Der Text, den die künftigen Ampel-Koalitionäre zusammengeschustert haben, ist schon sprachlich das reine Grauen. Allein das Kapitel über „Kultur- und Medienpolitik“ ist für halbwegs gebildete Menschen kaum lesbar.
Für wen ist diese Fleißarbeit von 178 Seiten namens Koalitionsvertrag eigentlich gedacht? Für Juristen, Verwaltungsangestellte und blutleere Bürokraten, die Verlautbarungssprache gewohnt sein dürften? Ganz sicher nicht für den lebendigen oder gar „kreativen“ Bürger.
Allein das Kapitel über „Kultur- und Medienpolitik“ richtet sich vielleicht an GleichstellungsbeauftragtInnen und Diversity-Lobbyisten, aber nicht an halbwegs gebildete Menschen, die von Kultur mehr verstehen als in den Beutel passt.
„Wir stehen für eine diskriminierungsfreie Kultur- und Medienpolitik“, heißt es da etwa, und: „Wir wollen Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern und treten für Barrierefreiheit, Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit ein.“
Und was um Himmelswillen ist unter „Barrierefreiheit“ zu verstehen? Soll es nur noch Bücher geben, die Analphabeten nicht überfordern? Und müssen alle Bilder in den Museen und Galerien abgehängt werden, die komplizierter sind als Höhlenmalereien? Geschlechtergerechte Filme und Theateraufführungen? Nachhaltige deutsche Schlager – fremdsprachige Popmusik wäre ja nicht barrierefrei?
Oder verstehe ich diesen Slang einfach nicht, so als alte weiße Frau?
Ich weiß nicht, was es mit Kultur zu tun hat, wenn Jurys und Gremien künftig paritätisch und divers besetzt sein sollen. Bislang haben uns ausgerechnet unsere Politiker nicht gerade bewiesen, dass uns dadurch ein Qualitätsgewinn entsteht. Ich verstehe nicht, was „hybrid beschäftigte Kreative“ sein sollen und was „Green Culture“ aka „ökologische Transformation“ mit Kultur zu tun hat – es sei denn, die Autoren haben dabei an Voltaire gedacht, dessen Candide am Schluss seines Schmerzenswegs resigniert „Il faut cultiver son jardin“ sagt – man müsse sich angesichts des Elends der Welt auf die Pflege seines Gartens zurückziehen. Doch so viel Bildung hat niemand, der ein derart uninspiriertes Deutsch schreibt.
Denn es wird nicht besser. Immerhin: Bibliotheken sollen auch sonntags öffnen dürfen und Kulturorte wie „Clubs und Livemusikstätten“ möchte man beim Schallschutz unterstützen – und bei der Nachhaltigkeit, was immer darunter in diesem Zusammenhang verstanden werden soll. Ich vermute mal: Worte wie „Nachhaltigkeit“ und „Barrierefreiheit“ wurden mit der Streubüchse über dieses Dokument irregeleiteten Gestaltungswillens geschüttet, damit sie oft genug vorkommen, auch da, wo sie nichts zu suchen haben.
„Wir fördern den Aufbau eines Datenraums Kultur, der sparten- und länderübergreifend Zugang zu Kultur ermöglicht.“ Aha. Wir treffen uns nicht im Darkroom, sondern im Datenraum, wo wir gemeinnützigen E-Sport treiben. In Coronazeiten besonders empfehlenswert.
Doch verlassen wir dieses Trümmerfeld und gehen gleich hinüber zum Satzbaukasten „Medien“. „Freie und unabhängige Medien sind in einer Demokratie unverzichtbar. Dazu gehören private und öffentlich-rechtliche Medien. Sie sichern Pluralität und Vielfalt und müssen barrierefrei sein.“ Stufenlos und ebenerdig? Oder frei verfügbar, also in der digitalen Welt ohne Zahlschranke? Ach, wenn man’s nur wüsste.
Deutlich ist immerhin der Passus: „Wir bekämpfen Hassrede und Desinformation.“ Wenn Staat und Regierung darüber bestimmen sollen, wann es sich um „Hassrede und Desinformation“ handelt, nennt man das gemeinhin Zensur. Und die wäre im strikten Sinne besonders nachhaltig.
Allzu offen, frei und vielfältig soll Kultur eben doch nicht sein. Widerspenstig schon gar nicht, denn: „Die internationale Kulturpolitik ist die Dritte Säule unserer Außenpolitik, sie verbindet Gesellschaften, Kulturen und Menschen und ist unser Angebot für eine Werte- und Verantwortungsgemeinschaft in Europa und weltweit.“
Darunter machen sie es nicht, liebe Kulturschaffende! Zieht euch also schon einmal warm an, bevor ihr der Verantwortungsgemeinschaft beitretet, egal ob auf Plattdeutsch oder – ja, das steht da auch: im Plattenladen.
Da findet sich womöglich auch noch eine Antiquität aus dem Jahre 1971: „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Ton, Steine, Scherben: „Radios laufen, Platten laufen, Filme laufen, TV’s laufen, Autos kaufen, Häuser kaufen, Möbel kaufen, Eisen kaufen. Wofür?“
Wofür? Dafür, dass Claudia Roth, die einstige Managerin dieser Musikkapelle die künftige Kulturoberste wird. Das wurde vor 50 Jahren so geplant.
