Die Bundesländer zeigen ihre Muskelattrappen

Im Bundesrat gaben einige Ministerpräsidenten nur starke Sprüche gegen das Infektionsschutzgesetz von sich und drückten sich vor dem Konflikt. Einen besonders schlanken Fuß haben sich die in den Ländern mitregierenden Grünen gemacht.

IMAGO / Stefan Zeitz

Wenn sich nicht einmal mehr der Bundesrat für ihn stark macht, dann steht es schlecht um den Föderalismus, also die zweite, die vertikale Säule der Gewaltenteilung. Was der Bundesrat nämlich am 22. April zum Infektionsschutzgesetz (IfSG) bei einer außerordentlichen Sitzung geboten hat, ist eine Farce.

Da lässt es sich der Bundesrat zunächst gefallen, dass das neue IfSG nicht zum Zustimmungsgesetz erklärt wird, sondern zum Einspruchsgesetz heruntergestuft. Das heißt: Das Gesetz sollte die Zustimmung des Bundesrates gar nicht brauchen, wiewohl es in die Kompetenzen von Ländern und Kommunen eingreift. „Einspruchsgesetz“ sollte es bleiben. Der Bundesrat hätte also den Vermittlungsausschuss anrufen müssen.

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Nicht einmal das hat er getan. Aber starke Sprüche gab es im Bundesrat. Mehrere Ministerpräsidenten wollten Muskel zeigen, aber es waren nur verbale Muskelattrappen. Es war die Rede von „Tiefpunkt in der föderalen Kultur“ (Haseloff, CDU, Sachsen-Anhalt), „kurzatmiger Aktionismus (Weil, SPD, Niedersachsen), „schwerer Konstruktionsfehler“ (Schwesig, SPD, Mecklenburg-Vorpommern), „verfassungsrechtlich problematisch“ (Bouffier, CDU, Hessen). Und so weiter. Von den beiden „Stars“ unten den Ministerpräsidenten, Laschet (CDU) und Söder (CSU), hörte man gar nichts. Sie waren schon vorher auf Merkel-Linie. Die insgesamt sechs Ministerpräsidenten, die im Bundesrat das Wort ergriffen, praktizierten damit auf prominenterem Niveau etwas, was zuvor schon einige besonders „mutige“ MdBs nach der Methode praktiziert hatten: „Ich bin ja eigentlich gegen das IfSG, aber ich stimme dafür.“ Der Abgeordnete, der ja nur seinem Gewissen verpflichtet sein soll, erneut als braver Untertan!?

Ergebnis im Bundesrat: Es gab – entgegen den Berichten vieler Zeitungen und Sender – überhaupt keine Abstimmung im Bundesrat. Damit war das IfSG „gebilligt“. Außer Spesen also nichts gewesen. Klar, Bundespräsident Steinmeier, der ja zur genauen Prüfung des Gesetzes verpflichtet gewesen wäre, hatte schon den Stift gezückt, um es noch am gleichen Tag zu unterzeichnen.

Wieder einmal einen schlanken Fuß haben sich die staatstragenden „Grünen“ gemacht. Im Bundestag hatten sie sich (bis auf eine Gegenstimme gegen das IfSG) der Stimme enthalten. Das gleiche Verfahren praktizierten sie nun klammheimlich im Bundesrat. Immerhin sitzen sie in 11 der 16 Landesregierungen. Aber sie haben sich nicht einmal innerhalb ihrer Landeskoalition gegen die Entmündigung der Länder stark gemacht. So ist nun mal “grüne“ Politik: Sich bloß nicht nass machen!

Noch etwas, was im ganzen hektischen Durcheinander völlig unterging: Massive Folgen hat die Bundes-Notbremse auf den Rechtsschutz der Bürger. Wer Maßnahmen wie die Ausgangssperre für unverhältnismäßig hält, kann dagegen jetzt nicht mehr vor ein Verwaltungsgericht gehen. Nein, er muss per Verfassungsbeschwerde das Bundesverfassungsgericht anrufen. Eine Anrufung der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe ist nämlich nicht mehr möglich, denn eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO, die gegen die Verordnungen der Landesregierungen möglich war, steht hier nicht zur Verfügung.

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Kommentare ( 14 )

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Dieter Rose
3 Jahre her

Räterepublik ohne Volkskammer.
oder Bevölkerungskammer.

November Man
3 Jahre her

Die Grünen sind hinterhältig und komplett verlogen.
Im Bundestag und Bundesrat sind sie für das unsinnige Infektionsschutzgesetz, fordern sogar noch härtere Maßnahmen, und im deutschen L-Fernsehen sind sie dagegen.
Wer die Grünen immer noch nicht durchschaut hat, was das für eine linke Partei ist, der tut mir leid.

Herr Schmidt
3 Jahre her

Welche Parteien haben also dafür gestimmt( in den Ländern durch durchwinken):
CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke, freie Wähler,
Welche dagegen: AfD

Dieter Rose
3 Jahre her
Antworten an  Herr Schmidt

FDP und Linke: alle MdB haben dagegen gestimmt.
Muss zur Kenntnis genommen werden.

