Die jüngsten Sendungen Jauch und Plasberg über Griechenland haben erneut gezeigt: Der Euro bleibt ein vertraglich vereinbarter Fremdkörper, der unter keinem Aspekt zu dem realen wirtschaftlichen Geschehen in dem Land passt. Die Rückkehr Griechenlands zu einer eigenen Währung ist alternativlos.
Die Diskussion über den Euro und Griechenland tritt seit Jahren auf der Stelle. Immer die gleichen Argumente der Eurologen, die Griechenlands Euromitgliedschaft zu einem bloßen Fetisch hochstilisiert haben, stehen der immer gleichen Realität gegenüber, dass Griechenland wirtschaftlich mit dem Euro keine Gesundungschance, keine Entwicklungschance hat.
So relativ schwach der Euro derzeit ist, für Griechenland ist er immer noch viel zu stark. Mit dem Euro, der in Griechenland ein vertraglich vereinbarter Fremdkörper ist, der unter keinem Aspekt zu dem realen wirtschaftlichen Geschehen in dem Land passt, bleibt auf lange Sicht jede Chance auf Erreichung irgendeiner Weltmarkttauglichkeit der griechischen Wirtschaft ausgeschlossen.
Der Wettbewerbsfähigkeit steht eine überbordende Fülle von Realitäten entgegen. Schon mit dem EU-Beitritt Griechenland 1981 zeigte sich, dass das Netto-Nehmerland Hellas mit dem warmen Geldregen aus Brüssel, etwa für die Durchführung von Strukturmaßnahmen, nichts Adäquates anzufangen wusste. Eine am Bedarf vorbei und strukturell nicht zu Ende gedachte in die Landschaft gesetzte Autobahn macht aus einem wirtschaftlich rückständigen Land noch keine aufstrebende Volkswirtschaft. Geldgeschenke von außen, das zeigt auch die sechzigjährige Geschichte der Entwicklungshilfe, sind ein zweischneidiges Schwert. Meistens versickert die eine Hälfte der Geldzuflüsse in dunklen Kanälen und die andere Hälfte zerstört die gewachsenen Strukturen, die es zu stärken gilt.
Das große Spiel der Verschwendung
Mit dem Beitritt Griechenlands zum Euro-Vertrag wurde die Lage für Griechenland endgültig prekär. Die eskalierende griechische Schuldenmacherei auf den Weltfinanzmärkten nahm ihren Anfang. Verantwortungslose griechische Regierungen und verantwortungslos zuschauende Europartner begannen das große Geldschöpfungsrad zu drehen. Und: Das große Spiel der Verschwendung und das nicht selbst verdiente Luxusleben des griechischen Staates und sehr vieler seiner Bürger begann. Der notwendige Transformationsprozess der griechischen Wirtschaft von einem rückständigen Zweite-Welt-Niveau auf Euro-Höhe unterblieb indes.
Griechenland lebt über seine Verhältnisse und an dieser Tatsache hat sich seit Beginn der Griechenlandkrise nur wenig geändert.
Eine von außen dauersubventionierte Volkswirtschaft zeitigt ein hohes Verbrauchsniveau, aber die Entfaltung der Selbstheilungs-und Aufbaukräfte des Marktes werden gelähmt. Mit Geld allein kann man eine Volkswirtschaft gleichermaßen fördern oder auch lähmen, es kommt auf die realen Bedingungen einer Volkswirtschaft, auf deren Strukturen und Traditionen an, wie eine solche Volkswirtschaft auf Subventionen von außen reagiert.
Bis zur Einführung des Euro war Griechenland für Investoren ein Risikoland, außerordentlich unattraktiv. Entsprechend war das Zinsniveau. Griechenland zahlte auf dem Weltmarkt bis zu 25% Zinsen auf sehr begrenzt zur Verfügung stehende Kredite in Hartwährung, die durch die permanente Abwertung der Drachme noch teurer wurden. Das war eine Art natürliche Schuldenbremse. Erst als Euroland wurde Griechenland, wenn auch höchst fiktiv, für Investoren eine sichere Nummer, Griechenland bekam Weltmarktgeld zu Triple A-Konditionen und das selbstverständlich in unbegrenzter Höhe.
Apropos Investoren. Die waren die Dritten im Bunde neben den griechischen Regierungen und den Regierungen der Europartnerländer, die Griechenland skrupellos mit Geld zupumpten. Die Investoren und Banken, die sich am Griechenlandgeschäft beteiligten, wurden und werden, und das galt als genialer Coup der notorischen Euroretter, in unverschämtem Maße gerettet, während die Risiken in gleich unverschämtem Maße auf unterschiedlichsten Wegen auf die Europartnerländer „umgeschuldet“ wurden. Das Ganze wurde dann als alternativlose Rettung Griechenlands verkauft.
