Bayern verbietet „2G-Bändchen“ im Einzelhandel: wegen Sicherheitsbedenken

Immer mehr Städte führen im Zuge der 2G-Regel im Einzelhandel das „Bändchenmodell“ ein. Das Tragen eines Bändchens soll genesenen oder geimpften Personen den Zugang zu Geschäften erleichtern. Das ist diskriminierend und stigmatisierend. In Bayern wurde das Vorhaben jetzt gestoppt — aus anderen Gründen.

picture alliance/dpa | Friso Gentsch
Blick auf eine Info-Tafel für Weihnachtsmarkt-Besucher

Seit Mittwoch gilt im Einzelhandel bundesweit die 2G-Regel, das heißt, nur Genesene und Geimpfte dürfen Geschäfte zum Einkaufen betreten. Ausgenommen sind Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte und Drogerien, in denen auch Nicht-Geimpfte noch einkaufen dürfen. Um die Kontrolle für die Ladeninhaber zu erleichtern, führen nun mehrere Städte in Deutschland das Tragen eines Bändchens am Handgelenk zur Kennzeichnung ein: Personen, die die 2G-Regel erfüllen, müssen das nur einmal nachweisen; sie bekommen dann ein Bändchen, mit dem sie die Geschäfte ohne weitere Kontrollen betreten dürfen. Dadurch sollen Warteschlangen vor den Eingängen aufgrund von Einlasskontrollen vermieden werden.

In vielen NRW-Städten wird das Bändchen-Modell bereits auf Weihnachtsmärkten praktiziert, ab diesem Wochenende wird es auch auf den Einzelhandel ausgedehnt, wie etwa in Düsseldorf, aber auch in Aachen, Duisburg und Wuppertal:

— Westdeutsche Zeitung (@wznewsline) December 10, 2021

Auch in Mainz gelten die Weihnachtsmarkt-Bändchen bereits für den Einzelhandel. Und die ersten Städte in Hessen wollen das Bändchen nun ebenfalls einführen, um so die 2G-Zugangskontrollen im Einzelhandel zu vereinfachen. Der Handel hatte in den vergangenen Tagen für eine bundesweite Einführung geworben.

Das klingt praktisch, nicht nur für die Händler, sondern auch für die Kunden — die geimpften wohlgemerkt —, denn wer hat schon Lust, sich nicht nur zum Bezahlen an der Kasse in die Warteschlange einzureihen, sondern nun auch bereits vor dem Einkauf beim Eintreten in den Laden? Das verführerische Konzept für einen möglichst reibungslosen Handel hat allerdings einen üblen Beigeschmack und erinnert an düstere Zeiten. Menschen werden gekennzeichnet — oder eben nicht —, um sofortige Erkennbarkeit zu erreichen, die wiederum zu bestimmten Konsequenzen führt, nämlich entweder das Privileg zu haben einzutreten oder eben davon ausgeschlossen zu werden.

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Dabei erfolgt der Ausschluss ohne sachlichen Grund, wo es doch die Möglichkeit zum Testen gibt. Warum ist ein negativ Getesteter, also ein nachgewiesen Gesunder gefährlicher als ein nicht getesteter Geimpfter, wo doch inzwischen belegt ist, dass Geimpfte infektiös sein können? Und warum bekommt ein gefühlt gesunder Mensch noch nicht einmal mehr die Chance, seine Gesundheit und damit Nicht-Gefährlichkeit für andere nachzuweisen, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben?

Das Bändchen-Modell ist auch nicht gleichzusetzen mit All-inclusive-Urlauben, bei denen man sich an der Hotelbar mit einem Bändchen ausweist, um „kostenlose“ Cocktails zu bekommen, für die man vorher pauschal bezahlt hat. Denn hier geht es nicht um den Erwerb eines Privilegs durch Zahlung eines Geldpreises, sondern, wenn man so will, um ein biologisches Merkmal, das darüber entscheidet, ob man Zutritt bekommt oder eben nicht. Es geht darum, ob man genügend Antikörper hat, um immun zu sein — entweder nach überstandener Krankheit oder nach einem gespritzten Stoff. Der Eintritts-Preis ist in dem Fall ein Eingriff in die Funktionen des Körpers, ins Immunsystem, der wie inzwischen bekannt mit schweren Nebenwirkungen einhergehen kann.

