Divers, emanzipiert und kulturell sensibel. So möchten die öffentlich-rechtlichen Sender sein. In diesem Sinne wollen sie die Gebührenzahler erziehen. Doch ausgerechnet ZDF neo ist die Heimat der politischen Unkorrektheit im Fernsehen. Das reicht bis zur Verherrlichung von Kriminalität.
Ein Manager betrügt seine Gattin. Um bei einer Scheidung billig davonzukommen, heuert er zwei Detektive an. Die sollen seiner Frau eine Affäre unterschieben. Doch am Ende kommt es zu einem Happyend: Die Gattin kann den untreuen und betrügerischen Mann wieder für sich gewinnen und halten – ihre Ehe ist gerettet. Diese Parabel aus den Tagen der Unterwürfigkeit der Frau erzählt der Film „Die Supernasen“, der am Tag der Deutschen Einheit auf ZDF neo zu sehen war.
Nun könnte man sagen, dass es die Wiederholung eines Uralt-Films war – doch im Fall von ZDF neo ist die Wiederholung von Überholtem der Normalfall. Die Wochentage füllt der Spartensender mit Wiederholungen in Endlosschleife: „Bares für Rares“, „Psych“ oder „Monk“. Letzteres ist eine 20 Jahre alte Serie über einen ehemaligen Polizisten, der wegen seiner psychischen Krankheiten vom Dienst suspendiert wurde, aber mit Spezialfähigkeiten die Polizei berät, die sich aus den Krankheiten ergeben.
Am Ende fällt Monk durch, wird nicht Polizist, aber bleibt Berater. Das Ende bedient das Interesse der Serienmacher: Der Status quo wird erhalten, die Hauptfigur bleibt Berater und ein Objekt, aus dessen Schwächen sich Stoff für weitere Witze ziehen lässt. Wie es der Figur dabei geht? Was sich aus der Situation lernen lässt? Egal. Es gibt weitere Folgen mit Detektiv-Zauberei und Scherzen über psychische Erkrankungen. Das ZDF scheint davon begeistert zu sein. Denn auf ZDF neo laufen jeden Mittag zwei Folgen und nachmittags auch, und donnerstags kommen dann noch zwei Folgen im Hauptprogramm. Die Identifikation mit der Uralt-Serie geht mittlerweile so weit, dass die Hauptfigur in Imagespots des Senders zu sehen ist.
An Feiertagen wird ZDF neo noch reaktionärer: In Kanada fühlte sich der Ministerpräsident dazu gezwungen, sich für seine Kindheit zu entschuldigen – in der er sich als Indianer verkleidete. In „Ein Goldfisch an der Leine“ tritt ein Betrüger als Indianer „John S Eagle“ auf – weil sich in dieser Identität seine betrügerischen Machenschaften erfolgreicher praktizieren lassen. So die Logik des Films. Der war auf ZDF neo im Adventsprogramm zu sehen.
Der Advent ist ohnehin die Hochzeit der Reaktion auf ZDF neo. Dann packt der Sender seinen größten Unterhaltungserfolg wieder aus: die Schwarzwaldklinik. Auch dieses Jahr. Am 21. November beginnt dort um 17.20 Uhr wieder die Geschichte um Professor Klaus Brinkmann und Krankenschwester Christa. Wie diese Geschichte endet, steht fest. Auch dieses Jahr: Christa heiratet Klaus, sie bekommen ein Kind, und Christa macht auf dem zweiten Bildungsweg Karriere als Ärztin.
Doch dann sagt ein Kinderarzt Christa, dass ihr berufliches Streben ihr Kleinkind krank mache. Gesund könne es nur werden, wenn sie sich auf ihre Rolle als Hausfrau besinnt. Erntet er damit Protest? Verweist Christa auf ihr Recht, Karriere zu machen und sich selbst zu verwirklichen? Nicht im Programm von ZDF neo. Dort lässt sich eine Frau noch von einem Mann sagen, dass ihr Ehrgeiz ihr Kind krank mache und zieht die einzig richtige Konsequenz: Sie kündigt und wird Hausfrau.
Eine Botschaft, die auf ZDF neo Standard ist. Zu den immer gleichen Serien, die der Spartensender im Advent abnudelt, gehört auch „Ich heirate eine Familie“. Dort gelingt Angie in der letzten Staffel eine Karriere als Modeberaterin. In diesem Fall macht ihr beruflicher Ehrgeiz nicht ihr Kind krank – sondern ihren Ehemann. Doch der übersteht einen riskanten Eingriff und gibt Angie somit die Gelegenheit, zu bereuen und sich zu bessern. Auch sie kündigt den spannenden und ertragreichen Job und wird wieder Hausfrau.
Geht es dem ZDF darum, sich mit dem Spartensender neo eine Plattform für reaktionäres und kriminelles Gedankengut zu erhalten? Wohl kaum. Eine Plattform wie ZDF neo nimmt anderen Sendern aber schlicht Plätze weg, belegt Lizenzen und erschwert so privaten Anbietern den Aufstieg. Mit was das Programm dann gefüllt wird, ist offensichtlich egal: Serien mit uralten Rollenbildern, Filme mit Scherzen über die vermeintlich kriminelle Ader von Indianern oder Filme, in denen Erwachsene Minderjährige sexuell ausbeuten? Egal, Hauptsache es frisst Sendezeit auf. Zur Not auch, indem man Behinderte vorführt. Täglich. Mehrfach.
