Tausende Migranten aus Marokko erreichen Ceuta

Marokko suspendiert polizeiliche Kooperation mit Spanien und Deutschland wegen ihrer Westsahara-Haltung. Spanische Streitkräfte verstärken Grenzen.

IMAGO / Lagencia

Mohammed VI zeigt in diesem Jahr, dass nicht mit ihm zu spaßen ist, „aber vor allem, dass ihm nicht zu trauen ist“, glaubt der spanische Sicherheitsexperte Fernando Cocho: „Wer nicht für die Westsahara unter marokkanischer Flagge ist, der ist gegen ihn und sein Land“. Spanien und Deutschland hat der kränkelnde Monarch gerade einen empfindlichen Stoß versetzt. Nicht nur hat er die Geheimdienst-Kontakte und Polizei-Zusammenarbeit ausgesetzt, die für beide Länder bei der Terrorismus-Bekämpfung wichtig sind. Zu Wochenanfang hat Marokko auch den Druck auf die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla erhöht. 6.000 Menschen, weit überwiegend Männer, schwammen aufgrund der Abwesenheit von marokkanischen Grenzkontrollen in das im Norden Marokkos gelegene Ceuta, darunter Hunderte Minderjährige, die nicht so einfach zurückgeschickt werden können.

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Die spanische Regierung hat Streitkräfte an die Grenzen zu Marokko geschickt, um die Migrantionswelle aufzuhalten. Premier Pedro Sánchez pocht seit geraumer Zeit auf ein bilaterales Treffen, für das die marokkanische Regierung jedoch keinen Termin findet. Auch auf seiner vor einem Monat stattgefundenen Afrika-Tour, wo er sich in verschiedenen Krisenländern um Rückführungsabkommen bemüht hat, sparte er Marokko aus. Für Cocho ist das „Überrennen der spanischen Grenzen“ ein klares Zeichen der Bestrafung für Deutschlands und Spaniens Zusammenspiel mit den in der Westsahara für Unabhängigkeit kämpfenden Polisarios: „Die Bilder dieser Invasion haben eine klare Wirkung in diesen Ländern“.

Der schwerkranke Polisario-Chef, Brahim Gali, liegt derzeit in Spanien in einem Krankenhaus, was Marokko scharf als Unterstützung seiner Ziele und nicht als humanitäre Aktion interpretiert. „Sie unterstützten einen Terroristen“, heißt es in einem Schreiben. Funkstille mit Deutschland herrscht schon seit einigen Monaten, da die Regierung sich weigere, einen von Marokko gesuchten in Deutschland lebenden Regime-Kritiker auszuliefern und zudem die Souveränität Marokkos in der Westsahara nicht akzeptiere. Die marokkanische Regierung hat erst einmal die Botschafterin aus Berlin abgezogen. Berlin hat seinen Mann in Rabat ausgewechselt, um für bessere Stimmung zu sorgen. Aber bisher verlaufen alle diplomatischen Bemühungen Berlins im Sand.

Die Konsequenzen eines gefährlichen Machtspiels im Maghreb

In einem Interview erklärt der Chef der marokkanischen Polizeimiliz Mohammed Dkhissi, dass sie das Gefühl haben, hintergangen zu werden von beiden Ländern, weil nicht dieselben Regeln für alle gelten. Damit schaukelt sich ein Konflikt hoch, bei dem es vor allem um Machtspiele geht, aber auch um sehr sensible Sicherheitsfragen für beide Seiten, wie Cocho warnt. Immerhin waren Marokkaner fast an allen islamischen Terroranschlägen in Europa beteiligt. Cocho warnt seit Jahren vor der Radikalisierung von Marokkanern in spanischen Gefängnissen. Der Leidtragende dieses diplomatischen Krieges ist vor allem die marokkanische Bevölkerung, die trotz groβer Wirtschaftspotenziale aufgrund von nationalen Interessen auf bedeutende Chancen verzichten müssen. Deutschland hingegen wird seine versprochene Entwicklungshilfe nur leisten, wenn das Land bestimmte Regeln in Sachen Meinungsfreiheit und Transparenz des Mittelflusses einhält. Aber das Spiel ist gefährlich, weil Marokko derzeit die Karten in der Hand hat, wie es gerade wieder mit dem Durchlass von Immigranten gezeigt hat.

Migration als politisches Druckmittel?
Marokkos Muskelspiele: Tausende Migranten gelangen in spanische Enklave
Das Königreich galt seit Jahrzehnten als verläβlicher Partner in der Bekämpfung eines radikalen Islams im Maghreb. „Das alles steht jetzt auf dem Spiel, denn wenn die Schleusen sich weiter öffnen und Tausende von Afrikanern, viele von ihnen Marokkaner vor den Toren Europas stehen, das heiβt erstmal in Spanien, aber dann irgendwann in Deutschland“, warnt Cocho. Schon in den vergangenen Monaten hatte der Migrationsdruck auf die Kanaren und Ceuta und Melilla stark zugenommen. „Auch wegen der Verärgerung darüber, dass Spanien und Europa nicht wie die USA die Westsahara als marokkanisch anerkennen“, glaubt Cembrero. Seit geraumer Zeit hat Marokko auch den Grenzübergang gesperrt zu den Enklaven, um den Handel der Spanier, vieles davon schwarz, mit der eigenen Bevölkerung abzuwürgen. Das hat die umliegenden Regionen in eine noch gröβere Armut gestürzt.

