Thüringen: Warum die CDU die SED-Regierung stützt

Die CDU in Thüringen trägt aus lauter Angst vor den Rechten dazu bei, die Linke an der Macht zu halten: Die einst versprochene Neuwahl bleibt aus, weil dafür Stimmen der AfD nötig wären. Womöglich ist die Motivation manch eines CDU-Abgeordneten aber auch ganz banal.

IMAGO / Karina Hessland
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die LINKE) und Fraktionsvorsitzender Dr. Mario Voigt (CDU) im Erfurter Landtag im November 2020

In Deutschland hat eines absolute Priorität: Der „Kampf gegen rechts“, was und wer auch immer damit gerade gebrandmarkt wird. Deshalb ist auch Konsens unter „den Demokraten“, wie sie sich selbstbewusst nennen, dass eine Partei ganz gewiss nicht dazugehört: die AfD. Sie gilt nicht nur als rechts, sondern als rechtsradikal, rechtsextrem, ja „faschistisch“, wie ein Linkspolitiker namens Knut Korschewsky sie nennt. Und die Partei „Die Linke“? Sie ist ja nunmal rechtsidentisch mit der SED, der Staatspartei der DDR, der „Mauerschützenpartei“. Falls sich noch jemand daran erinnert, das Ende des Einmauerungsstaates ist ja schon dreißig Jahre her. Alles lupenreine Demokraten? Oder womöglich doch auch ein wenig linksradikal bis linksextrem? Nun, „Die Linke“ ist ebenso wenig als verfassungsfeindlich verboten wie die AfD. Man muss schon auf dem linken Auge blind sein, um der einen ihre Vergangenheit zu verzeihen, aber der anderen die Legitimation abzusprechen. 

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Doch der „Kampf gegen rechts“ hat jüngst in Thüringen zu einer Art Houellebecqschem Moment geführt. Im womöglich prophetisch zu nennenden Roman „Unterwerfung“ entwirft Michel Houellebecq eine Zukunft, in der die bürgerlichen französischen Parteien aus Angst vor einem Wahlsieg der Partei von Marine Le Pen ein Bündnis mit dem charismatischen Muslim Mohamed Ben Abbes eingehen. Ben Abbes wird Staatspräsident, ändert die Verfassung und führt die Scharia, die Männerherrschaft und die Polygamie ein. 

Schon gut, die „Linke“ will ja nur ein paar Reiche nützlicher Arbeit zuführen, von Vielweiberei ist da nicht die Rede, aber der Mechanismus ähnelt sich: aus Angst vor den Rechten hält man die Linken an der Macht. So geschehen in Thüringen, unter Missachtung des Wählerwillens. 

Denn eigentlich war Rotrotgrün unter Bodo Ramelow von der „Linken“ 2019 bereits abgewählt, das Bündnis hatte die Wählermehrheit verloren. Der Ministerpräsident setzte sich im Februar 2020 in zwei Wahlgängen nicht durch. Im dritten Wahlgang wurde der FDP-Mann Thomas Kemmerich gewählt, was die in Südafrika weilende Kanzlerin veranlasste, „das muss rückgängig gemacht werden“ zu fordern. So geschah es. Ramelows Minderheitsregierung durfte weitermachen, die CDU schloss sich einem „Stabilitätspakt“ an, versprach „konstruktive Opposition“ und machte sich zur Mehrheitsbeschafferin der Linken. 

Immerhin: Im darauffolgenden Frühjahr sollte erneut das Wahlvolk befragt werden. Das entfiel, dank Corona. Dann eben im September, am Tag der Bundestagswahl. Dafür aber musste das Parlament beschließen, den Landtag aufzulösen. Dagegen sperrten sich auch Abgeordnete der CDU, womöglich wollten sie auf die Vorzüge des Abgeordnetenlebens nicht vorzeitig verzichten, was weiß man schon. Eine Mehrheit für den Auflösungsbeschluss fehlte damit, hätte also nur mit den Stimmen der AfD gefasst werden können. Auha. Mit den „Faschisten“, wie Kornewsky meint, der sich nicht in deren Hände begeben will? Niemals!