Hartwig Sendner
3 Jahre her

Was soll man dazu noch sagen ?
Am besten wir schaffen diese 16 Bundesländer ab, denn anscheinend kosten die nur horrend viel Geld (16 Parlamente) aber leisten sich keine eigene Politik mehr.
Wenn man selbst feststellt, dass man nicht mehr gebraucht wird sollte man sich so ehrlich machen und abdanken. Das wäre nur logisch !

Peter M3
3 Jahre her

Das wäre eine Chance, ja sogar Steilvorlage für Herrn Laschet gewesen, sich zu profilieren und von der „Ära Merkel“ abzusetzen. Aber nichts dergleichen. Mit so wenig Charisma Bundeskanzler werden zu wollen, ist schon ein kühnes Unterfangen!

Aber offensichtlich gilt die Breschniew-Dokrin nicht nur für die Grünen. Und überhaupt steht es noch in den Sternen, ob die Wahl am 26.09.21 stattfindet? Bis dahin wird man noch viele „Mutanten“ finden.

Leonor
3 Jahre her

Ich habe meinen Mann gefragt, wie fühlt sich wohl diese Person M.am Abend nach der Unterschrift von Steinmeier? Freude? Genugtuung, jetzt habe ich es ihnen gezeigt?
Mein Mann meinte nein, völlige Ruhe und Selbstverständlichkeit. Sie hat Recht, sie weiß es am besten, also kann es nur so kommen,wie sie es wünscht.
In Überzeugung,dass sie das Land am besten regiert,auch wenn in den Tod,so will das Merkel Gesetz.
Wir brauchen eine Lawine vo von außen, die sie weg spült. Die Witzfiguren im Land können es nicht.

Mohikaner
3 Jahre her
Antworten an  Leonor

@Leonor: …. und so spaltet diese FdJ-Sekretärin nach der EU, nach unserem Land, der CDU, dem Bundestag, den Bundesländern, der Gruppe der Künstler und Schauspieler auch noch die Familien und Freundeskreise. Wo diese Person ihren Einfluss geltend macht, gibt es Streit, Eskalation und Spaltung. Und genau das ist gewollt. Das ist auch der Hintergrund dieser gesamten Kontaktbegrenzungen: Die Gesellschaft, die Familie, Freundeskreise sollen gespalten werden. Nur so kann man eine Gesellschaft umbauen, weil es dann nämlich keine homogene Gruppe mehr gibt, die sich dagegen wehrt. Auch die uns aufgezwungene Migrationswelle ist ein Teil davon. Divide et impera (teile und herrsche):… Mehr

Gisela Fimiani
3 Jahre her

Die Väter des Grundgesetzes haben die Abgeordneten auf deren Gewissen verpflichtet und sie damit völlig überfordert. Eigennutz oder Gewissen……im Zweifel ist das Hemd näher als der Rock. Das Gewissen wird zur Last, wenn man sich aufgefordert sieht, es in Taten umzusetzen.

Dozoern
3 Jahre her

Ekelerregend wie sich die Ministerpräsidenten verhalten haben! Ich habe kein Vertrauen mehr in die Politiker dieses Landes. Einige wenige davon ausgenommen. Herr Willisch von der CDU hat wieder einmal Flagge gegen seine Partei gezeigt. Er kann sich das leisten, weil er direkt gewählt wird. BEENDET DIESES ELENDE VERHÄLTNISWAHLRECHT DEUTSCHER PRÄGUNG MIT LISTENPLÄTZEN! UND BEENDET DAMIT DIE PARTEIENHERRSCHAFFT! Es gefährdet die Demokratie.

imapact
3 Jahre her

Die Strategie der Grünen ist klar. Natürlich passt denen ein solches Ermächtigungsgesetz in den Kram… so lassen sich künftig auch andere Zwangsmaßnahmen dem unwilligen Volk aufdrängen; man muß nur einen anderen „Notstand“ ausrufen.
Gleichzeitig wissen sie, daß auch unter ihren Sympathisanten diese Übergriffikeit des Staates nicht (mehr) allzu populär ist – also halten sie sich vornehm zurück, um sich im Zweifelsfalle dann doch wieder davon distanzieren zu können.

Petrus55
3 Jahre her
Antworten an  imapact

Genau so läuft das. Mit diesem Gesetz gibt man der zukünftigen, vermutlich grün linken, Regierung das perfekte Mittel in die Hand, den ewigen Ausnahmezustand auszurufen.
Es gibt nämlich viele Arten von Notstand:
Klimanotstand
Asylnotstand
Schuldennotstand
Bildungsnotstand
Energienotstand
……….. um nur eine kleine Auswahl zu nennen

Last edited 3 Jahre her by Petrus55
rainer erich
3 Jahre her

Wie bereits geschrieben : Das wirklich einzige, dass die Totalitaeren noch hemmt oder ärgert ist die Rechtsprechung der unteren Instanzen, auf deren Besetzung sie nicht den Einfluss ausüben koennen wie bei den obersten Gerichten, allen voran das rein politisch besetzte BVerfG. Es galt also, den Rechtsschutz auszuhebeln oder deutlich zu erschweren. Das ist gelungen und sollte als das gesehen werden, was es ist, naemlich die Entmachtung der Judikative als dritter, kontrollierender Gewalt. Damit sind die auch leidigen Eilverfahren vom Tisch, die wegen ihrer raschen Entscheidungen besonders lästig sind. Das BVerfG, ohnehin de facto ein Politgerichtshof, hat es nun gar nicht… Mehr