Ein launiger König und frustrierte Untertanen

Mohammed VI, der nach Presseberichten, eine sehr intime Beziehung zu deutsch-marokkanischen gemäβ Medienberichten vorbestraften Kampfsportlern aus dem Rheinland unterhält, den Gebrüdern Azaitar, scheint alles auf eine Karte zu setzen. Aber auch wenn er jetzt als der Starke dasteht, könnte sich das Blatt schnell zu seinen Ungunsten wenden. Der Frust der Bevölkerung durch die Pandemie und die ausbleibenden Touristen ist enorm. Bisher konnte Marokko jeden „arabischen Frühling“ unterdrücken. Aber die Gesundheit des Staatsoberhauptes ist labil. Der 57jährige Monarch hat auch aus diesem Grund viele ausländische Termine nicht wahrgenommen. Auch privat läuft nicht alles rund. Nach der Scheidung von seiner Frau Lalla Slama, beeinflusst diese die Erziehung des 18jährigen Thronfolger Moulay Hassan, der eine enge Beziehung zu seiner Mutter pflegt, wie der spanische Journalist Ignacio Cembrero in einem Porträt schreibt.

Sein Sohn könnte früher als geplant Veranwortung übernehmen müssen. „Das wird aber nicht zu groβartigen geostrategischen Veränderungen führen, da die Machtverhältnisse im und auβerhalb des Landes seit Generationen klar gesteckt sind“, sagt Cembrero. Es könnte aber zu einer Modernisierung der Gesellschaft beitragen, was auch von deutscher und spanischer Seite gewünscht ist, die jetzt ganz oben auf der Feindesliste stehen. Seit Amtsantritt von Pedro Sánchez in 2018 haben sich die marokkanisch-spanischen Beziehungen deutlich verschlechtert. Der Sozialdemokrat und sein Koalitionspartner Unidas Podemos plädieren wie die UN und Deutschland für ein Referendum in der Westsahara und pochen immer wieder auf das Rückführungsabkommen mit Marokko. Offiziell hält sich Spaniens Politik jedoch bedeckt, auch weil sie in ihrer eigenen abtrünnigen autonomen Region Katalonien bisher jede Abstimmung untersagten.

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Kommentare ( 41 )

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41 Comments
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bkkopp
3 Jahre her

Marokko bestraft Spanien mit Migranten, weil die Spanier einen Polisario-Chef im Krankenhaus behandeln. Das hat natürlich mit der West-Sahara und mit dem Abraham-Accord zu tun, das hier so gerne, und auch von sehr seriösen Autoren, als großartige Nahost-Politik ( since sliced bread) charakterisiert wird. Die Dinge haben immer mehrere Seiten, und man kann sie aus sehr unterschiedlichen Perspektiven sehen.

spindoctor
3 Jahre her

>>“Spanien schiebt 2700 der etwa 6000 Migranten aus Marokko direkt wieder ab“https://www.welt.de/vermischtes/article231206337/Ceuta-6000-Migranten-aus-Marokko-Abschiebungen-beginnen.html

Finde den Fehler!
BTW, die Bilder sehen aus, wie Strandparty auf Mallorca.

89-erlebt
3 Jahre her

D-Day an den Gestaden EU Europas, wer die Geister rief … Wir werden alle noch unsere Freude haben an der Grün-merkelsche Bereicherung.

Landdrost
3 Jahre her

Mal schauen wann „Schießbefehl an Europas Aussengrenze“ eine opportune Meinung wird. Lange kann es nicht mehr dauern. Das Boot Deutschland ist schon lange voll, das Geld ist aus und spätestens wenn die Hyperinflation kommt und der Euro maximal abschmiert war es das hier mit Friedefreudeeierkuchen-Lala-Land und dem einzigen Mittel das Merkel und den Restlinken einfällt, alle Probleme mit Geld zuschütten und die Staatsmedien dazu Propaganda posaunen lassen. Mir ist wirklich nicht wohl zumute wenn ich an die Zukunft denke, absolut nicht. Da sind so viele Probleme die von der Politik nicht gelöst und neu geschaffen wurden, dass kann einfach nicht… Mehr

