Im Land der maroden Brücken

Das Debakel der Salzbachtalbrücke, die seit zwei Monaten gesperrt bleiben muss, ist nur der bekannteste Fall der zerbröckelnden deutschen Verkehrsinfrastruktur. Mit »bedingt tragfähig« beschreibt der Chef der Autobahn GmBH den Zustand der Brücken in Deutschland.

IMAGO / Jochen Tack

Rund zehn Prozent aller Straßenbrücken sind marode. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung über den Zustand der Brücken in Deutschland. »Wir machen uns große Sorgen um die Autobahnbrücken in Deutschland«, zitiert die WamS Stephan Krenz, den Leiter der Autobahn GmbH, die seit Jahresbeginn für Instandhaltung, Bau und Betrieb der Autobahnen verantwortlich ist. Krenz weiter: »Rund 3000 Brücken weisen einen nicht ausreichenden und ungenügenden Zustand auf.«

Mit »bedingt tragfähig« beschreibt er den Zustand der Brücken in Deutschland. Krenz betont: »Die Salzbachtalbrücke ist die Spitze des Eisbergs.« Das ist jene Brücke in Wiesbaden, die vor zwei Monaten sofort gesperrt werden musste, nachdem Betonteile herunterfielen, tiefe Risse zu sehen waren und sich die Fahrbahn senkte. Offenbar ist ein Brückenlager gebrochen, die Fahrbahn abgesackt, ein Pfeiler in Schräglage geraten. Damit ist eine zentrale Autobahnbrücke in Hessen gesperrt, über die mit der Autobahn A 66 die wichtigste Verbindung von Frankfurt nach Wiesbaden und weiter in den Rheingau führt.

"Bedingt tragfähig"
Darunter verlaufen neben einer Bundesstraße auch die Eisenbahngleise zum Wiesbadener Hauptbahnhof. Nun gilt die Sperrung auch für die Bahn. Das bedeutet: Der Hauptbahnhof kann von keinem Zug mehr angefahren werden. Lediglich über eine Nebenbahnstrecke können ein paar Regionalzüge fahren. Ansonsten ist die hessische Landeshauptstadt eisenbahnmäßig abgehängt! Wohlgemerkt: In jene hessische Landeshauptstadt, in der die mitregierenden Grünen eifrig Pläne schmieden, mit denen sie die Menschen auf die Bahn zwingen wollen, kann kein Zug einfahren. Bahnhof leer, kein Zug, kein Mensch. Nichts mehr.

Dieser Zustand wird auch noch ziemlich lange anhalten, denn noch immer brüten Fachleute darüber, wie die akut einsturzgefährdete Brücke am besten abzureißen ist. Sprengen ist nicht einfach, sollen nicht die darunterliegenden Gleise mit Oberleitungen und Signalanlagen zertrümmert werden. Vielleicht soll Mitte Oktober gesprengt werden. Doch zuerst muss ein Gutachten die genauen Schäden untersuchen, denn mit der Sprengung fällt schließlich auch das »Beweismittel« weg.

Das Brückendesaster rund um Wiesbaden ist typisch. Am 10. Februar 2015 musste die Schiersteiner Brücke, die Wiesbaden und Mainz über den Rhein verbinden, schnellstens gesperrt werden, nachdem sich ein Pfeiler geneigt hatte und sich die Fahrbahn absenkte.

In beiden Fällen hatten übrigens Ingenieure ausgerechnet, wie lange die Brücken es noch tun und wann sie einstürzen werden. Sie lagen ziemlich richtig. Die Autofahrer merkten immer deutlicher den miserabler werdenden Zustand der Fahrbahn, dann Geschwindigkeitsbegrenzungen, um das Bauwerk vor zu heftigen Schwingungen zu schützen, dann jetzt die Vollsperrung. Doch nichts geschah.

Krenz verspricht gegenüber der WamS: »Wir machen jetzt noch einmal Inventur, und ich mache das Thema Brücken zur Chefsache.« Er will nicht einmal eine Garantie dafür geben, dass in Deutschland nicht Ähnliches wie in Genua passieren kann, als eine Autobahnbrücke spektakulär einstürzte. 43 Menschen starben, als sie in ihren Autos in die Tiefe fielen. Immerhin: Innerhalb von zwei Jahren stand eine neue Brücke.