Im Schatten des Spartensenders konserviert das ZDF ein Weltbild, gegen das sein eigenes Personal so nachhaltig rebelliert – und der Sender lässt es aus strategischen Gründen zu.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Der Autor hat sich die falschen Neo-Serien angeschaut-die alten ZDF Klamotten sind doch o.k.. Schauen sie sich die neuen Serien auf NEO an. Da geht ihnen der Hut hoch. Die absolute diverse …Scheisse…..aus allen Ländern. Wollen sie übers Klima und die neue Welt belehrt werden ? Dann schauen sie arte und 3sat an. Da werden sie zu einem neuen bunten diversen Menschen.
Mit der Schwarzwaldklinik u. ä. wurde ich schon als Kind zum Abendbrot gequält, aber die Supernasen-Filme inklusive Radio Power Play sind Kultklassiker des deutschen Humors. Vielmehr: des Nonsense-Humors der 80er-Jahre, der sich auch in zahlreichen musikalischen Klassikern der Neuen Deutschen Welle ausdrückt. Da sollte man nicht drüber nachdenken, geschweige denn die heutige politkorrekte Schablone darüberlegen, sondern sich vielmehr daran erinnern, dass es einmal ein Deutschland gab, in dem politinkorrekter Humor nicht nur geduldet, sondern hoch im Kurs war.
Um zu sehen WIE gotterbärmlich schlecht deutsche Krimis (mit einer Ausnahmeserie :^) sind, sehen Sie sich bitte mal ein paar Folgen englischer Krimiserien an, z.B. Father Brown, Lewis, Der junge Inspector Morse, Inspector Barnaby, Poirot, Marple.
Schade, dass Schimanski (ARD Tatort-Kommissar in den 1980ern) nicht in einer Dauerschleife läuft. Keine Angst, wird auch nicht passieren, da Schimmi als grün:_*Innengefährdend auf dem Index stehen dürfte. Damals war er unser Vorbild, da wollten wir so rüpelhaft respektlos junggesellenverwahrlost sein wie er. Kreative Umschreibungen von Mitmenschen (ja, gerade auch von Minderheiten) gehörten zur Alltagssprache. Niemand hat sich darüber aufgeregt oder es als Rassismus empfunden. Die Italiener waren halt die „Spaghettifresser“, die Türken die „Kameltreiber“, Plastiktüten hießen „Türkenkoffer“, usw. usf. Linda Zervakis bekennt sich heute noch offen dazu, als „Tzatziki“ bekannt gewesen zu sein.
„Welche Krankheiten Monk tatsächlich hat, wird nicht definiert.“
Er hat diverse Zwangsneurosen.
Bitte, gern geschehen.
Ich habe diese Wiederaufführung der „Schwarzwaldklinik“ als binge-TV-Angebot für Rentner seinerzeit eher als Umsetzung der Buhrowschen Androhung der Qualitätsminderung des Programms wegen verweigerter Gebührenerhöhung gedeutet.
Die Schwarzwaldklinik, Ich heirate eine Familie und ein Goldfisch an der Leine sind mir ein Begriff und zwar noch aus der Zeit als das gezeigte Familienleben in den beiden Serien noch die Regel war. Das ist fuer mich immer noch eine Welt die realistischer und näher am Menschen war als die heute propagierte. Ich sehe mir diese Serien zwar nicht immer wieder an, bin aber trotzdem dafür dass ZDF Neo diese Serien gerne auch in Endlosschleife bringt. Damit diese damalige Lebenweise nicht in Vergessenheit gerät. Und es ist mir eigentlich auch egal dass das ZDF sonst völlig gegenteilige Lebensweisen bevorzugt,… Mehr
Das „neo“ im Namen des Senders, das eigentlich für etwas neues, junges steht, passt hier ja schon mal gar nicht, wenn dort Uraltfilme und -serien laufen. Es müsste dann eher z.B. „ZDF classics“ , „ZDF gold“ oder „ZDF nostalgie“ heißen.
sowas ist Ettiketten-Schwindel.
Lieber Neo als nur ZDF! Wir sollten froh sein das das ZDF wenigstens mit seinem Ableger noch einigermaßen bei Vernunft ist.
Schade, dass man die TE-Artikel nicht direkt mit erhobenem – oder in diesem Falle gesenktem – Daumen beurteilen kann, sondern immer textlich kommentieren muss
Was soll denn das Gejammer über ‚veraltete Rollenbilder‘??? Hätten Sie denn dort lieber einmal mehr die gleiche Sauce wie in allen anderen ÖRR-Programmen? Gibt es bei Publikationen nicht so etwas wie „Tendenzschutz“? Wenn Sie ach so fortschrittlich denken, suchen Sie sich doch besser eine andere Plattform.