Britsch
3 Jahre her

auch wenn mich manche füpr meine Meinung zerreißen wollen, schreibe ich diese hier. Einfach mit Seeuntüchtigen Booten aufs Meer raus fahren oder einfach schwimmen und dann erwarten fordern „gerettet“ zu werden oder an Land gelassen zu werden unter Berufung auf die so genannten „Menschenrechte“ ist versuchte Erpressung. Erpressen darf man sich nicht lassen! Mit jedem Nachgeben auf Grund von Erpressung schafft man Anreiz zu weiterer Erpressung und wird immer leichter erpressbar! Nicht an Land gehen lassen und nicht „retten“ und die Zahl der Versuche wird ganz schnell zurück gehen. Diejenigen die es doch schaffen an Land zu kommen sofort, ohne… Mehr

Cabanero
3 Jahre her

Warum glaubt man eigentlich immer wieder von neuem in Spanien (Marokko) oder Deutschland (Türkei) man könne andere Staaten dafür kaufen, also bestechen, wider ihrer eigenen Interessen Armutseinwanderer (die in aller Regel nicht aus ihnen selbst kommen) aufzuhalten? Hier treffen westliche Hybris und ein abgeschmackter Moralpazifismus (der freilich nicht nur vom linken Sektor der Gesellschaft gepflegt wird!) auf unstillbaren Geldbedarf islamischer Staaten. In deren eigenem Interesse ist es aber nicht, als Auffangbecken für Subsahara-Armutsmigranten zu fungieren, es zerstörte nach und nach ihre eigenen Gesellschaften. Marokko ist, im Gegensatz zu Algerien oder Libyen, kein gescheiterter Staat, und trotz weiterhin bestehenden Geburtenüberschusses wandern… Mehr

Deutscher
3 Jahre her

Berlin, Berlin, wir schwimmen nach Berlin!

Bernd Geiss
3 Jahre her

Wenn nicht endlich die Festung Europa errichtet wird wars das für uns. Mit Festung Europa meine ich keine sogenannte Seenottrettung mehr und das Abhalten von Migranten.

Hairbert
3 Jahre her

Vieles mussten ausgerechnet wir uns in den letzten Tagen zum Thema Kolonialismus vorwerfen lassen. „Enklave“ – was für ein beschönigendes Wort aus einer längst überwunden geglaubten Zeit! Nein, es ist an der EU und Spanien die Reste des Kolonialismus zu beseitigen und ihn endgültig zu beenden indem Ceuta und Melilla endlich an den rechtmäßigen Besitzer auf dem afrikanischen Kontinent übergeben wird. Dann hört auch dieser Spuk auf!

Ian1977
3 Jahre her
Antworten an  Hairbert

Darf ich fragen wen Sie als „rechtmäßigen Besitzer von Ceuta und Melilla ansehen?

Last edited 3 Jahre her by Ian1977
Cabanero
3 Jahre her
Antworten an  Hairbert

Nein. Eine „Rückgabe“ von Ceuta und Melilla würde keins der Probleme lösen. Siehe Lesbos. Oder die „Balkanroute“. Die Migranten und Schlepper werden andere Wege finden. Das Problem ist der Pullfaktor des deutschen Asylrechtes als Recht auf freie Einwanderung mit sofortigem Zugriff auf den Sozialstaat. Würde das beseitigt, sänken die Migrationszahlen sofort um min. 90 Prozent. PS: Wenn Sie Marokko für den „rechtmäßigen“ Besitzer Ceutas halten, wer ist dann der „rechtmäßige“ Besitzer von Breslau oder Danzig? Beide Städte kamen durch eine völkerrechtswidrigen Akt und brutale Vertreibung der einheimischen Bevölkerung in polnischen Besitz. Und Vertreibungen hat es im Falle des ehemaligen Spanisch-Marokkos,… Mehr

Ralf Poehling
3 Jahre her

Die letzten zwei Sätze des Artikels bringen es auf den Punkt: Was mischen sich Spanien und Deutschland in die Angelegenheiten anderer Länder auf anderen Kontinenten ein? Und warum fordern sie von anderen etwas, was sie der eigenen Bevölkerung nicht zugestehen wollen? Referenden und Volksentscheide will man bei uns ja nicht haben. Der Umgang der EU mit Marokko ist verlogen. Marokko gehört zu den islamischen Ländern, die vergleichsweise frei und liberal daherkommen. Was nicht zuletzt am König selbst liegt, dem man nun die eigenen weltfremden europäischen Vorstellungen auf’s Auge drücken will und ihm damit in den Rücken fällt und so die… Mehr

Andreas aus E.
3 Jahre her
Antworten an  Ralf Poehling

Fehler? Ich unterstelle Absicht.
Läuft alles bestens für New World Order und Great Reset.

Ralf Poehling
3 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Ob Sie’s glauben oder nicht:
Der Great Reset beendet die New World Order.
Und das, was in letzter Zeit bei uns passiert, ist nicht Folge davon, sondern eher der Versuch einer Antwort darauf. Einer funktionierenden Antwort. Man kann Politik direkt umsetzen, oder indirekt.
Der indirekte Ansatz hat nicht funktioniert.
Also kommt jetzt der direkte Ansatz.