Bundesverfassungsgericht hebt Grundgesetz zu Gunsten der Klimapolitik auf

Die Karlsruher Richter verpflichten zu einer noch schärferen Klimapolitik und heben gleichzeitig das Grundgesetz auf: Grundgesetzliche Freiheiten zukünftig nur noch, so weit sie klimapolitisch als Ausnahme berechtigt erscheinen. Jede wirtschaftliche Aktivität kommt jetzt auf den Prüfstand.

imago images / IPON

aktualisierte Fassung: Dauerhafte Aufhebung von Grundrechten; angekündigte DUH-Klage gegen Nordstream2, Aufgabenverteilung im BVerfG)

Das Bundesverfassungsgericht erhebt den Klimaschutz über jede Regelung des Grundgesetzes, das den Bürger vor einem übergriffigen Staat schützt.

Künftig können selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein; gerade deshalb droht dann die Gefahr, erhebliche Freiheitseinbußen hinnehmen zu müssen. 

Das ist der wohl zentrale Satz im jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgericht. Damit wird der Weg geöffnet, künftig jede grundgesetzliche Freiheit einzuschränken wegen Klima. Es ist ein Sensationsurteil: In dem am 29.4. 2021 veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts heißt es, dass es keine ausreichenden Vorgaben für die Minderung des Ausstoßes von Treibhausgasen ab dem Jahr 2031 gebe. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, dies bis Ende nächsten Jahres genauer zu regeln. Mit anderen Worten: Die Klimapolitik massiv zu verschärfen. Dafür kann er jedes Grundrecht aushebeln.

Denn das Gericht erklärte, um die im Pariser Klimaabkommen festgelegte Begrenzung des Temperaturanstiegs zu erreichen, müssten die Ausstoß-Minderungen immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Davon sei praktisch jede Freiheit potenziell betroffen, weil fast alle Lebensbereiche mit der Emission von Treibhausgasen verbunden seien. Die Kläger würden daher in ihren Freiheitsrechten verletzt.

Politisierung des Verfassungsgerichts zahlt sich aus

Das Urteil ist ein später Sieg für Angela Merkel gegen Ende ihrer Amtszeit. Jetzt zahlt sich aus, dass sie zuletzt sogar ihren Vertrauten Stephan Harbarth als Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts durchgesetzt und damit die Politisierung des höchsten Gerichts zu einem schaurigen Höhepunkt geführt hat.

Klimaschutzurteil
Bundesverfassungsgericht: Klimaschutzgesetz reicht nicht aus
Harbarth hat schon den extrem umstrittenen Migrationspakt für Merkel im Bundestag durchgedrückt; das Amt des höchsten Richters ist die Belohnung für den Juristen, dem allerdings die sonst geforderte Befähigung fehlt: Er ist kein Verfassungsrechtler. Aber Befähigung zählt längst nicht mehr, nur Hingabe und Bereitwilligkeit, Merkels Anweisungen zu exekutieren. Und so ist das Urteil höchst fragwürdig: Es geht davon aus, dass die derzeitigen Meinungen über Ursachen und Folgen des Klimawandels auch noch nach 2031 Gültigkeit besitzen sollten. Das ist Humbug. Neuere Erkenntnisse werden sich durchsetzen. Und die junge Generation hat verloren: sie kann nicht mehr selbst bestimmen. Ihr Leben wird vorbestimmt. Auf Grund der Klage von einigen Aktivisten dann längst vergangener Tage…Opa und Oma bestimmen damit die Zukunft. Aber vielleicht gibt es dann gar keine mehr, weil die Zukunft in der Gegenwart zerstört wurde.

