Der Zoll macht jetzt ernst: Die Mindestlohn-Jagd auf Unternehmen beginnt. Szenen aus Oberbayern: Uniformierte und bewaffnete Zöllner stürmen die Backtheke vom Bäcker Kotter im Netto-Markt in Siegsdorf, einem Dorf, wo die Wiesen fett, der Himmel weiß-blau und die Arbeitslosigkeit fast null ist.
Ein Uniformierter besetzt die Besenkammer, weil er dort ein Versteck vermutet. Die Truppe verhört Verkäuferin Sabine Mayer: Wie viel sie brutto und netto verdient, ob sie Hartz-IV-Leistungen bezieht, wie viel Kindergeld. Und das vor allen Kunden in der Warteschlange. Jetzt weiß Siegsdorf, was bei Mayers daheim los ist.
Kurze Zeit später: Fachverkäuferin Renate Hartl wird im Urlaubsort Übersee am Chiemsee von uniformierten und bewaffneten Zöllnern an der Bäckerei-Theke vor allen Kunden und Bekannten verhört. Sie bittet die Beamten, ein paar Minuten im Café zu warten. Nichts da. Der Zoll hat keine Zeit. „Massiv bedroht und eingeschüchtert“ fühlt sie sich.
Vorher schon hatte der Zoll die Backstube nachts um 0.30 Uhr umzingelt und besetzt, will die Produktion abbrechen – ein Riesenschaden droht. Nur mühsam lassen sie sich davon abbringen. Bäckermeister Gerald Kotter ist außer sich: „Meine Mitarbeiter werden wie Schwerverbrecher behandelt und in aller Öffentlichkeit bloßgestellt.“ Gefunden wird: nichts. Kotter zahlt deutlich über Mindestlohn.
Schockiert sagt Peter Ramsauer (61, CSU), Wirtschaftssprecher des Bundestags: „Hier werden Handwerker, Unternehmer und ihre Mitarbeiter kriminalisiert. Das muss geändert werden.“
Aber es geht nicht nur um das Bürokratiemonster Mindestlohn: Bislang hat sich der Staat aus Löhnen und Gehältern herausgehalten. Wer sich um seinen Lohn geprellt fühlte, wandte sich an Betriebsräte, Gewerkschaften, Arbeitsgerichte. Jetzt sind die auf Verbrecherjagd geschulten Zoll-Beamten die neue Lohnpolizei. Die notwendigen Kontrollen des Mindestlohns müssen von der Bundesregierung als Begründung herhalten. Aber bislang wird auch kein anderer Lohn staatlich kontrolliert – das ist schlicht und einfach die Sache von Arbeitsgerichten. Einen Grund für eine staatliche Lohnpolizei gibt es nicht. Wer schlechter bezahlt wird als das Mindestlohngesetz vorschreibt, kann 3 Jahre rückwirkend auf Nachzahlung klagen. Dem Arbeitgeber droht dann Nachzahlung, auch der Sozialleistung und eine saftige Strafe – bis 500.000 €. Es ist also nicht so, dass Mindestlöhne „schutzlos“ da stehen – eher muss man sie vor dem Zoll schützen.
Aber es geht weiter. Wegen der Frauenquote müssen 3600 größere Unternehmen Pläne erstellen und Rechenschaft abliefern, wie erfolgreich sie Frauen befördern. Familienministerin Manuela Schwesig (40, SPD) greift damit in die Personalplanung der Unternehmen massiv ein. Und sie will noch mehr: Jeder soll wissen, was die anderen verdienen. Mit der gläsernen Lohntüte soll die Schlechterbezahlung von Frauen bekämpft werden.
Klingt gut, ist aber nur vorgetäuscht: Unternehmen müssen bald jeden Lohnunterschied mühsam erklären. Lohnunterschiede entstehen, weil unterschiedlich verhandelt wird. Wenn Arbeitskräfte knapp sind, kann jeder Arbeitnehmer mehr rausholen. Leistung soll sich lohnen – auch am Arbeitsplatz.
Formal gleiche Qualifikationen rechtfertigen noch keinen Einheitslohn. Auch wer das Risiko eingeht, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen, dafür umzieht – kann ein höheres Gehalt erzielen. Das alles sind Gründe, warum die Löhne den Staat und seine Vision der ganz großen Gleichheit nichts angehen. Lohnunterschiede nur auf angebliche Benachteiligung zurückzuführen und sie deshalb nivellieren zu wollen geht an der Lebenswirklichkeit vorbei.
Aus gutem Grund war mein Gehalt bisher Privatsache. Wieso muss es jetzt öffentlich werden? Das wird Neid, Missgunst und Misstrauen in der Belegschaft provozieren. Es ist noch mehr Bürokratie-Wahnsinn, aber vor allem: Der Staat erobert die Personalabteilungen, wo er Löhne und Beförderungen prüft – im Zweifelsfall schickt er die Zöllner mit der Knarre. Und auch die Frauenquote ist ja nur der Einstieg. Machen wir doch weiter – mit der Migrantenquote, der Quote nach Hautfarbe, nach sexuellen Vorlieben, nach Ost und West und Links und Rechts.
Dabei waren deutsche Unternehmer und Gewerkschaften bisher stolz auf Tarifautonomie, Eigenverantwortung, Leistungslöhne. Jetzt machen die linken SPD-Ministerinnen Andrea Nahles und Manuela Schwesig die Betriebe zur politischen Kampfzone. Mindestlohn, Frauenquote und Entgeltgleichheit sind nur der gern genommene Anlass, um in die bisherige Tariffreiheit einzugreifen. Letztlich werden die Fehler des Öffentlichen Dienstes auf die Privatwirtschaft übertragen – da weiß auch jeder, wer wieviel verdient. Es ist alles in den Besoldungstabellen festgehalten.
Das mag für den Staat ja richtig sein – aber nicht für die Wirtschaft, die an Leistung und nicht Anwesenheit orientiert ist. Mit einer Staatslohntabelle für jedes Unternehmen und der neuen Lohnpolizei jedenfalls wird diese Wirtschaft nicht vorwärts kommen – die Ineffizienz des Öffentlichen Dienstes liegt ja nicht an den Mitarbeitern, sondern an den archaischen Strukturen, Hierarchien und vormodernen Methoden der Mitarbeiterführung. Die Reform des öffentlichen Dienstes scheitert seit Jahrzehnten. Und jetzt soll er Vorbild sein für die private Wirtschaft?
Und die CDU? Stimmt bei allem zu. Manchmal frage ich mich, wie viel Union noch in der Großen Koalition ist. Zugegeben, dies ist eine suggestive Frage. Die Antwort kennt man ja. Die einen haben die Wahl gewonnen, die anderen die Koalitionsverhandlungen.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag für Bild am Sonntag, der am 8.3. 2015 erschienen ist, Online auf Bild.de
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