Die Champions League der Moralisten

England debattiert über Sinn und Unsinn dieser Geste, die auf jeden Fall eines tut: sie torpediert das verbindende Element des Fußballs, das doch immer wieder und von allen beschworen wird. Statt über Fehlschüsse, Eigentore oder Fairplay zu streiten, wird jetzt über politische Symbole gefightet. Was soll das? Gibt es dafür nicht andere Orte und Möglichkeiten?

IMAGO / PA Images

Ist der Rassismus bald ausgemerzt? Spätestens am 11. Juli, nach dem Endspiel der Fußball-EM im Londoner Wembley-Stadion, dürfte es vorbei sein damit. Dann haben nämlich Millionen und Abermillionen von Fernsehzuschauern den Anti-Rassismus-Kniefall der Spieler gesehen. Viele Mannschaften, auch Schieds- und Linienrichter schließen sich der Geste an aus Solidarität mit der „Black Lives Matter“-Bewegung. Nach dem gewaltsamen Tod eines US-Afroamerikaners vor zwei Jahren soll das Rasen-Knien eine Art Abbitte sein für all das, was Weiße den Schwarzen in der Weltgeschichte angetan haben.

Und natürlich ein Protest gegen das, was heute so alles unter Rassismus läuft. Wir erleben das ja alltäglich auf deutschen Schulhöfen, wo immer häufiger „Jude“, „Schwuler“ oder „Christ“ zum festen Mobbing-Repertoire gehört. Oder die blaspemische und gewaltsame Linken-Agitation gegen die friedliche Lebensrechtsbewegung. Oder die Hasspredigten von deutschen Kanzeln und Kathedern gegen alle und alles, was sich dem herrschenden Mainstream zu widersetzen wagt. Inklusive Tichys Einblick. Da ist man schnell „rechtskonservativ“, „rechts“ oder gar „Gefährdungspotenzial der Demokratie“ oder dergleichen. Dabei ist mittlerweile den allermeisten Menschen das Prinzip dahinter sonnenklar: alles was rechts von Claudia Roth und Markus Söder steht, wird in diese mittlerweile übervolle Schublade gesteckt.

Doch ob das damit gemeint ist, wenn der Fußball-Rasen (jedenfalls für eine Minute v o r dem Spiel) zu einer Art Weihestunde der Gutmenschen mutiert? Geholzt, gefault und gegrätscht wird dann etwas später. Oder ist es nicht doch vielmehr ein selektives Gefälligkeits-Knien? Das Knien als Gewissens-Training. Also sozusagen Reue, Buße und Vergebung in einem Rutsch. Der Rassismus im eigenen Biotop wird einfach überspielt.

Fußballeuropameisterschaft
Die "Mannschaft" – oder: das euphoriefreie Turnier
Doch gerade in England (Wembley Stadion!) sehen das die Fans bis in die Spitze der Politik anders. Das Land debattiert über Sinn und Unsinn dieser Geste, die auf jeden Fall eins tut: das verbindende Element des Fußballs, das doch immer wieder und von allen beschworen wird, zu torpedieren. Statt über Fehlschüsse, Eigentore oder Fairplay zu streiten, wird jetzt über politische Symbole gefightet.

Was soll das? Gibt es dafür nicht andere Orte und Möglichkeiten? Und vor allem: was soll dieser Gruppenzwang? Der allerdings inzwischen zur Standard-Methode von Europameistern der Hochmoral gehört. Wer hat schon Schneid und Mumm, gegen den moralischen Mainstream zu schwimmen? Er schießt sich damit ins Abseits, schlimmer als das größte Foul. Und die Schiedsrichter sitzen auf Moderatoren-Sesseln oder stehen auf Kanzeln. Und der Linienrichter notfalls im Kanzleramt: „Unverzeihlich! Sofort rückgängig machen! Abseits!“

Doch für politische Kundgebungen ist der Fußballrasen der falsche Platz. Oder glaubt jemand im Ernst, im Stadion oder zu Hause bei Chips und Bier oder gar beim „Public Viewing“ würde nun ernsthaft über Rassismus, seine Ursachen und seine Geschichte debattiert oder gar nachgedacht? Ist das nicht besser in (Brennpunkt-)Schulen aufgehoben, auf deren Pausenhöfen der blanke Rassismus herrscht? Der Sport täte gut daran, in alter und bewährter Tradition auf solche politischen Inszenierungen zu verzichten. Die britische Innenministerin Priti Patel kritisiert den Kniefall als „Gesten-Politik“ und gibt den Fans ausdrücklich „das Recht auf Buhrufe.“