Es ist eine Anmaßung, wenn auf heutiger Wissensbasis die Politik für die Zeit nach 2031 festgelegt wird. Auch der Freiheitsbegriff wird sehr einseitig ausgelegt. Das Gericht argumentiert, dass von der Klimapolitik praktisch jede Freiheit potenziell betroffen sei, weil fast alle Lebensbereiche mit der Emission von Treibhausgasen verbunden seien. Die Kläger würden daher in ihren Freiheitsrechten verletzt; insbesondere die jüngere Generation. Wir legen also heutige Kenntnisse als Maßstab für eine Zukunft an, die wir nicht kennen und nennen das „Freiheitsrechte“? Das Bundesverfassungsgericht hat die Gesetzgebung der Bundesregierung zu überprüfen, nicht mit angemaßtem Wissen eigene Ziele zu verfolgen. Das ist nicht seine Aufgabe. Harbarths zweiter Senat ist für die staatliche Organisation verantwortlich. Er hat ein Super-Grundrecht definiert.

Jede Tätigkeit kann jetzt verboten werden

Mit dieser Art Juristerei kann zukünftig alles rechtlich erlaubt oder verboten werden, denn irgendwie hängt immer alles mit Allem zusammen, was ein Klimagas erzeugt. Also, die Pandemie beeinflußt massiv die Gesundheitslage im Jahr 2032? Vermutlich, denn das Virus wird sich nicht wegregieren lassen. Also wird, um die Freiheitsrechte zu garantieren, das Corona-Regime kurzerhand verlängert. So einfach geht das, wenn man so holzschnittartig argumentiert. Alles ist eine Freiheit, die wird festgelegt und überhöht. Konsequenterweise plant einer der Kläger, die Deutsche Umwelthilfe, jetzt auch gegen die Genehmigung der fast fertiggestellten Gaspipeline Nordstream 2 vorzugehen. Klar: Jede wirtschaftliche Aktivität ist künftig untragbar.

Die Freiheit, sein Leben zu führen wie man will, die Freiheit zu wirtschaften, die Freiheit der Mobilität und die Freiheit, sich ein Eigenheim zu gönnen: Alle diese Freiheiten werden der vermeintlichen Freiheit einer zukünftigen Generation untergeordnet. Wer einen Faktor in der Vielgestaltigkeit überhöht, hier das Klima, kann daraus alles ableiten. Und so wird dann eben Deutschland für Bauern in Peru bezahlen müssen und auf Samoa, weil auch deren Freiheit durch den angeblich klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels oder durch Klimaänderungen betroffen sein könnte. Deutschland ist endgültig der Letztverantwortliche weltweit. Die Freiheit der hier lebenden Menschen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, spielt dagegen keine Rolle.

Wird aber jetzt die Klimapolitik weiter verschärft, wird von Wirtschaft in Deutschland wenig übrigbleiben. Man ahnt schon die Klagen gegen die Stahlindustrie. Ist ihr Schadstoffausstoß heute nicht ein Angriff auf die Freiheit von Mitgliedern der Erbengemeinschaft „Fridays for Future“ im Jahr 2035? Nutztierhaltug – weg damit, Verkehr: Stopp! Wer so vage argumentiert, öffnet der Willkür Tür und Tor. Wer braucht schon Chemie? Weg damit, die Freiheit 2033 ist wichtiger.

Angela Merkel will das alles. Mit rationalen Überlegungen hat ihre Politik ja immer weniger zu tun. Kein Argument spricht für ihre Corona-Politik, und doch wird sie exekutiert. Sie ähnelt im Ergebnis der geforderten Klima-Politik: Ihr geht es um das Abwürgen wirtschaftlicher Aktivität. Harbarth hat geliefert.

Deutschland isoliert sich

Ist die von Merkel provozierte Masseneinwanderung nicht auch klimaschädlich? Man merkt: Die Abwägung von Grundrechten erfolgt leichthändig und unüberlegt. Die Argumentation hält keinen Tag:

Lockerungen statt Lockdown
Wie immer: Deutschland ist auch coronapolitisch auf dem Sonder- und Holzweg
Deutschland isoliert sich; seine Politik der bedingungslosen Grenzöffnung stößt auf immer entschiedeneren Widerstand der Nachbarn und Partner in der EU. Mittlerweile geht Deutschland auch in der Coronapolitik einen Sonderweg des fortgesetzten Lockdowns, während die meisten Nachbarländer allmählich lockern und ihre wirtschaftlichen Grundlagen schützen. Aber auch in der Klimapolitik wird Frankreich dem Nachbarn Deutschland nicht folgen und seine Kernkraftwerke eben nicht abschalten, sondern im Gegenteil weiter die Entwicklung der Nuklearindustrie fördern. Oder zwingt uns jetzt das Bundesverfassungsgericht dazu, die Kernenergie in Deutschland wieder einzuführen, um die Freiheit künftiger Generationen zu bewahren? Ach nein, so war das dann doch nicht gemeint von den feinen Richtern, sondern nur opportunistisch?

