, Deutschland wäre für eine endemische Phase noch nicht bereit. TE weist auf diese Zusammenhänge schon seit Monaten hin (unter anderem hier im Februar).

Eine Erinnerung
Braucht die Regierung auch ein Volk?
Am Freitag steht in Deutschland voraussichtlich der nächste Entscheidungstag an, es ist eine Ministerpräsidentenkonferenz angesetzt. Die Bundesregierung hat ihren Weg noch nicht gefunden: Der Mythos von der „Pandemie der Ungeimpften“ wurde von der Realität offensichtlich und eindrücklich widerlegt und taugt als Begründung für Zwang und Druck nicht mehr. Lauterbach meint nun: „Die Fallzahlen werden sehr stark steigen, und das wird dann auch viele Ungeimpfte treffen, und die sind nicht geschützt. Daher mache ich mir da große Sorgen.“ 
Die Corona-Maßnahmen nur zum Schutz der Ungeimpften gegen ihren Willen? Das scheint als Begründung nicht besonders tragfähig.

Man wird wohl den Weg gehen, den die Regierung Merkel stets vorexerzierte: Statt einer klaren Strategie oder eines Stufensystems, tastet man sich von Woche zu Woche, von Corona-Gipfel zu Corona-Gipfel in die Welle hinein, das Regierungssegel immer auf der Suche nach dem Wind der allgemeinen Befindlichkeit. Deutschland reagierte daher meist spät, dafür mit besonderer Härte.

Doch der internationale Fortschritt in Sachen nüchterner Wahrnehmung des Corona-Geschehens wird vor Deutschland am Ende nicht ganz halt machen können. Die breiten, wachsenden Proteste in der ganzen Republik zeigen, dass auch hier der Wunsch nach einem Richtungswechsel immer größer wird. Es setzt sich eine Erkenntnis durch: Nicht die Impfung wird diese Pandemie beenden, sondern neue Virus-Varianten.

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Kommentare ( 80 )

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Paul Brusselmans
2 Jahre her

Diese Regierung wird leiden: an der EU mit einer konträren Energie-, Asyl- und Grenzsicherungspolitik. An grüner Inflation, Arbeitslosigkeit und Spaltung.

Eine Zeit der juristischen Aufarbeitung des 16jährigen Reiches und der Scholzschen Monate wird folgen…

Rene Meyer
2 Jahre her

Herr Mannhart, ja, das ist wieder eine schöne Entwarnung. Ich hoffe, Ihr Artikel zu Omikron darf diesmal länger auf der TE-Hauptseite bleiben als der vom 12. Dezember 2021. Bemerkenswert ist noch, dass Australien, in dem zeitweise ein unvorstellbar hartes Corona-Regime herrschte, angesichts der Einschätzungen zu Omikron alle Maßnahmen Ende 2021 eingestellt hat und statt dessen auf Eigenverantwortung setzt. Und dies, obwohl das Maximum der Omikron-Fälle erst für Ende Januar, Anfang Februar erwartet wird. Auch noch anzumerken ist, dass erstens Omikron Delta verdrängt und dass zweitens eine Infektion mit Omikron sogar vor Delta schützt. Das alles ist Entwarnung pur! Mal sehen,… Mehr

H. Priess
2 Jahre her

Ich bin überzeugt, mit den richtigen Testmethoden wird man feststellen, daß wir alle ohne Ausnahme komplett Virenverseucht sind. Geht man von der Zellebene auf die Atomareebene so dürften wir gar nicht lebensfähig sein. Corona im Abwasser, Corona in einer Avocado, Corona in Red Bull überall Corona. Ich hab von der LAGuS MV einen Bettelbrief bekommen, ich solle mich doch bitte impfen lassen. Nix da, zwei mal hat gereicht und wenn es Pflicht wird werde ich ein Schreiben aufsetzen mit dem Inhalt, daß Frau Schwesig für alle Impffolgen für jetzt und in der Zukunft mir gegenüber Persönlich haftet. Wenn sie das… Mehr

Kassandra
2 Jahre her

“We did serious harm to children & young adults who were robbed of their education, jobs and normal existence (…) All this to protect the NHS from a disease that is a far, far greater threat to the elderly, frail and infirm than to the young and healthy” https://twitter.com/Tim_Roehn/status/1478146004646088706
Es reicht.

Prometheus
2 Jahre her

Wer einmal den Geschmack der uneingeschränkten Macht geschmeckt hat, wird diese nicht mehr freiwillig loslassen…Und genau das sehen wir aktuell. Selbst wenn alle durch Impfung oder Infektion immun sind, wird es nicht aufhören.

Johann Thiel
2 Jahre her

Finde es wirklich bedauerlich, dass man es bei dem Corona-Update auf TE einfach nicht fertig bringt, sich endlich einmal vom politisch genehmen Sprachgebrauch und Tonlage zu lösen.