Krenz fordert mehr Geld für die Sanierung. Die zur Verfügung stehende eine Milliarde Euro pro Jahr sei zu wenig. Dem grünen Verkehrspolitiker Oliver Krischer bleibt es vorbehalten, auf die zu geringe Anzahl von Baufirmen hinzuweisen, die in der Lage sind, Brücken zu bauen. Dabei handelt es sich immerhin um die Königsdisziplin der Bauingenieure. Eine Brücke baut man nicht mal eben so. Alles kein neues Thema, seitdem die Rheinbrücken im Ruhrgebiet eingeschränkt oder gar für Lastwagen gesperrt werden mussten.

Gerade wurde mit einer umfangreichen Belastungsprobe die Brücke auf der A 43 über die Emscher zwischen Recklinghausen-Hochlarmark und dem Kreuz Herne getestet. Ergebnis: Das Bauwerk biegt sich mehrere Zentimeter durch, ist marode und nicht mehr ausreichend tragfähig. Das hat nun massive Folgen für den Verkehr auf der viel genutzten NRW-Autobahn. Ab November soll eine neue Schrankenanlage Lkw vom Passieren abhalten. Kosten der Schrankenanlage allein: zehn Millionen Euro. Immerhin war die Erneuerung der Brücke beim Ausbau der A 43 geplant. Die wird nun vorgezogen.

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Kommentare ( 60 )

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jopa
3 Jahre her

Denkt nicht, daß diese Zustände erst mit Mutti begonnen haben. Dazu ein anderer Ort mit Brücken. Den Ablauf bei einer will ich kurz beschreiben. Es handelt sich bei der Stadt um Hamm (Westf.). Die Brücke lag im Verlauf der Fährstr. und querte Lippe und Kanal. Gebaut wurde sie einspurig in den 1920ern. In den 70ern wurde sie zum Nadelöhr mit entsprenden Staus auf beiden Seiten Die Reaktion der Politik kam alle 4 Jahre vor den Wahlen: Liebe Wähler wird haben das Problem erkannt, wir planen schon eine neue Straße und wir fangen bald an. Auf diese Art sind mindestens 5… Mehr

Roland Mueller
3 Jahre her

Die seit weit über 20 Jahre baufällige Seufzerbrücke über dem Main bei Marktheidenfeld ist ein veritabler Kandidat für einen Einsturz wie in Genua. Der Herr Krenz beschreibt übrigens nur den maroden Zustand von Autobahnbrücken. Ich kann mir aber nicht vorstellen, das es bei Bundes-, Landes- und Kreisstrassen besser aussieht und über marode Eisenbahnbrücken hat schon der Herr Mehdorn gejammert.

Monika
3 Jahre her

Jeder kennt doch diese Einfamilienhäuschen, denen man schon auf den ersten Blick ansieht, daß sie von alten Leuten bewohnt werden. Das Dach könnte eigentlich langsam mal neu gemacht werden, die Fensterrahmen sind schon ausgebleicht, die Gartengestaltung wirkt altmodisch. Man merkt den Häusern an, daß die Bewohner sich denken, daß es sich für sie nicht mehr lohnt, da nochmal so richtig alles auf den neusten Stand zu bringen. Für ein paar Jahre reicht es noch. Wenn diese Bewohner dann weg sind, das Haus verkauft ist, dann hat es plötzlich ein neues Dach, moderne Fenster, oft eine ganz neue Optik. Den ersten… Mehr

Mausi
3 Jahre her

Das zeigt, dass D seit Jahrzehnten von der Substanz lebt. Was unsere Eltern oder Großeltern an Volksvermögen nach dem Krieg aufgebaut haben, wird benutzt, ohne Gedanken an die Finanzierung und Organisation für den irgendwann notwendigen Ersatz zu verschwenden. Eine funktionierende Energieversorgung wird gesprengt, Vermittlung von Wissen durch Schule und Uni… brauchen wir nicht. ÖR, der seine echten Aufgaben erfüllt, lassen wir verrotten unter der „Meinungsfreiheit“. Rechnen, wieviel Belastung unser offenes Sozialsystem verträgt, wozu denn. Stattdessen wird ein wohlstandschaffendes System in mehr oder minder kleinen, feinen, möglichst vertuschten Schritten durch Regulierung und damit Planwirtschaft ersetzt. Und jetzt kommt auch noch der… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Mausi
Lizzard04
3 Jahre her

Was ist eigentlich nicht marode in diesem Land, in dem wir alle angeblich „gut und gerne leben“, oder besser ausgedrückt, im besten Deutschland aller Zeiten, dass ja so reich ist, alle „Beladenen der Welt“ aufnehmen zu können und sogar das Weltklimas retten wird. Jedenfalls wenn es nach den Grünen geht (und alle anderen machen schön mit, außer Blau, natürlich). Wer noch halbwegs bei gesundem Menschenverstand ist, kann sich nur noch verzweifelt anwenden und diese Versager konsequent abwählen, anstatt sie im Herbst mit einem neuen Mandat auszustatten!