Aber nicht um Einzelentscheidungen geht es.

Deutschland ist zu einem Land geworden, dessen Rechtssystem ausgehöhlt, dessen Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht geschleift und zerstört wurden, dessen Wirtschaft zum Stillstand kommen soll.

Es ist eine sich zuspitzende Katastrophe für Deutschland, dessen institutionelle Grundfesten von Merkel zerstört wurden. Und keiner stellt sich dem in den Weg.

Es gibt viele Harbarths in Deutschland. Und der Weg ist bereitet, um die Corona-Einschränkungen auf Ewigkeit zu verlängern – mit einer vorauseilenden Rechtfertigung durch das Bundesverfassungsgericht, das den Klimaschutz über die Grundrechte erhebt und zu einem allgemeinen Staatsziel über jede Norm hinaus erhebt.

 

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 348 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

348 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Jamuro
3 Jahre her

wie fast immer, Danke für diesen Beitrag , Herr Tichy. Es ist wohltuend, dass es doch noch und hoffentlich zunehmend Menschen gibt in unserem Land, die noch gerade denken und urteilen können und die sich nicht ständig ver***** lassen wollen. Wäre ich 30 Jahre jünger, würde ich mit meiner Frau keine Sekunde lang zögern auszuwandern um dieser Gender-Gaga-Gutmenschen-Kriminellenrepublik zu entkommen. Dazu muss man Gottseidank nicht an das Ende der Welt reisen. Meist genügen schon ein paar Kilometer.

Lars Baecker
3 Jahre her

Das Bundesverfassungsgericht hat handstreichartig aus Abwehrrechten des Bürgers gegen den Staat (ehemals Grundrechten) Schutzrechte des Staates gegen den Bürger gemacht. Was sich aus diesem Grundgesetz so alles herauslesen lässt, wenn man sich nicht zu blöde ist, es zu behaupten, ist wirklich erstaunlich. Ich hatte mal ein Buch gelesen, welches sich „Fürchterliche Juristen“ nennt. Habarth und Konsorten werden in einigen Jahren in einer Neuauflage darin vielleicht auch einmal erscheinen und zwar als Totengräber der Grundrechte und einer Verfassung, für die wir mal beneidet wurden.

Gottfried
3 Jahre her

In einem Rechtsstaat muss das Recht von von einem normal gebildeten Durchschnittsbürger verstanden werden. Ich bin überzeugt, ganz unabhängig von der Richtigkeit dieser Entscheidung, dass die ganz überwiegende Mehrheit die rechtlichen Überlegungen des Gerichts gar nicht versteht und nicht nachvollziehen kann. Das Verfassungsgericht hat Herrschaftsrecht gesprochen, das einer bestimmten Elite Macht verschafft. Es ist wirklich schön langsam an der Zeit, dass wir uns dagegen wehren!

MCL
3 Jahre her

Zum weiteren Verständnis bzw. Beurteilung der Ziele der politischen Akteure empfehle ich die Lektüre der „Smart City Charta“, heraus gegeben vom BM für Umwelt, Naturschutz Bau und Reaktorsicherheit.

bfwied
3 Jahre her
Antworten an  MCL

Soziologische Termini, wolkig, völlig unkonkret, Versprechungen, die modern und fortschrittlich klingen, aber eben immer die Gleichheit aller im Zentrum stehen haben und damit den Sozialismus. Eben eine moderne Absichtserkärung!

friedrich - wilhelm
3 Jahre her

……keine reaktion von den gewerkschaften, keine von den arbeitgebern“ doch: wir haben beschlossen unsere ca. 17000 mitarbeiter aus gründen der rechtsprechung des verfassungsgerichtes zu kündigen!