Zur Wahrheit gehört auch, dass selbst schwarze Fußballer den Kniefall ablehnen. Wilfried Zaha von Crystal Palace zum Beispiel bezeichnete ihn sogar als „erniedrigend“. Dennoch gingen auch die Belgier um ihren Stürmer Romelu Lukaku vor dem 3:0-Sieg gegen Russland mit einem Knie auf den Boden, ebenso wie der spanische Schiedsrichter der Partie. Sie ließen sich von lautstarken Pfiffen und Buhrufen des Publikums in St. Petersburg nicht aufhalten. Doch was soll daran mutig sein? Hätte die EM vor einem Monat stattgefunden, hätten dieselben Spieler dann etwa die israelische Fahne als Armbinde getragen? Das hätte ich sehen mögen …

Auch Manuel Neuers Regenbogen-Kapitänsbinde gehört in die Kategorie des modisch-moralischen Mainstreams. Würde er die Regenbogenbinde auch in Katar tragen, wo der FC Bayern während der Winterpause gerne sein Trainingslager ausrichtet? Die Airline „Qatar Airways“ ist schließlich einer der Hauptsponsoren des Rekordmeisters und das Werbe-Logo aus der Wüste strahlt von verschwitzten Trikotärmeln. Neuers bunte Pride-Binde würde also nur wenige Zentimeter daneben prangen. Das wäre konsequent! Nebenbei: Für homosexuelle Handlungen setzt es in dem arabischen Staat per Gesetz tatsächlich Peitschenhiebe oder einen Aufenthalt im Knast.

Konsequenz sucht man vergebens. Man erinnere sich nur an den spanischen Spitzenverein Real Madrid, der ähnlich wie deutsche Bischöfe in Jerusalem das Kreuz im Kniefall (!) vor dem Islam verleugnet, indem es aus dem Wappen entfernt wurde. Die BILD-Zeitung räumte vor einigen Tagen die gesamte Seite zwei der Tatsache ein, dass dieselbe UEFA, die den Anti-Rassismus-Kniefall propagiert, sich von „Staatskonzernen der schlimmsten Schwulenhasser- und Rassisten-Regimes sponsern“ läßt. Nebenbei: Man lässt sich in den Stadien und bei den Busfahrten zum Quartier von denselben Polizisten schützen, die in der Berliner Rigaer Straße, von der Münchner „Event- und Partyszene“ oder anderswo von Linksextremisten oder Eingewanderten und -geschleusten brutalst zusammengeschlagen werden. Sind die nicht einen Kniefall wert?

Die Mannschaften von Ungarn und Polen beteiligen sieh nicht an der Rassismus-Kniefall-Politik. Das Verdikt der Moralapostel ließ nicht lange auf sich warten. Pfui diesen erzkonservativ-rechtsextremen Nationen, die sich obendrein noch christlich oder gar katholisch nennen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban sagte daraufhin: „Wenn du zu Gast bist in einem Land, dann provoziere nicht die Einheimischen.“ Er nimmt sich das Recht zur persönlichen Meinungsfreiheit: „Mit dieser Niederknierei sympathisiere ich in keiner Weise. Derlei gehört nicht auf die Sportplätze.“ Und dann postuliert er das, was eigentlich christliches Allgemeingut sein sollte: „Wenn wir knien, dann vor Gott.“ Doch die Kirchen haben die Kniebänke ja weitgehend abgeschafft! Bischöfe knien lieber vor der Heiligen Greta. Doch: Wer vor Gott kniet, kann vor Menschen gerade stehen. Auch vor Regimes, die Sportler plus UEFA mit Millionen-Gagen erfolgreich(!) ködern.

Eine Strafe durch die UEFA droht den Verbänden übrigens nicht. Im Gegenteil: Die Europäische Fußball-Union unterstützt die „Proteste gegen Rassismus“ während der EM. „Wir bitten die Zuschauer dringend, den Spielern und Mannschaften, die auf die Knie gehen, Respekt zu zeigen“. Komisch. Als engagierte Christen unter den Fußballern, allen voran brasilianische Spieler, beim Torjubel Trikots mit christlichen Slogans zeigten, wurden sie brutal und gegen Strafe zurückgepfiffen.