Mausi
3 Jahre her
Antworten an  Lizzard04

„Abwählen“ geht nicht. Wie soll das funktionieren? Denn alle Parteien von CDU/CSU bis hin zu Die Linken sind sich einig, dass sie für ein „Weiter so“ zusammenarbeiten werden.

Monika
3 Jahre her
Antworten an  Mausi

Das wäre erst noch zu beweisen. Angenommen, die AfD käme auf ca. 25%- unter den heutigen Verhältnissen wäre sie damit evtl. sogar die stärkste Partei-, dann müßten die anderen tatsächlich mehr oder weniger alle koalieren. Dies würde diesen Parteien allerdings alles abverlangen und sie endgültig ihren Markenkern kosten. Da die Verhältnisse in Deutschland aber nicht besser werden, kämen die CDU und die FDP wohl zumindest in Versuchung, endlich wieder auf ihre ursprünglichen Wähler zuzugehen und sich vom links-grünen Zeitgeist abzuwenden. Sollten diese Parteien der Merkel-Maxime weiter folgen, die da lautet, Deutschland möglichst EU-sturmreif herunterzuwirtschaften, dann könnte es auch nochmal neue… Mehr

Franz Grossmann
3 Jahre her

Wie bereits mehrfach erwähnt, war Merkel, wenn sie im September hoffentlich von der politischen Bildfläche verschwinden wird, der größte anzunehmende Unfall (GAU) für Deutschland. Anstatt Milliarden Euro im eigenen Land zu investieren, schenkt sie dieses Geld an die Südländer in Europa und zahlt freiwillig ohne Gegenleistung immer höhere Beiträge an die EU. Wenn im September noch die Grünen an der neuen Regierung beteiligt werden, dann ähnelt Deutschland nicht nur politisch sondern auch Infrastrukturmäßig relativ bald der ehemaligen DDR im Endstadium.

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  Franz Grossmann

Mit „Milliarden“ ist es nicht getan – Merkel hat „Billionen“ verschenkt. Und zwar mehrere. Mit ESM, Target-2 und Bankenrettung kommen schon mal drei zusammen. Von den Belastungen aus Migration und verkorkste „Energiewenden“ (Atom. EEG, Kohle) müsste ich mir erst mal Zahlen zusammensuchen …

AlexR
3 Jahre her

Die Liste, was nach dem Merkelregime in diesem Land nicht marode ist, dürfte sehr kurz und schnell aufgestellt sein.

Last edited 3 Jahre her by AlexR
Lotus
3 Jahre her

Nicht „Im Land der maroden Brücken“, sondern „Das marode Land“. Unfassbar, wie Merkel zum Ende ihres „Wirkens“ von vielen Medien gefeiert wird für den Scherbenhaufen, den sie auf fast allen Politikfeldern hinterlässt.

W aus der Diaspora
3 Jahre her

Das Geld floß ab 1990 in die Sanierung des Ostens …
Danach gab es einen Stop, denn man möchte schließlich die Bürger vom unnützen herumfahren abhalten.
Nun wurden seit 2015 Millionen „Fachkräfte“ eingeladen, in 5 Jahren wird man dann erschreckt feststellen, dass nicht ein einziger Brückenbauer darunter ist.
Aber dafür brauchn wir dann auch wenigr Ladesäulen und wenigr Strom. Denn Autos und auch Bahnen, die wegen gesperrter Strecken nicht fahren können brauchn keinen Strom …

jopa
3 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

Ruinen schaffen ohne Waffen. Das wäre eine wahre Wahlkampfparole.

AxBa
3 Jahre her

Wozu Brücken reparieren? Für Lastenfahrräder oder Pferdefuhrwerke halten die doch noch. Falls sie doch dann irgendwann auch damit nicht mehr befahrbar sind, geht´s halt ab durch´s Tal oder mit dem Kahn stromauf treidelnd. Schlafschafe machen das! Merken nichts, braucht man nicht denken-läuft!