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Ich bin zwar gerade nicht aktiv, aber immer noch Musiker.
Und als Musiker lasse ich mir von keinem dahergelaufenen Staatsapparat erzählen, welche Musik ich machen und welche Texte ich dazu schreiben darf.
Was irgendwer als „Hatespeech“ fehlinterpretieren will oder wer meint, ich müsse mit irgendwem zusammenspielen, um irgendeine verdammte Quote zu erfüllen, interessiert mich nicht.
Das alles hatten wir in der DDR.
Im Deutschland von heute hat das keinen Platz. Gar keinen.
Liebe Frau Stephan,
ihre Artikel liebe ich. Auch dieser ist wieder brillant.
Die spannende kulturelle Vielfältigkeit ist mit dem Sargnagel namens Roth wohl passè. Tristesse durch Wokeness und moralindurchtränkte politische Korrektheit drohen. Regimekonforme, aalglatte und überaus biegsame Akteure werden die Szene in den kommenden Jahren, schlimmstenfalls Jahrzehnten bestimmen. Mir macht das einfach nur Angst.
Das kulturelle wie auch das wirklich wahre L e b e n werden sich mehr und mehr im Untergrund abspielen. Auch das hatten wir schon…
„Wokeness“ — die sektenartige „Achtsamkeit“ von geltungssüchtigen Minderheitsterroristen — wird uns schon bald „achtsam“ an die Kandare nehmen …
Fr. Roth als Staatsministerin. Eigentlich ist allein das ziemlich genug, um diese Regierung zu bewerten
Wenn der Staat sich in die Kultur einmischt….
Das hatten wir in den lezten 100 Jahren schon zweimal.
Muß man nicht ganz lesen, diesen Passus des Koalitionsvertrages. Es geht um Propaganda, Umerziehung und Deutungshoheit. Das sehe und lese ich auch ohne Frau Roth zwangsweise jeden Tag.
Fiel auch meiner Frau gestern auf: zur besten Sendezeit Queeres statt Entspannendes. Ein Hoch auf die Konserve…
Mit »barrierefreien Daten« ist sicher ein spezielles Datenformat gemeint, in der Publikationen vorliegen (können). Das ist zur Zeit eher Insiderwissen. Liegt z.B. eine Broschüre oder ein Heft oder Buch als PDF im Format PDF/UA vor, kann diese Datei auf speziellen Lesegeräten für z.B. Sehbehinderte »auf Knopfdruck« vorgelesen werden, oder Abschnitte daraus können Stück für Stück stark vergrößert oder in einem übersichtlichen Layout dargestellt werden. Das ist eigentlich eine sehr schöne Sache, die von der Fa. Adobe entwickelt wurde. Es gibt inzwischen einige öffentliche Stellen, z.B. Ministerien, die ihre Publikationen standardmäßig als PDF/UA online stellen (»barrierefrei«). ABER was den GRÜNEN hier… Mehr
Habe einmal (zufällig) erlebt, wie Frau Roth zwecks Wahlkampf auf dem Münchner Marienplatz „einmarschiert“ ist – die hat ihre Klatscher und Jubler gleich selbst mitgebracht: Ein Schwarm Migranten, denen zuvor von irgend einer NGO Schilder in die Hand gedrückt wurden. Die meisten haben sie wahrscheinlich gar nicht verstanden, denn die wenigsten – das stellte sich schnell heraus – waren der deutschen Sprache mächtig.
Ich stelle mir das an ihrem neuen Arbeitsplatz ehrlich gesagt nicht viel anders vor. Und wetten, Sie tritt demnächst auch mal mit Kopftuch auf?
Ich hoffe, die Moderation verzeiht mir das: Im Kontext der Entwicklung der letzten Jahre erinnert mich das (als ‚Wessi‘) ziemlich an Margot Honecker als ‚Ministerin für Volksbildung‘ bis 1989. Was ‚Kultur‘ und ‚Bildung‘ anging, musste alles von Frau Honecker vorgefiltert werden – und nur, was SIE als entsprechendes Gut angesehen hat, kam dann vor die Augen und in die Ohren der Menschen. Irgendwie werde ich den ziemlich bedrohlichen Gedanken nicht los, dass sich dieses System über 30 Jahre später nun gesamtdeutsch manifestieren will/wird. Aber vielleicht bin ich auch nur ein bisschen paranoid. Ich hoffe es, denn DAGEGEN gibt es Psychopharmaka.… Mehr
Wenn Sie, liebe Cora Stephan, in einer der sozialdemokratischen Metropolen, sagen wir Hamburg oder Bremen, leben würden, dann könnten sie den Slang besser verstehen, weil er hier zum Alltag gehört. „Teilhabe“ ist das Lieblingswort von Olaf Scholz. Klar, wahrscheinlich hatte er als „Kind einfacher Leute“ zuwenig davon. „Inklusion“ und „Barrierefreiheit“ sind auf Platz zwei und drei zu finden. Das sind die Worthülsen mit denen hier täglich um sich geworfen wird. Und dem sich die ehemals freien Bürgergesellschaften inzwischen total angepasst haben. Das ist das Erstaunliche, wie schnell das geht. Und klar, Kultur ist für Sozialisten schon immer ein Mittel zum… Mehr