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Das Bändchen hat neben der diskriminierenden eine stigmatisierende Wirkung. Neben der Ausgrenzung kommt nun also eine für alle sofort sichtbare Kennzeichnung hinzu, wo doch eigentlich bisher der persönliche Impf- oder Gesundheitsstatus Privatsache war und niemanden etwas anging. Mit gesundheitsbezogenen Daten ist man stets sensibel und sorgsam umgegangen – zurecht. Aber das war vor Corona. Inzwischen scheint immer mehr erlaubt, wenn es um das vermeintliche Ziel geht, die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Oder etwa doch nicht? Dem Einzelhandel in Bayern wird nun ein Strich durch die Rechnung gemacht. br24 meldet, dass „2G-Bändchen“ im bayerischen Einzelhandel nicht erlaubt seien. Das schreibe der Handelsverband Bayern auf seiner Homepage und berufe sich dabei auf ein Schreiben des Bayerischen Gesundheitsministeriums. Das Ministerium habe das Vorhaben in Bayern gestoppt.

Das beim Lesen dieser Schlagzeile möglicherweise aufflackernde Flämmchen von Hoffnung, dass die Vernunft und der Sinn für Gerechtigkeit, dass sich die Rechtsstaatlichkeit doch noch durchsetzen wird, wird allerdings im Keim erstickt, wenn man die Begründung liest: Das „Bändchenmodell“ sei nicht mit der geltenden Rechtslage in Einklang zu bringen. Laut br24 heißt es in dem Schreiben des Ministeriums an die Kreisverwaltungsbehörden, das Bändchen entspreche nicht der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die besage, dass bei jeder Einrichtung, für die die 2G-Reglung gelte, diese auch kontrolliert werden muss. Beim Bändchenmodell würde nur das Vorhandensein eines Bändchens kontrolliert, nicht jedoch Impfstatus und Identität. Und weiter: Anhand eines Bändchens darauf zu vertrauen, dass die Kontrolle des Impfnachweises und der Identität bereits an anderer Stelle erfolgt seien, könne nicht als ausreichend erachtet werden. Zudem seien die Bändchen nicht „fälschungssicher“.

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Es sind also Sicherheitsbedenken, die das Ministerium dazu veranlassen, das Bändchenmodell zu stoppen. Man hat Bedenken wegen mangelnder Kontrollmöglichkeit und hat Sorge, dass sich ein nicht Berechtigter Zugang ins Geschäft verschaffen könnte. Aber man hat keine Bedenken, Menschen zu diskriminieren und zu kennzeichnen, sowie Menschen vom Einkauf für Weihnachten, dem Fest der Liebe, auszuschließen.

Dass es durchaus noch Menschen gibt, die Bedenken haben, ihre Mitmenschen auszuschließen, zeigen Inhaber von Geschäften und Restaurants, die ihr Ladenlokal geschlossen haben, weil sie bei der Ausgrenzung nicht mitmachen wollen. Auf Aushängen, die man vereinzelt findet, steht beispielsweise: „Wir möchten nicht ungeimpfte Kunden abweisen bzw. geimpfte Kunden bevorzugen. Daher schließen wir bis auf Weiteres unseren Laden für den Publikumsverkehr.“ Das Klopfen an die Ladentüre, die telefonische oder Online-Bestellung bleiben weiterhin möglich; die Ware wird dann geliefert oder kann abgeholt werden. Ein anderer Ladenbesitzer schreibt: „Liebe ungeimpfte Mitmenschen, bitte klopft einfach und ich schleppe euch alles raus, was Ihr Euch gerne anschauen möchtet.“

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