Obdachloser in Köln begeht offenbar Selbstmord: Er sollte seinen Schlafplatz räumen

Der Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde in Köln forderte einen Obdachlosen auf, seinen Schlafplatz zu verlassen, den er seit sechs Jahren in der Garage auf dem Areal hatte. Nun ist der Mann tot. Alles deutet auf einen Selbstmord hin.

IMAGO / Manngold
Die Kirche Johannes XXIII der Katholischen Hochschulgemeinde KHG an der Berrenrather Straße in Köln-Sülz

Am Montagmorgen wurde ein 56 Jahre alter Obdachloser, der seit mehr als 6 Jahren auf dem Gemeindegelände gelebt hatte, im Keller der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) tot aufgefunden. Das berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger (KStA) am 13. Dezember 2021. Es gibt keine Hinweise auf Fremdverschulden. Offenbar habe sich der Mann das Leben genommen.

Der gelernte Zahntechniker, der Milan hieß, sei wegen privater Probleme auf der Straße gelandet. Er tauchte laut Recherchen des KStA zum ersten Mal vor rund sechs Jahren auf dem Areal auf und hielt sich zunächst im Eingangsbereich der Kirche auf. Der damalige Hochschulpfarrer und Leiter der KHG, Klaus Thranberend, bot ihm daraufhin an, in einer der vier Garagen unter den Büros zu schlafen. In letzter Zeit übernachtete er auch schonmal in einer Art Gästezimmer der KHG.

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Dann forderte ihn der jetzige KHG-Leiter, Diakon Johannes Schmitz, auf, seinen Schlafplatz zu verlassen, und setzte ihm vor circa zwei Wochen ein Ultimatum: Ab dem 15. Dezember wurde ihm mit der Polizei gedroht. Begründung: Sein irregulärer, illegaler Aufenthalt sei für die KHG-Leitung nicht länger zu verantworten. Nach Informationen des KStA besaß der Mann serbischer Herkunft eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Lediglich sein serbischer Pass sei abgelaufen. Laut Schmitz braucht er den aber für einen gültigen Aufenthaltstitel.

Die KHG ist nach Selbstauskunft „ein Ort der Begegnung für all diejenigen, die an den Kölner Hochschulen studieren und arbeiten“. Milan hatte engen Kontakt zu Studenten und zu den Mitarbeitern der KHG. Verpflegt wurde er über einen Lebensmittelverteiler der KHG, seinen Kaffee bekam er im Büro. „Er war ein Stück weit Teil unserer KHG-Familie. Eigentlich war er immer da, auch zu unserer Weihnachtsfeier“, so eine Mitarbeiterin gegenüber dem KStA. Milan gestaltete den Innenhof als Garten mit Blumen. Er hielt die Außenanlagen sauber und reparierte Fahrräder. Laut Thranberend, inzwischen Pfarrvikar in Ehrenfeld, war Milan ein geschickter Handwerker.

„Lass mich nicht allein!“

Milan sei nach der Aufforderung auszuziehen „am Boden zerstört gewesen“, so Thranberend gegenüber dem KStA. Besonders gekränkt habe es ihn, dass die Leitung der KHG „unter Zeugen“ zu ihm gekommen sei, um ihn zu vertreiben. „Lass mich nicht allein“, habe Milan zu Thranberend gesagt. Thranberend bemühte sich kurzfristig um eine Übergangsbleibe – doch vergeblich. Er bot ihm an, fürs Erste bei ihm zu schlafen. „Aber da wirkte er schon sehr verzweifelt, als ob er jede Perspektive verloren hätte.“ Thranberend wirft seinem Nachfolger und dem Erzbistum Köln, das für die KHG verantwortlich ist, vor: „Dieses Handeln einer völlig verrechtlichten Kirche ist unerträglich, unpastoral und asozial. Wie kann man so etwas tun, erst recht kurz vor Weihnachten?“

Eine Sprecherin des Erzbistums versicherte gegenüber dem Stadt-Anzeiger, die KHG-Leitung „habe versucht, mit dem Betroffenen gemeinsam eine Perspektive zu entwickeln“. Nachdem Schmitz am Montag für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar war, hat er sich inzwischen gegenüber dem KStA erklärt: Seit Mitte November habe er versucht, den Aufenthaltsstatus zusammen mit dem Mann zu klären. Der ehemaligen Leitung wirft er vor, „die Dinge in der Schwebe gelassen zu haben“. Diese wies den Vorwurf zurück. Der Aufenthalt des Obdachlosen und sein Leben in und mit der Gemeinde sei nie verheimlicht worden. Selbst die zuständige Hauptabteilung im Erzbistum sei informiert gewesen.