Sendung 15.07.2021
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Kurz: Es bleibt alles beim Alten. Mit Hilfe der CDU regiert also Rotrotgrün weiter, mit einer derart knappen Mehrheit, dass jedes Vorhaben der Regierung von der AfD zusammen mit der FDP zu Fall gebracht werden könnte. Was für ein irres Spiel.  Und im übrigen eine Verachtung der Wähler. Die AfD wurde bei der Landtagswahl am 27. Oktober 2019 mit immerhin 23,4 Prozent zweitstärkste Partei hinter der „Linken“, die CDU war mit 21.8 Prozent größter Verlierer mit ihrem schlechtesten Ergebnis seit 1990. Aber die wackeren Demokraten wollen eben, dass das Votum eines knappen Viertels der Wähler keine Rolle spielen darf. Weil sie, wie der „Ostbeauftragte“ der Bundesregierung jüngst insinuierte, irgendwie noch nicht in der Demokratie angekommen sind.

Stand etwa die Machtergreifung von Björn Höcke an? Nein. Doch die grüne Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling bringt es auf den Punkt: „Wenn der Landtag mit AfD-Stimmen aufgelöst worden wäre, dann hätte das Konsequenzen gehabt, die wir nur schwer einschätzen können. Die Auflösung eines Verfassungsorgans mit Hilfe der AfD und ihrer klar antidemokratischen Haltung ist höchst fragwürdig. Wir haben den Antrag zurückgezogen, auch um Chaos und Selbstzerstörung, die von der AfD anvisiert wurde, zu verhindern, aber es bleibt ein Dilemma.“

Aha. Ein Dilemma. Ein Dilemma, das bleibt. Denn die AfD macht jetzt, was sie machen muss, das können die Grünen stundenlang eine „Provokation“ nennen: Sie stellen den Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum. Gegen Ramelow will der AfD-Fraktionschef Björn Höcke antreten. Seine Aussichten sind null. Aber allen Parteien wäre besser bekommen, wenn sie nicht verhindert hätten, dass der Souverän für eine Regierung mit stabiler Mehrheit sorgt: nämlich die Wähler. 

Auch wenn er womöglich das Gegenteil macht. Nämlich Chaos anrichtet. Demokratie ist manchmal – ein Dilemma. Tja. 


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Kommentare ( 78 )

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Bubba
3 Jahre her

Das wird ein lustiges Misstrauensvotum: nachdem der Landtag eigentlich für eine Neuwahl war, wird er gegen seine eigene Einstellung stimmen, weil der Antrag von den Falschen kommt. Der Treppenwitz: man wolle der AfD nicht irgendwelche Zugeständnisse machen oder dergleichen und läßt sich nun eben von dieser Partei aufs Beste vorführen, gibt ihr also die Macht, die ihr zu geben man mit dieser Aktion zu verhindern vorgibt. Demokratie in Schilda, würde ich sagen.

Jens Frisch
3 Jahre her

Oskar Lafontaine hat es der CDU ins Stammbuch geschrieben:
„Bundeskanzlerin Merkel war eine glühende Jungkommunistin“
https://www.youtube.com/watch?v=xrgd8B5fhNw

Michaelis
3 Jahre her

Die „Unabhängigkeit“ der Jurisprudenz ist ein Phantasmus, einer von vielen „schönen Ideen“ dieses „demokratischen Rechtsstaates“, die mit der Praxis nur wenig gemein haben. Im Zweifelsfall zählt immer die Konformität und der politische Opportunismus.

Sonny
3 Jahre her
Antworten an  Michaelis

„Im Zweifelsfall zählt immer die Konformität und der politische Opportunismus.“
Und das Geld.