Und seitdem die Retteritis 2010 mit Schuldenschnitten und Kreditreiterei angelaufen ist, läuft die Gebetsmühle auf Hochtouren, dass Griechenland sich selbst neu erfinden müsste, in dem es seinen gesamten Staatsapparat und seine Wirtschaftsstruktur möglichst plötzlich neu aus dem Boden stampfen möge: Aufbau einer Finanzverwaltung, neue Steuergesetze, tatsächliches Beitreiben von Steuern, was in Griechenland offenbar unüblich war, Aufbau einer Katasterverwaltung, Abbau von Bürokratie, Abbau von Korruption, Beseitigung von Steuerprivilegien für Reeder und andere Oligarchen, Abschaffung von Scheinbehörden und Scheinadministration – das alles und viel mehr sehnen die Euroretter seit nunmehr fünf Jahren herbei und bewehren ihre Sehnsucht mit immer neuen Krediten an das zahlungsunfähige Land, dessen Zahlungsfähigkeit sie gerade mit dem Krediten notdürftig aufrecht erhalten.
Schäubles neue Erkenntnis
Wolfgang Schäuble hat jetzt eine neue Erkenntnis, die für andere eine Selbstverständlichkeit ist, seitdem das Thema existiert. Er sagt nun, dass die griechischen Eliten im Prinzip seit eh und je versagt und das Entstehen einer modernen Volkswirtschaft verunmöglicht hätten, so seine Quintessenz. Die neue griechische Elite aus Alexis Tsipras (Ministerpräsident) und Yanis Varoufakis (Finanzminister) und Panos Kammenos (Verteidigungsminister), das links-rechte Dreamteam ist offenbar nach Schäubles allerneuester Einschätzung kein wirklicher Lichtblick in der durchgängigen Tradition der griechischen Regierungen. Jedenfalls platzte Schäuble gestern auf einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung der Kragen, als er den neuerlichen, von der erst zwei Monate im Amt befindlichen griechischen Regierung zu vertretenen Vertrauensverlust deutlich benannte.
Stinkefinger hin oder her, der neue griechische Finanzminister Varoufakis scheint den falschen Amtstitel zu tragen. Er ist wohl eher eine Art Propagandaminister im Kabinett Tsipras, der die Hilfslosigkeit der neuen griechischen Regierung kaschieren helfen soll, in dem er weltweit täglich oft mehrere Interviews gibt statt Regierungsarbeit zu liefern. Popkultureller Kommunismus mit Hochglanzeffekt.
Ein bisschen Don Quichotte, ein bisschen François Villon, ein bisschen Rüpel und ein bisschen Bruce Willis, wie es neuerdings heißt, das mag gut sein, für ein One-Man-Showtalent, hat aber mit einem Finanzminister, gar einem fähigen Finanzminister, noch wenig zu tun. Erstmal draufhauen und dann gucken, ob sich aus der Staubwolke irgendetwas machen lässt, das ist die bereits gescheiterte Strategie der neuen griechischen Regierung. Diese neue „Strategie“ hat allerdings inzwischen ein ungeahntes, in der Öffentlichkeit noch wenig wahrgenommenes Umdenken bei allen relevanten Regierungen und internationalen Organisationen ausgelöst.
Auch auf der emotionalen Seite, die bei Regierungen und Vertretern der internationalen Organisationen eine Riesenrolle spielen, kippt die Waage. Die verbissene herrschende Euro-Ideologie, von der das angeblich rationale Finanzgeschäft zwischenzeitlich befallen war und sicher noch ist, bekommt Risse. Dem oft missionarischen und fanatischen Euro-Eiferern kommt der Elan abhanden. Denkfiguren, wie etwa die Frage, scheitert Griechenland im Euro, scheitern der Euro und Europa, scheitert die Weltwirtschaft und am Ende die ganze Welt, verlieren deutlich an Strahlkraft und müssen realitätsbezogeneren Einschätzungen Platz machen: Die 10-Millionen-Einwohner-Volkswirtschaft Griechenland war zu keinem Zeitpunkt der Eurokrise eine Bedrohung für die Existenz des Euros oder gar Europas oder der Welt. Auch die immer noch wiederholte Dauerbehauptung, dass ein Scheitern Griechenlands im Euro die Weltmärkte zu erneuten Spekulationen gegen die Euro-Mitgliedschaft anderer Euro-Schwächlinge nach sich ziehen könnte, lockt inzwischen Niemanden ernsthaft mehr hinter dem Ofen hervor.
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