Mausi
3 Jahre her

Es wird sich auch auf lange Zeot keine 2/3 Mehrheit für eine Änderung finden. Entweder für die Bestimmung des Ranges innerhalb der GrundR oder die Aufhebung. Irgendwie haben zu wenig Menschen ein Gespür dafür, wann es für unsere Abwehrrechte gegenüber dem Staat bedrohlich wird. Aber wie auch, wenn die Grundrechte dem Zeitgeist geopfert werden, weil kaum einer ihre eigentliche Aufgabe kennt. Oder diese Aufgabe nicht zu schätzen gelernt hat.

Last edited 3 Jahre her by Mausi
Christa Wallau
3 Jahre her

Leider muß ich Ihnen zustimmen, lieber Epigone. „Deutschland schafft sich ab.“(Sarrazin) – Die Mehrheit der Bewohner dieses Landes hat offenbar den Drang, den eigenen Untergang zu betreiben – auf welche Weise auch immer. Man sollte sich wirklich den persönlichen Schmerz darüber verbieten. Mein Mann und ich haben drei wohlgeratene Kinder und hätten uns früher über Enkelkinder sehr gefreut, bekamen aber keine. Heute sind wir froh darüber. Jetzt brauchen wir uns um die schon keine Sorgen zu machen! Ins europäische Ausland auszuwandern, z. B. nach Frankreich oder Italien, ist nämlich auch keine gute Option. Lediglich die Schweiz, wo – Gott-sei-Dank –… Mehr

oneofcommunity
3 Jahre her

Chapeau! Bester Kommentar seit langem! Sie haben das (unser) Wrack kühl und sachlich beschrieben. „Nationale Autoimmunerkrankung“ trifft es fast perfekt nur für das „national“ ist noch eine dem Hintergrund angemessene Kreativität zu bemühen.
Wir „nabeln“ uns auch schon seit längerem ab und setzen so langsam die Segel. Man sollte ablegen solange die Fahrrinne noch „frei“ ist – ich sehe die Zombies sich schon an den Ufern sammeln.

J. Werner
3 Jahre her

Alea iacta est. Cäsar*Innen – Wahn. Die Klimaretterweltreligion kennt nur noch ihre CO2 – Agenda, dieses Land steht in einer Reihe von Theokratien in der Geschichte der Menschheit. Wie dem Aztekenreich Montezumas, wo die Hohen Priester der Sonne als Gottheit Menschen opferten, indem sie bei lebendigem Leib deren Herzen herausschnitten. Und hier und heute ist ein Pseudoreligiöser Fundamentalismus der Grünen Ökostalinisten von Merkel, Söder bis Kretschmann und Baerbock, von Klaus Schwab, Lagarde bis von der Leyen, bereit, Deutschland und weite Teile der EU in Hungersnot , Armut, Blackout, sowie Arbeitslosigkeit, Unfreiheit und die Ökodiktatur zu schicken. Montezumas Rache?! Nein, grenzenloser… Mehr

Jennifer Seidelmann
3 Jahre her

Lieber Herr Tichy, im Update Ihres Artikels hat sich leider ein sachlicher Fehler betreffend die aktuelle Besetzung des Bundesverfassungsgerichts eingeschlichen: Prof. h. c. Dr. iur. Stephan Harbarth ist Vorsitzender des ERSTEN Senats des Bundesverfassungsgerichts, der wie Sie zutreffend schreiben vorrangig für die Grundrechte zuständig ist (§ 14 Absatz 1 BVerfGG). Vorsitzende des Zweiten Senats, der sich primär mit staatsorganisationsrechtlichen Fragen befasst (§ 14 Absatz 2 BVerfGG), ist die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. iur. Doris König, M. C. L. Da die Beschwerdeführer ihre Verfassungsbeschwerden auf die Unvereinbarkeit einzelner Regelungen des Klimaschutzgesetzes (KSG) mit Ihren Grundrechten aus Artikel 1 Absatz 1… Mehr

Namor
3 Jahre her
Antworten an  Jennifer Seidelmann

danke!