89-erlebt
3 Jahre her

Thüringen zeigt doch überdeutlich, dass sich die cdu NIE von der SED trennen wollte. Wer hat denn nach dem Mauerfall verhindert, dass die Verbrecher der SED bestraft wurden ? Wer hat denn nie die Absicht gehabt, die SED auflösen zu lassen oder gar zu enteignen ? Wer war denn froh, dass Schalk Golodkowski sein Wissen mit ins Grab genommen hat ? Wer wählt denn SED Richterinnen mit Haus von Ausreisenden zur Verfassungsrichterin in MV ? Es ist doch eine unübersehbare ewige Zusammenarbeit der Block Partei cdu mit ihrer SED. Die Krönung des Genossen Ramelow durch Merkel und ihre LaKeitels, nur… Mehr

Michaelis
3 Jahre her

Niemand ist gezwungen, mit der AfD zu koalieren oder anderswie mit ihnen zu stimmen. Aber Wahlergebnisse „rückgängig“ zu machen oder „demokratiepolitische Prozesse“ zu blockieren, nur um jedweden „Einfluss“ der AfD zu zerschlagen – das ist definitiv politischer Terror, fernab von allem, was der pseudodemokratische Mainstream in seinen Sonntagsreden alles absondert!! „Rechtfertigen“ tut man dies damit, dass es sich bei der AfD um keine „demokratische“ Partei handeln würde, und dass man mit „Rechtsradikalen“ usw. niemals gemeinsame Sache machen dürfe. Das alles ist nicht mehr als dreckige Propaganda infolge von jahrelanger Verhetzung und Stigmatisierung, und zwar vollkommen unabhängig von Volkes Stimme. Ein… Mehr

Entenhuegel
3 Jahre her

Roewer hatte ja als Chef des Verfassungsschutzes in Thüringen guten EInblick in die politischen Machtstrukturen. Und seine Diagnose „passt“: Die CDU (und CSU) ist ein verwesender Kadaver…

Korner
3 Jahre her

Helge Braun hat gerade öffentlich dem Verfassungsgericht mitgeteilt, was die Kanzlerin im Urteil im Verfahren gegen sie erwartet.

Riffelblech
3 Jahre her

Die eigentliche Liebe Merkels gilt schon immer den Linken und Grünen .
Und da mit dieser Kanzlerin mittlerweile fast feudalen politischen Verhältnisse eingezogen sind wird eine demokratische Wahl eben gecancelt.
Die „ lupenreinen“ Demokraten der CDU ,der Linken,Grünen und FDP juckt das einen Sch….
Demokratie besteht nur in ihren Reden , im Handeln sind sie einfach Feudalherren ,die sich einen lukrativen Posten auf Kosten ihrer Wähler ergattert und erschlichen haben .
Ansonsten ist von diesen Maulhelden der Demokratie nichts zu erwarten .

tube
3 Jahre her

die Thüringer AfD kann die „demokratischen Parteien“ noch jahrelang vor sich hertreiben, gut so, und Rammelow wird wohl bald wieder ausrasten. Wir haben gerade 2 Wochen Urlaub in Thüringen hinter uns, alles war da viel besser als in unserer verdreckten Hauptstadt. Dem gemeinen Volk in Thüringen ist es relativ egal was die in Erfurt treiben. Aber warum da so viele die Linken wählen bleibt mir weiter ein Rätsel.

Entenhuegel
3 Jahre her
Antworten an  tube

Vielleicht weil so viele Auszählende immer noch dieselben sind wie zu DDR-Zeiten oder weil viele Thüringer der Linken das Märchen von der „sozialen Partei“ abnehmen oder weil es auch bei den Wählern noch viel Ostalgie gibt…?

Wolodja P.
3 Jahre her

>> Thüringen: Warum die CDU die SED-Regierung stützt <<
Die Antwort liegt auf der Hand: Die Stützung ist Merkels Wunsch und Wille und erfolgte demgemäß par ordre de muphti.

Entenhuegel
3 Jahre her
Antworten an  Wolodja P.

Dass von Merkel gesteuert ein fester Parteienblock aus CDUCSUSPDFDPGrünenLinken besteht, der wie einst der sozialistische Einheitsblock funktioniert und höchstens in Nebensachen ein bisschen politischen Wettbewerb betreibt, ist längst unübersehbar …