»Rassismus ist (k)ein Privileg der Weißen«

»Schlacht der Identitäten«: Mehr Freiraum für offene Debatten verhindert Rassismus. Nur eine empathische Gesellschaft ist der Schlüssel zu mehr Toleranz. Von Katrin Krips-Schmidt

Seit dem letzten Jahr mehren sich die im Buchhandel angebotenen Titel zu den Themen Rassismus und Antirassismus. Die Anzahl der in den vergangenen Monaten auf dem deutschen Markt neu veröffentlichten Schriften geht bereits jetzt in die Hunderte, manche wurden sogar zu Bestsellern. Titel wie »Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten« oder »Der weiße Fleck – eine Anleitung zu antirassistischem Denken« geben die Marschrichtung vor: Schuld an rassistischem Denken und Handeln hat traditionsgemäß der weiße Mann; ein Ausweg – zumindest für ihn – scheint kaum möglich.

Die Wurzeln

Da kommt die Neuerscheinung des gebürtigen Ägypters Hamed Abdel-Samad mit einer – wenn auch kurzen – Untersuchung dieses komplexen Themas gerade rechtzeitig. Die nuancierte Betrachtungsweise des Sohnes eines sunnitischen Imams legt die Wurzeln des Rassismus dar, beleuchtet anhand von Beispielen, Anekdoten über selbst Erlebtes und der medialen Behandlung des Themas aber auch die wunden Stellen einer sich selbst als »Antirassismus« ausgebenden Ideologie, die oftmals nicht wirklich eine gegen Rassismus ankämpfende Bewegung ist, sondern diesem sogar sehr nahesteht, wenn nicht gar selbst zum Rassismus geworden ist.

Eine Welt in Schwarz und Weiß

Es geht ums Beschämen, nicht um Scham
»Public Shaming«: Vergebung ist nicht vorgesehen
Abdel-Samad beklagt, dass die längst fällige Debatte »ideologisch aufgeladen und emotional geführt« und »von den unterschiedlichen Lagern gekapert, instrumentalisiert oder relativiert« werde. Man bleibe nicht auf der Sachebene, sondern verenge den Begriff auf eine Weise, »wonach Rassismus offenbar nur ein Privileg des „weißen Mannes“ zu sein scheint. Nach dieser ideologischen Ausrichtung des Begriffs gilt bereits die harmlose Frage nach der Herkunft eines Menschen als rassistisch und damit als indiskutabel«. Und so bedienten sich viele, die sich als »Kämpfer gegen Rassismus« inszenierten, der gleichen Mittel wie die Rassisten selbst: »Sie unterteilen die Welt in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse, sie betrachten Menschen nicht als Individuen, sondern als Vertreter von Ethnien und Gruppen.«

Tor zur Hölle

Eine der 20 Thesen des Buches lautet: »Rassismus ist (k)ein Privileg der Weißen«, und demzufolge auch keine Art Erbsünde, die von Generation zu Generation weitergegeben werde. Daher hätten auch Selbstgeißelung und Schuldkomplexe keinen Platz in einer ehrlich geführten Diskussion. Wer die Antriebskraft von Denken und Handeln in Herkunft und Hautfarbe verorte, lasse den Rassismus nun in die andere Richtung ausschlagen. Doch das Problem lasse sich nicht dadurch lösen, dass ein weiteres Mal ab- und damit ausgegrenzt werde: »Diese beinahe religiöse Überhöhung des weißen Mannes als Verkörperung des Bösen erlöst nicht die Minderheiten, sondern öffnet die Tore zur Hölle für alle!« Dass es Rassismus schon immer gab, und dies weltweit, belegt der Autor mit zahlreichen Beispielen aus der Geschichte. So hätten etwa die Araber halb Europa, halb Asien und weite Teile des afrikanischen Kontinents kolonialisiert.

