Massenrandale in München und anderen Städten

In mehreren deutschen Städten kommt es zu immer merkwürdigeren Bildern: Auf der einen Seite eine Polizei, die mit Großaufgebot Corona-Regeln durchsetzt, auf der anderen Seite junge Menschen, die sich an gar nichts mehr halten wollen. Das ist die Folge einer verantwortungslosen Politik.

Am Samstagabend ist es in München erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei gekommen. 50 bis 100 junge Leute haben im Englischen Garten Polizisten angeschrien und mit ca. 50 Glasflachen beworfen. Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Bei den Auseinandersetzungen wurden 19 Polizisten durch Prellungen und leichte Schnittwunden verletzt. Sechs Jugendliche wurden festgenommen und unter anderem wegen Körperverletzung und tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte angezeigt. 

Auslöser soll ein sexueller Übergriff gewesen sein. Ein 16-jähriger Iraker soll ein 14-jähriges Mädchen begrapscht haben, woraufhin zwei Jugendlichen-Gruppen eine Schlägerei anfingen. Als die Polizei dazwischen ging, veränderte sich die Situation. Plötzlich solidarisierten sich die jungen Leute miteinander und griffen gemeinsam die Beamten an. 

— Münchner Gesindel (@mucgesindel) May 8, 2021

Videoaufnahmen zeigen die aggressive und chaotische Stimmung vor Ort. Polizisten schreien Jugendliche an, dass sie „weiter zurück“ gehen sollen und schwingen dabei den Schlagstock durch die Luft. Einige Jugendliche brüllen die Beamten an und werfen Flaschen, manche lachen auch nur und grölen herum. Eine Aufnahme zeigt eine Gruppe junger Männer, die mit den Armen ein Kreuz gegen die Polizei formt und dabei „Freiheit, Freiheit!“ ruft. 

Die Jugendlichen wirken betrunken, trotzig und wütend. Sie wollen sich offenbar prügeln, sind aggressiv und lassen das entweder aneinander oder an der Polizei aus.

Doch nach dem Bild, das in Medien-Berichten gezeichnet wird, hat das nichts mit Corona zu tun. Laut der Süddeutschen Zeitung sei es eine „unschöne Tradition“, dass in München, sobald es warm wird, Halbstarke Polizisten angreifen. Das sei schon seit Jahren so.

Junge Leute im Stich gelassen
Offene Pubs in Großbritannien, ewige Tristesse in Deutschland
Polizei-Pressesprecher Damian Kania sieht das anders. Er spricht von einer „neuen Dimension“ der Gewalt. Er erinnere sich nicht, dass es schon einmal „so eskaliert“ sei – Flaschenwürfe gegen Polizeikräfte kenne man so in München nicht.

Doch es handelt sich nicht nur um ein Münchener Problem. Allein in der Nacht der beschriebenen Ereignisse haben in Ulm drei junge Frauen nach Polizisten geschlagen, als diese eine Ansammlung von ca. 20 Jugendlichen aufgelöst haben. In Berlin sollen sich währenddessen mindestens 300 Personen, darunter viele Jugendliche, im Görlitzer Park versammelt haben. Als die Polizei dazukam, um die Abstandsregeln durchzusetzen, haben die Jugendlichen „ganz Berlin hasst die Polizei“ gerufen, teilweise wurden Flaschen geworfen.

Neu ist auch die Häufigkeit der Ausschreitungen von Jugendlichen. Erst vor zwei Wochen hatte die Polizei im englischen Garten in München eine Prügelei unter mehreren jungen Männern unterbrochen, von denen einer mit Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Anfang April hatten in Kreuzberg 100 Jugendliche Steine und Feuerlöscher auf Polizisten beworfen. Inzwischen kann man sogar fast täglich in Regionalzeitungen von Ansammlungen von Jugendlichen lesen, die von der Polizei aufgelöst wurden.

All das lässt sich nicht mehr damit erklären, dass Jugendliche sich betrinken und eben manchmal Spaß an Gewalt haben. Die Gewalt der Jugendlichen nimmt zu, ist extremer und häufiger als früher. Die Ereignisse legen eher nahe, dass es einen Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen gibt.

Seit einem Jahr sind junge Menschen aus ihrem Alltag gerissen. Alles, was ihnen Spaß macht – Clubs, Bars, Fußball mit den Kumpels, Freunde in großem Gruppen treffen – ist verboten. Während im Ausland junge Leute wieder ausgehen dürfen, wurde in Deutschland der Bundeslockdown beschlossen. Und immer noch ist der Rückgewinn der Lebensfreude an Inzidenzwerte gekoppelt, auf die sie keinen Einfluss haben. Auch auf ein Datum für die Aufhebung aller Maßnahmen, das es in anderen Ländern schon gibt, warten sie vergeblich.

Politiker wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) haben für die Jugendlichen kein Verständnis. Die Ereignisse im englischen Garten haben ihn „fassungslos“ gemacht, sagte er in einem Interview mit Bild. Er könne nicht nachvollziehen, dass Personen sich an „keinerlei Regelungen“ halten. 

Man kann das auch anders erklären: Die junge Generation derart in die Enge zu treiben und ihre Belange völlig zu ignorieren, konnte nicht folgenlos bleiben. Es ist natürlich nicht zu rechtfertigen, aber auch kaum überraschend, dass viele Jugendliche darauf mit Alkohol-Exzessen reagieren – hemmungslos und häufig – durchdrehen und aggressiv werden. Jetzt steht die Politik vor den Scherben ihrer Gleichgültigkeit.

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