Mitten im Winter werden Obdachlose in Deutschland von ihren Zufluchtsorten verbannt

Schmitz sagte dem KStA weiterhin, er habe den Mann an die Caritas oder den Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) verwiesen und ihm bis zum 15. Dezember Zeit für eine Kontaktaufnahme gegeben. Andernfalls sähe er sich rechtlich gezwungen, die Polizei zu informieren. Dass der Obdachlose einen Rauswurf oder einen Polizei-Einsatz befürchtete, sei nicht mit dem zu erklären, was er mit ihm besprochen habe.

„Mir ging es darum, diesem Menschen nach sechs Jahren endlich die Hilfe zukommen zu lassen, die ihm eine echte Perspektive ermöglicht hätte.“ Mehrfach habe er ihm gesagt: „Wir wollen Ihnen helfen, aber Sie müssen sich bewegen.“ Ganz sicher, so Schmitz, habe er keine Indizien für eine Suizid-Absicht wahrgenommen. Schmitz zeigt sich bestürzt: Am Todestag selbst hätte ein Gespräch mit dem Mann stattfinden sollen, stattdessen hätte er „zu unser aller Entsetzen“ seine Situation als ausweglos empfunden, so Schmitz gegenüber dem KStA. Der Vorwurf eines unbarmherzigen und unchristlichen Verhaltens habe ihn „unglaublich getroffen“.

Das Erzbistum Köln erklärt, es hätte der Klärung der offenen rechtlichen Fragen bedurft, um „mit professioneller Unterstützung eine geregelte Perspektive für sein Leben aufzubauen und eine geeignete Wohnung für ihn zu finden“. Gleichwohl hätte das Gespräch „nicht bedeutet, dass er die Räumlichkeiten unmittelbar hätte räumen müssen“. Schon seit 2020 hätte die KHG „im Gespräch mit Milan gestanden, dass sein Aufenthalt und die Nutzung der Räumlichkeiten – nicht der Garage – keine Dauerlösung sein könne“.

Auf der Webseite der KHG Köln findet man eine Stellungnahme der Leiterin der Hauptabteilung Schule/Hochschule im Erzbischöflichen Generalvikariat, Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke: „Die Nachricht, dass der Wohnungslose Milan tot in den Räumlichkeiten der KHG aufgefunden worden ist, hat bei mir und bei uns allen Bestürzung und tiefe Betroffenheit ausgelöst. Niemand kann ermessen, was in einem Menschen vorgehen muss, wenn er seinen letzten Ausweg darin sieht, sich selbst das Leben zu nehmen. Unsere Gedanken und Gebete sind bei ihm und allen, die um ihn trauern.“ Dort ist auch das Statement des Erzbistums verlinkt.

Vor Kurzem hat auch der rot-rot-grüne Berliner Senat mit einer als mitleidlos empfundenen Maßnahme gegen Obdachlose Aufsehen erregt. Mitten im Winter werden ungeimpfte oder ungetestete Obdachlose wegen der 3G-Regel von Bahnsteigen verbannt, wo sie vor Kälte und Nässe Zuflucht suchen.

Von einer linken Regierung und der katholischen Kirche würde man solches erbarmungslose Vorgehen eigentlich nicht erwarten.


Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.