Zur Zeit des osmanischen Reichs seien Millionen Menschen in Vorderasien, in Nordafrika, auf dem Balkan, in Ost- und Südeuropa unterjocht worden: Und »noch heute träumen viele Araber und Türken von der Wiederherstellung des Kalifats und die Re-Islamisierung Europas. Viele von ihnen heben heute rasch den moralischen Zeigefinger und verurteilen den weißen Mann wegen seiner Kolonialgeschichte und wegen der Sklaverei – dabei wurde der Sklavenhandel in der arabischen Welt zum Teil erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beendet. Und zwar auf Druck der Europäer«. Saudi-Arabien habe die Sklaverei übrigens erst 1963 offiziell abgeschafft.

Triebfedern

Ein Warnruf
Hamed Abdel-Samad: Aus Liebe zu Deutschland
In These 4 – »Angst und eigene Demütigungen sind Triebfedern von Rassismus« – schildert der in Ägypten aufgewachsene Abdel-Samad seine eigenen Erfahrungen mit Zurückweisungen, Demütigungen und Diskriminierungen in einer muslimischen Familie und Gesellschaft, aber auch den Rassismus, den er sowohl in freien als auch in diktatorischen Systemen erlebt hatte. Dabei kommt auch der Judenhass offen zur Sprache, den er selbst – geprägt durch seine eigene Sozialisation – viele Jahre lang nicht abgelegt hatte.

Im zweiten Teil seines Essays bietet Abdel-Samad »Wege aus der Rassismusfalle«, wozu mit These 16 eine »offene Debatte über Rassismus, kein Tribunal« gehört. These 18 postuliert: »Die Öffnung der deutschen Identität für Minderheiten setzt eine klare Definition dieser Identität voraus.« Der Verfasser stellt klar, dass Deutschland »jenseits der Identitätsneurose und der Fixierung auf vergangene Schuld« eine »selbstbewusste Identität« brauche, die »zuversichtlich in die Zukunft blickt, anstatt die Wunden der Vergangenheit zu lecken«.

Eine empathische Gesellschaft

Denn eine »auf Schuld basierende Identität« sei weder für autochthone Deutsche noch für Migranten attraktiv. Ja, sogar noch schlimmer: »Schuld, Identitätsunsicherheit und Minderwertigkeitsgefühle sind Einfallstore für Rassismus«. In seiner Schlussthese fordert Abdel-Samad eine »empathische« Gesellschaft, die sich in den einzelnen Menschen hineinzuversetzen versucht, statt sich gegenseitig von vorneherein misstrauisch zu begegnen. Es müsse einen »Raum für Debatten« geben, aber »auch den Freiraum, einander ignorieren oder aus dem Weg gehen zu können. Solange das von Wohlwollen und nicht von Antipathie begleitet würde, wäre schon viel gewonnen!«

»Schlacht der Identitäten« ist ein wichtiger Beitrag zu einer Diskussion, die bisher nur einseitig, subjektiv und parteiisch geführt wird.


Dieser Beitrag von Katrin Krips-Schmidt erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autorin und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

Hamed Abdel-Samad, Schlacht der Identitäten. 20 Thesen zum Rassismus – und wie wir ihm die Macht nehmen. dtv, 144 Seiten, 14,00 €


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Kommentare ( 10 )

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Mausi
3 Jahre her

Sicher. Aber Ihr Kommentar greift dennoch zu kurz. Geht es im GG wirklich um den biologischen Begriff Rasse? Dafür müsste man erstmal ansehen, wie die Väter des GG den Begriff Rasse verstanden. Meine Vermutung, nachdem es Hitler um „Rassen“ ging, wollte man eine Neuauflage unterbinden. Dann müsste man sich ansehen, wie der Begriff Rasse in der Rechtsprechung behandelt wird. Erst danach sollten Sie weitergehen. Wir sollten dann die Frage sehr ernst nehmen, wohin sich das GG ändert, wenn, wie jetzt gefordert, Rasse durch rassistisch ersetzt wird. Der Begriff rassistisch ist m. E. so unbestimmt, dass er sich mit allem füllen… Mehr