Da ist immer noch von „Infektionen“ die Rede, die zum übergroßen Teil nur positive und unzuverlässige Tests sind, da wird immer weiter vom „Impfen“ gesprochen, das in Wirklichkeit eine Gen-Therapie ist, und es wird die Ungefährlichkeit der Omikron-Variante wie der Beleg für die Gefährlichkeit vorhergehender Corona-Varianten benutzt, ohne zu Kommunizieren, dass diese im Durchschnitt bereits nicht gefährlicher als eine normale Grippe waren.

Julius Schulze-Heggenbrecht
2 Jahre her

Wenn die Politkasper hierzulande nicht so ideologiegetrieben und vernagelt wären, würden sie längst erkannt haben, dass sie ihre Macht mit etwas mehr Konzilianz sehr viel besser sichern könnten. Wenn die Politkasper intelligent wären (was ich ihnen abspreche), würden sie die Maßnahmen sofort beenden, das Leben wieder ganz normal laufen lassen – und sich dafür feiern lassen. Wenn sie intelligent wären, würden sie uns einzureden versuchen, dass NUR IHRE MASSNAHMEN es überhaupt ermöglicht hätten, die gar so erschröckliche, förchterbare Pandemie zu „besiegen“. Gleichzeitig würden sie, wenn sie intelligent wären, das Testen völlig einstellen („nicht mehr notwendig“). Ich bin sicher, der erleichterte… Mehr

elly
2 Jahre her

Wenn die Politkasper hierzulande nicht so ideologiegetrieben und vernagelt wären…“ ich glaube, das Problem sind eher die „Experten“. Neben Lauterbach, würde auch Wieler, Prof Drosten, Prof. Melanie Brinkmann, die Physikerin Viola Priesemann und weitere, sowie Alena Buyx Vorsitzende des Deutschen Ethikrates in die Bedeutungslosigkeit zurück fallen. Erst durch Corona bekamen sie doch öffentliche Aufmerksamkeit, die Chance durch Talkshows zu tingeln, an Pressekonferenzen teilzunehmen. Die Eitelkeiten der Menschen und von „Wissen“schaftlern ist nicht zu unterschätzen.

Johann Thiel
2 Jahre her

Geistige Zwerge wollen aber vor allem eines – herrschen – und dieser Wunsch geht nur wirklich in Erfüllung, wenn er gegen Widerstand durchgesetzt werden kann. Ein typisches Politikermerkmal, da diese immer für oder gegen etwas „kämpfen“.

Julius Schulze-Heggenbrecht
2 Jahre her

Wird durch dei „Omikron-Variabte“ das Ende der „Pandemie“ tatsächlich greifbar? Ich wünsche es mir. Allerdings scheinen die Qualitätsmedien ander Wünsche zu haben … „Forscher entdecken mutmaßlich neue Corona-Variante in FrankreichAktualisiert am 04.01.2022, 11:25 Uhr“ Genau darunter liest man wieder, dass auf die große Panikpauke gehauen wird: „10:53 Uhr: ➤Forscher entdecken mutmaßlich neue Corona-Variante in Frankreich“„05:59 Uhr: Robert Koch-Institut: Sieben-Tage-Inzidenz steigt sechsten Tag in Folge“ Geschickt verknüpft, nicht wahr? „In Frankreich könnte eine neue Variante des Coronavirus aufgetaucht sein. Bei zwölf auf SARS-CoV-2 positiv getesteten Personen sei eine atypische Kombination entdeckt worden, heißt es in einer Ende Dezember veröffentlichten Preprint-Studie.Die infizierte… Mehr

djelloun70
2 Jahre her

Sehr guter sachlicher Kommentar! Meine Frau hat sich 1x impfen lassen (Biontech) und hat seither Lähmungen und starke Muskelschmerzen auf der rechten Körperseite! Der Arzt meinte : „Impfnebenwirkungen“ ! Sie war zuvor kerngesund und muss nun mühsam von Arzt zu Arzt rennen um sich wieder auf den alten Stand der Gesundheit zu hieven 🙁 Was für ein Wahnsinn, hoffentlich hört das bald auf!

Julius Schulze-Heggenbrecht
2 Jahre her
Antworten an  djelloun70

„Was für ein Wahnsinn, hoffentlich hört das bald auf!“

Es wird erst enden, wenn WIR SELBST dafür sorgen, dass es endet. Es wird erst enden, wenn die Spaziergänge so viele Teilnehmer haben, dass man sie nicht mehr wegdiskutieren, nicht mehr diskreditieren und nicht mehr wegknüppeln kann. Erst dann wird der Druck auf die Politkasper so groß, dass sie einlenken müssen.

Last edited 2 Jahre her by Julius Schulze-Heggenbrecht
Susisorglos
2 Jahre her

Und es hört auf, wenn die Leute sich nicht mehr „impfen“ lassen. Dann würde Karlchen ganz schnell die Luft ausgehen. Aber das ist wohl nur eine Illusion.

Rosalinde
2 Jahre her

Wenn sich die Zahlen des RKI erhärten, dass Omikron bisher zu 95% nur Geimpfte befallen hat, dann ist in der Logik der Impf-Fetischisten etwas nicht stimmig.

Julischka
2 Jahre her
Antworten an  Rosalinde

Dann wird die „Verschwörung“ wahr: „Impfen ist nicht die Lösung sondern das Problem!“