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Kommentare ( 129 )

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129 Comments
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KorneliaJuliaKoehler
2 Jahre her

Wahrscheinlich ging es dem wohnsitzlosen Mann weniger um den Schlafplatz als solchen. Milan hatte sich dort offensichtlich eingelebt und in der Gemeinschaft zarte Wurzeln geschlagen. Gemeinsames Essen, die Pflege des Gartens und Gespräche mit ganz normalen Leuten, das war sein ganzer Lebensinhalt. Er war doch schon auf einem guten Weg, weil er, so zu sagen, sesshaft geworden war. Diese Gemeinschaft wurde zu seiner Ersatzfamilie, aus der ihn ein hartherziger Mensch verstoßen wollte. So hat Milan es sicherlich empfunden und den Lebensmut ganz verloren. Lieber tot als einsam und verlassen. Das ist sehr traurig, Milan hätte man wirklich helfen können und… Mehr

Burkhard Minack
2 Jahre her

„Von einer linken Regierung und der katholischen Kirche würde man solches erbarmungslose Vorgehen eigentlich nicht erwarten.“
Doch. Schon lange.
In welcher Welt leben Sie?

F.Peter
2 Jahre her

Die Kirchen in diesem Land zeigen ja schon seit Jahren mal wieder, wessen Herrn sie wirklich zu dienen bereit sind. Der Christliche ist es auf jeden Fall nicht!

DW
2 Jahre her

Schreibt ihnen, was ihr darüber denkt.

info[at]khgkoeln.de

h.milde
2 Jahre her
Antworten an  DW

Yep, erledigt.
Btw. in Rom scheint es einen Bischof em. Gerhard Kardinal Müller, Regensburg, zu geben, der gegen mögliche international ochestrierte Corona-Maßnahmen offen protestiert. Er war Präfekt der Glaubenskongegration, benannt von Benedidkt XVI, wurde aber wohl vom hauptamtierenden 6³Papst auf einen Verwaltungsposten abgeschoben/kaltgestellt(?)

reiner
2 Jahre her

tiefe betroffenheit ausgelöst,zum lachen,wenn es nicht so traurig wäre.warum ich mit 14 aus der kirche ausgetreten bin ,weiß ich heute um so mehr,diese heuchler.es werden tötungen egal von selbst oder die spritze immer mehr als normales vorgehen hingenommen,pfui deibel.hoffentlich kommt der tag wo ne menge vor dem kadi stehen,egal wo.

Last edited 2 Jahre her by reiner
Casta Diva
2 Jahre her

Ein Freund von mir hat sich mit anderen Christen regelmäßig in der Kirche getroffen; wöchentlich, um einander zu trösten und stärken; Bibelkreis, ca. 20 Gläubige. Sie saßen alle mit dem politisch geforderten Abstand auf unterschiedlichen Bänken. Nach vielen Treffen, die alle völlig physisch und psychisch gesund überlebt haben, erfolgte vor einigen Wochen ein Gespräch mit dem Pfarrer der Kirche. Ein neu Hinzugekommener hat sich massiv über die fehlenden Masken bei den Gläubigen beschwert und gefordert, das unverzüglich abzuändern. Der Pastor ist eingeknickt, hat die anderen unter Kuratel gestellt und ein zwangloses, achtsames Miteinander deutlich erschwert. P.S.: Ich musste mehrfach umformulieren,… Mehr

Albert Pflueger
2 Jahre her

Das Problem der Obdachlosigkeit so zu behandeln, wie es dort offenbar jahrelang gemacht wurde, führt nirgendwohin. Es ist nicht richtig, einem Menschen dauerhaft einen Schlafplatz in der Garage zuzuweisen, auch wenn Jesus in einem Stall geboren wurde. Ist dieser Zustand aber aus fehlgeleiteter Nächstenliebe erst einmal eingetreten, ist es nur mit sehr viel Engagement möglich, ihn wieder zu beenden. Das wurde offensichtlich verkannt.

Sonny
2 Jahre her

„Von einer linken Regierung und der katholischen Kirche würde man solches erbarmungslose Vorgehen eigentlich nicht erwarten.“
Wieso nicht? War noch nie anders.

Hoffnungslos
2 Jahre her

Und wieder das Bistum Köln. Vielleicht sollten in Köln mal endlich ganz andere Leute vor die Tür gesetzt werden.

Teiresias
2 Jahre her

Erstaunlich, wie wichtig die Kirche in diesem Fall den genauen Gesetzestext des Aufenthaltsrechts nimmt, während sie bei einer gewissen Klientel per Kirchenasyl dieselben Paragraphen systematisch aushebelt und sich über das Gesetz stellt!