Ein Rat zum Sonntag: Da auch diverse Zeitgeistliche diese Knie-Aktion ganz großartig finden (noch nicht ganz so wie im Greta-Rausch, aber immerhin) hätte ich einen ganz einfachen, logischen und konsequenten Vorschlag, ein Problem dort zu benennen, wo es hingehört (denn was hat Fußball mit Rassismus in der Weltgeschichte zu tun?!): Kniet doch vor jedem Gottesdienst in Richtung Gemeinde als Reue und Buße für die Schandtaten des Missbrauchs. Und hofft, dass die Gläubigen und Gott euch eines Tages verzeihen werden.Sozusagen ein Anti-Missbrauchs-Vertuschungs-Knien. Wahrscheinlich würde das nicht nur die Glaubwürdigeit der Kirchen, sondern auch den Gottesdienstbesuch erhöhen.


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Kommentare ( 154 )

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the ministry of silly walks
3 Jahre her

Essen, Trinken, Wohnen, Fortbewegung, Sexualität, Job, Kleidung, Schule, Kita, Gesundheit, Zeitung lesen, Freunde treffen, Fussball, Urlaub, Sprechen … alles ist in diesem Land inzwischen politisch. Demnächst wahrscheinlich auch Sch…en. Der Plan ist klar: dem Menschen keinen Ausweg mehr lassen, ihn an jeder Stelle zu jedem Thema, zu jeder Zeit fragen zu können: sag mir wo Du steht, und ihn dann entsprechend einsortieren. Kein Privatleben mehr, nur noch die umfassende Erfassung im Sinne einer totalitären Ideologie.

Barnaby
3 Jahre her

“Wer nicht hüpft ist Nazi, wer nicht kniet Rassist, wer sich nicht impfen lässt ein Egoist, ….“
Diese Worte haben bei mir soeben zu einer erschreckenden Selbsterkenntnis geführt: Ich bin doch wahrhaftig ein egoistischer rassistischer Nazi. War mir vorher nicht klar.

Deutscher
3 Jahre her

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Nazis waren nicht rechts. Sie waren Sozialisten, waren Linke. Sie nutzten nur eine andere Strategie als ihre roten Brüder und teilten mit diesen den Antisemitismus. Während aber die Roten andere Länder durch Infiltration, Propaganda und Destabilisierung bis hin zum Bürgerkrieg dem Sozialismus / Kommunismus zu unterwerfen versuchten, setzten die Braunen auf direkte militärische Eroberung.

Alt-Badener
3 Jahre her

Ja, es ist wahrlich mehr als erbärmlich, was da z.T. auf den Plätzen für ein schreckliches Schauspiel zelebriert wird. Da gibt es für den noch von gesundem Menschenverstand besitzenden Zuschauer nur eine Konsequenz, umschalten/wegschalten, man kann die Zeit auch sinnvoller nutzen, als diesen Multimillionären bei ihrer Kickerei zuzuschauen. Für diese Kniefälle kann es nur eine Entscheidung geben, das heißt wegschalten oder ausschalten und dann mit Stolz in den Spiegel schauen. Wer noch für diese erbärmliche Schauspielerei bei Sky etc. Geld bezahlt, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Alsbald wird es mit Sicherheit auch bald für unsere Kinder Pflicht, sich… Mehr

nhamanda
3 Jahre her

Was ist einfacher, als sich mit einer Mainstream-Symbolik selbst zu erhöhen? Siehe Manuel Neuer. Wenn man sonst nichts kann, außer Bällen die Überschreitung einer weißen Linie zu verwehren, dann ist es doch ein erhebendes Gefühl auch, mal was „Sinnvolles“ zu tun. Mit einer regenbogenfarbenen Armbinde dem „Gegnerischen Angreifer“ ins Kreuz zu springen und seine Invalidität zumindest in Kauf nehmen, ist dann doch viel lässiger zu machen.
Fair play matters: Deshalb, für jedes Foul die Rote Karte. Dann hört das auf.

