„Eklige Ironie“, „Bizarr“, „unmenschlich“ – die Hasswelle gegen „#allesdichtmachen“

Das Who’s Who der deutschen Schauspielszene kritisiert die Corona-Politik. NoCovid-Ideologen und Medien laufen Sturm. Doch die schrille Empörung und offen an den Tag gelegte Humorlosigkeit dürfte vor allem auf die Kritiker selbst abfärben.

Screenshots allesdichtmachen.de

Satire ist betreutes Beömmeln über den Hautton von Donald Trump, die Krawatte von Alexander Gauland oder die Haare von Boris Johnson, alles, damit die Zuseher in der richtigen Haltung bestärkt werden – so dachte man jedenfalls. Doch jetzt gibt es tatsächlich eine Aktion, bei der sich das Who’s Who der deutschen Schauspielszene versammelt hat und sich über die Regierung eines Landes im Corona-Maßnahmen-Verschärfungswettbewerb lustig macht. U.a. Jan Josef Liefers, Meret Becker, Richy Müller, Heike Makatsch, Ulrich Tukur, Wotan Wilke Möhring, Nadja Uhl, Ulrike Folkerts sind dabei. Mehr zur Initiative selbst hier:

Bis wann die NoCovid-Aktivisten wohl gebraucht haben, um zu merken, dass die Initiative „allesdichtmachen“ sie gar nicht wirklich unterstützt?

Wenn etwa Jan Josef Liefers sagt: „Danke an alle Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr dafür sorgen, dass der Alarm bleibt, wo er hingehört: nämlich ganz, ganz oben. Und dafür sorgen, dass kein unnötiger Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung. Verantwortungslosen, menschenverachtenden Ärzten und Wissenschaftlern, die zu anderen Schlüssen kommen als die beratenden Experten unserer Regierung, und die sich mit Professuren an weltberühmten Universitäten und Nobelpreisen schmücken, ich möchte sagen, tarnen, dürfen wir keine Bühne geben!“. 

Oder wenn Ulrich Tukur fordert: „Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden, nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte“ sollten dicht gemacht werden.

Man spürt förmlich, wie diese Aktion die Ideologen für eine absolut gesunde Gesellschaft zur Weißglut treibt. Auf Twitter geht es los. Der Publizist Enno Park schreibt, es werde „als Stilmittel ironischer Spott verwendet, unter anderem um sich über das Tragen von Masken oder die Warnung vor geschlossenen Räumen lustig zu machen. Dieses Lustigmachen ist angesichts des realen Leidens auf den Intensivstationen für sich schon boshaft und unmenschlich“. Moderator und Rettungssanitäter Tobias Schlegl: „Die Schauspieler*innen von allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben.“ Der Medienjournalist Stefan Niggermeier sagt: „Bekannte, geschätzte Schauspielerinnen und Schauspieler kämpfen mit ekliger Ironie gegen #Corona-Maßnahmen. Ich kann das gar nicht glauben. Das ist grauenhaft. Nicht nur von der Zielrichtung her, sondern vor allem in der Form.“ Jan Böhmermann startet gleich eine Gegenbewegung „allenichtganzdicht“.

Die Liste der Schmähungen, der Diffamierungen, der Drohungen und Beschimpfungen lässt sich beliebig fortsetzen. Doch diesmal ist es anders. Die Prominenz, die sich hier mit der Aktion versammelt hat, überstrahlt die Twitter-Blasen. Die einstudierte Haltungs-Empörung prallt an der Aktion „Allesdichtmachen“ ab – denn gute Satire kann man nicht kritisieren. Und so gibt sich die versammelte Corona-Hardlinerszene selbst der Lächerlichkeit preis.

Auch in den Medien geht es natürlich los: Der Tagesspiegel schreibt gleich in die Überschrift „Verunglückte Netz-Kampagne“, das RND kommentiert: „Warum die Aktion „Alles dicht machen“ eine Verhöhnung der Coronatoten ist“, Focus Online titelt: „Deutsche Schauspiel-Stars starten bizarre Kampagne gegen Medien und Bundesregierung“. Alles ganz nach dem Motto: Regierungskritik per se ist rechts, wer für Grundrechte eintritt, ist ein Menschenfeind. Eigentlich bestätigen all diese Stimmen die Aktion der 53 Schauspieler nur in spektakulärer Art und Weise. 

Auch, dass die Initiative Beifall von der falschen Seite bekommen würde, wird als diffamierendes Stillschweige-Argument herangezogen. Schließlich habe eine AfD-Politikerin die Aktion gelobt, auch „Querdenker und Corona-Leugner“ feierten die Aktion laut Focus Online. Doch diese Kritik hat man wohl schon kommen sehen und sich mit einem Clip dagegen immunisiert. Christian Ehrich erläutert dort, warum das ganze Publikum nach einem Theater-Stück am besten ganz nach links gehen sollte – damit alle sehen, dass man von der richtigen Position aus Beifall klatscht:

Andere linke Kreise dürften die Videos erst einmal perplex zurücklassen. Regierungskritische Schauspieler – als wäre das in Deutschland nicht ohnehin eine Sensation, es ist auch noch genau die Szene, die bei jeder Klimainitiative mitmachen würde und auch ansonsten tief in den Herzen des ZEIT-lesenden neobürgerlichen Milieus verankert ist. Und dann in diesem Aufgebot: Ein Großteil der bekannten deutschen Schauspieler ist dabei. Das hat eine Wucht und dürfte gerade in linken politischen Kreisen viel auslösen. Insofern kann man die Wirkung dieser Initiative, die ohne Promotion sofort viral ging, die Twitter-Trends beherrscht und schnell hunderttausende Clicks generierte, gar nicht unterschätzen. Und im urbanen rotgrünen Milieu, dessen Lebensweise stark von den Corona-Maßnahmen eingeschränkt wird, mehren sich in letzter Zeit ohnehin schon die kritischen Stimmen.

— Jonas Schmidt-Chanasit (@ChanasitJonas) April 22, 2021

Jetzt soll vermutlich Druck auf die Schauspieler ausgeübt werden, damit die sich am besten feierlich entschuldigen und Besserung geloben. Heike Makatsch hat das bereits getan und sich distanziert. Der Rundfunkrat Garrelt Duin forderte sogar, der WDR müsse Liefers und Tukur sofort rausschmeißen: „Die zuständigen Gremien müssen die Zusammenarbeit – auch aus Solidarität mit denen, die wirklich unter Corona und den Folgen leiden – schnellstens beenden.“ twitterte er.

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