Thorsten
3 Jahre her

In den USA häufen sich Übergriffe Schwarzer auf Asiaten …

MeHere
3 Jahre her

Das Thema „Rassismus“ das von der linksbunten Schickeria nun wieder hervorgekramt ist schlicht ein Natrativ, das zwei Dinge bezwecken soll: die Migration weiter legitimieren und Geld zu scheffeln ( die Bücher und Talkshows sind ja nicht gratis).
Es gibt in Europa keine Form des beschrieben „Rassismus“ – D hat eine Migrantenquote von bald 30% … wie kann man hier von Rassismus reden – ich rede hier von Spaltung und Pseudodebatten.
Eine Schweinerei, dass die Union dazu mal wieder keine Antwort hat und sich sogar populistisch darauf einlässt.
Das Zeitalter der totalen Verblödung … 2010 bis … ?

BOESMENSCH
3 Jahre her

Die schlimmste Form des Rassismus in den letzten 75 Jahren ging zweifellos von Schwarzen aus.

1994 haben in Ruanda schwarze Hutu-Rassisten in nur 100 Tagen eine Million ihrer schwarzen Tutsi- Brüder aus rassistischen Gründen bestialisch massakriert.

Tralla
3 Jahre her

Ich wuerde es begrüßen, wenn man einmal das Problem“ quantifizieren wuerde. Da wäre z. B. eine EU finanzierte Studie, die sagt, dass in Deutschland sich knapp ueber 7% der Bevölkerung zu einer Gruppe zählen, die diskriminiert wird. Also bei knapp 93% ist das nicht der Fall. Uebrigens in England und Frankreich sind die Werte fast doppelt so hoch. Aber man kann den Eindruck gewinnen, dass es nur die bösen Deutschen gibt.

Last edited 3 Jahre her by Tralla
Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Ich lasse mir als alter weißer Mann von niemandem Rassismus vorwerfen. Und wenn der Teil dieser Bücher, der unlautere Absichten bei dem Thema hat, nicht gekauft werden würde, wäre schon mal ein Problem weniger in der Welt. Es ist kein Rassismus, wenn ein Land nicht jeden Ausländer einwandern lässt, der dies selbst wünscht.

Dorothe
3 Jahre her

Ohne die unselige Zeit zwischen 1933 und 1945 hätten die Deutschen ein gesundes Selbstbewusstsein und keine fleissig von den MSM/Politik/Kirchen gefütterten Schuldgefühle. 2015 hätte sonst nie so geschehen können. Aber die Deutschen wollen, um jeden Preis, gut sein, geliebt werden. Das hat man erkannt, und so man flutet das Land mit Konsumenten, ungeachtet der Kollateralschaden/Verwerfungen. Es ist wie immer: follow the money. Und eine Weile noch können sich die guten Menschen an ihrer erhabenen Moral erfreuen………. Michel Houellebecq hat das ganz gut beschrieben.
Danke Hamed Abdel-Samad.

Herr Schmidt
3 Jahre her
Antworten an  Dorothe

Die Schweden waren in der Zeit neutral und haben die gleichen Probleme, teils schlimmer. Das erzeugen von Schuldgefühlen ist schlicht eine Manipulationstechnik, gerne von links verwendet.

Metric
3 Jahre her
Antworten an  Herr Schmidt

Da dürfen Sie aber nicht den schlimmen schwedischen Kolonialismus vergessen, in … na … also … irgendwo halt.

country boy
3 Jahre her

Es ist eine Unverschämtheit, was sich unsere Eliten glauben herausnehmen zu können. Zuerst fluten sie unsere Heimat mit Einwanderern und dann stellen sie uns unter einen Rassismus-Generalverdacht. Leute, denen alte weiße Männer nicht passen, sollen umgehend unser Land verlassen. Wir haben sie nicht gerufen.