fatherted
3 Jahre her

Abgesehen davon, dass es in meinem Umkreis keine „Fußball-Stimmung“ mehr gibt, die wenigsten noch die Spiele schauen und/oder sich davon begeistern lassen….das „Knie-Gehabe“ ist ein Grund zum sofortigen Abschalten. Die Gender-Binde von Herrn Neuer….naja….wird wohl weiterhin geduldet….klar…wenn man knien auch duldet muss man auch bunte Binden dulden. Mal sehen was als nächstes kommt. Für mich gilt weiterhin….knien werde ich nur dann, wenn man mir mit dem Gewehrkolben in die Kniekehlen schlägt….das kann ich mir zwar bei der jetzigen politischen Lage noch nicht vorstellen…aber wer weiß was noch kommt.

Martin Mueller
3 Jahre her

Was ist eigentlich mit dem Regebogenrassismus?

George
3 Jahre her

Diese unheilvolle Politisierung bis in die kleinste Ritze unseres Lebens,eine sehr schaurige Entwicklung.

Last edited 3 Jahre her by George
mitternachtnovelle
3 Jahre her
Antworten an  George

Genauer gesagt ist diese Politisierung ein Umwandeln der Demokratie in eine grünlinke Diktatur. Und ein Umwandeln vieler Bürger von Selbstdenkern in gnadenlose Opportunisten. Weil: Eine eigene Meinung zu haben und sie auch öffentlich zu vertreten — dazu gehört Rückgrat. Und das ist so anstrengend. Wo doch viele nur noch Spass haben wollen. Diese Gesellschaft ist für mich nur noch völlig verkorkst.

Deutscher
3 Jahre her
Antworten an  George

„Auch das Private ist politisch!“

Schönen Gruß von den 68er-Maoisten.

Edmund
3 Jahre her

Letzte Meldung:

Wegen Regenbogen-Kapitänsbinde UEFA nimmt Ermittlungen gegen DFB auf



Die Europäische Fußball-Union (UEFA) hat nach RTL/ntv.de-Informationen Ermittlungen gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) aufgenommen. Grund dafür ist die Regenbogen-Kapitänsbinde des Spielführers der Nationalmannschaft Manuel Neuer. Die UEFA soll diese als politisches Zeichen während einer Partie betrachten. Dies verbieten die Statuten des Verbandes. Dem DFB könnte nun eine Geldstrafe drohen.[…]

Kalmus
3 Jahre her
Antworten an  Edmund

Ich prangere die Homophobie der UEFA an. Falls die Meldung stimmt. Statt niederzuknien, sollten ab sofort alle Mannschaften geschlossen die erhobene Faust zeigen, als Zeichen des Protestes!!

eifelerjong
3 Jahre her
Antworten an  Kalmus

PHOBIE, ob mit homo oder weißwas versehen, ist die Bezeichnung für eine krankhafte Angst.
Wie wäre es, zur Kenntnis zu nehmen, dass NIEMAND der homophob genannt wird, Angst vor Schwulen hat, sondern einzig die marktschreierische Aufmerksamkeit, die diese Gruppierung einfordert, mißbilligt.

Deutscher
3 Jahre her
Antworten an  Kalmus

Die Mannschaften sollen Fußball spielen und ansonsten die Klappe halten. Wenn Neuer & Co die Welt verbessern wollen, sollen sie den regulären Weg der parlamentarischen Demokratie antreten. Oder – praktischer und sinnvoller – samt Gattinnen auf Pflegekraft umschulen. Die Herren Fußballmillionäre haben ja ausgesorgt, können also gratis für ein Heim, einen Pflegedienst oder ein Krankenhaus arbeiten und so einen wertvollen Beitrag zur Entschärfung der Personalsituation dort leisten.

Last edited 3 Jahre her by Deutscher
Peter Ge.
3 Jahre her

Wenn vor Spielanpfiff eine der Mannschaften niederkniet um …(die Weiteren Worte, die ich hierfür unter Freunden verwende, lasse ich weg, damit der Beitrag nicht gesperrt wird) halte ich automatisch mit dem Gegner. Wenn beide niederknien, schalte ich aus. So habe ich es auch beim letzten Champions-League-Endspiel gehalten. Es war damit übrigens das erste Endspiel der ChLeague das ich nicht gesehen habe.