US-Präsident Bidens Kommission zur Reform des Obersten Gerichtshofs zeigt: Die Politisierung der Judikative scheint sich fortzusetzen. Davon profitiert keines der zerstrittenen Lager.
Es war eines seiner zentralen Versprechen im Wahlkampf, nun hat der neue US-Präsident Joe Biden es eingelöst. Er rief eine Kommission ins Leben, die sich mit einer möglichen Reform des Obersten Gerichtshofs, des „Supreme Court“, befassen soll. Unter anderem geht es um eine potenzielle Aufstockung der Sitze des Gerichtshofs, das sogenannte „court packing“, um die Art und Weise des Auswahlprozesses von Richtern, die Länge von deren Amtszeit sowie die Rolle des „Supreme Court“ im Verfassungssystem.
Nicht die Intention der Gründerväter
Unabhängig vom Inhalt des Berichts lässt sich schon jetzt feststellen: Die Politisierung der Judikative ist ein beunruhigendes Phänomen. Ob Lebensschutz, gleichgeschlechtliche Ehe oder Religionsfreiheit – allzu oft war es das höchste US-Gericht, das die politische Richtung bestimmte, nicht das Parlament. Dass der „Supreme Court“ als Werkzeug fungiert, um Vorhaben umzusetzen, für die sich im Kongress keine Mehrheiten finden lassen, kann gewiss nicht die Intention der Gründerväter gewesen sein. Egal, ob dem Obersten Gerichtshof nun neun, zwölf, fünfzehn oder fünfundzwanzig Richter angehören, egal ob sie auf Lebenszeit amtieren oder ihr Dienst auf eine bestimmte Zeit begrenzt wird: Es ändert sich nichts an der grundsätzlichen Konstellation, dass zwei miteinander unvereinbare juristische Denkschulen um die Deutungshoheit der amerikanischen Verfassung konkurrieren – Anhänger einer wörtlichen Auslegung und solche einer Interpretation unter Berücksichtigung der zeitlichen Umstände.
Nicht auf Rechtsprechung der Gerichte verlassen
Für amerikanische Christen gilt inmitten des Gezänks: Ärmel hochkrempeln, politische Arbeit an der Basis verrichten und für die eigenen Überzeugungen werben. Das mag zwar mühsam sein, würde deren Anliegen aber auf ein viel breiteres, politisch legitimiertes Fundament stellen, als wenn man sich nur auf die Rechtsprechung der Gerichte verlässt.
Dieser Artikel von Maximilian Lutz erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.
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Haben wir auch eine Politische Justiz in Deutschland ?
Gerade eben gefunden !
Schlagzeile bei DW !
Verfassungsgericht: Klimaschutzgesetz geht nicht weit genugDas oberste deutsche Verfassungsgericht hat eine Entscheidung gefällt, die Umweltschützern den Rücken stärkt – und dem Gesetzgeber eine Klatsche verpasst.
Eine politische Justiz nützt den machthabenden Politikern und deren Strippenziehern, bestimmte Projekte gegen die demokratische Mehrheit durchzudrücken.
Am Vorteilhaftesten wird es dann durch „strategische Prozessführung“ indem bestimmte Musterfälle genutzt werden, um das Rechtssystem umzubauen. Wie Feldhamster beim Autobahnbau. (Insider-Witz)
Dumme Menschen, die das System der Gewaltenteilung nicht verstehen, verspüren.offenbar den äußerst dummen Drang selbige zu zerstören, um selbst überall mitquatschen und bestimmen zu können, obwohl es intellektuell nicht dazu reicht …. ist bei uns auch so …
„Die Politisierung der Judikative ist ein beunruhigendes Phänomen.“ Das ist natürlich richtig. Trotzdem ist mit einer politisierten Justiz sehr wohl denjenigen geholfen, die ein bestimmtes Anliegen durchbringen möchten und von Vornherein auf Gleichgesinnte in Gerichten zählen können. Die 16 Mitglieder des hiesigen Bundesverfassungsgerichts werden jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt, die abwechselnd auch den Präsidenten und den Vizepräsidenten bestimmen. Für die Wahl ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. „Das soll die Ausgewogenheit in den Senaten sicherstellen“, heißt es auf der Website des BVerfG. Das Verfahren trägt dem Umstand Rechnung, dass Richter auch nur Menschen mit religiösen, politischen und… Mehr
Bitte 2016, Merrick Garland / Mitch Mcconnell, und was daraus folgte, nicht vergessen. Diese Wunde ist noch nicht verheilt. Haltet den Dieb !
Glaubhaft ist eine Reform des obersten Gerichtshofes für mich dann, wenn amtierende Politiker davon nicht profitieren. Beispielsweise durch eine Amtszeitbegrenzung nur für neu ernannte Richter. Denn was soll das, wenn ein Richter 93Jahre alt ist und Zeichen von Senilität aufweist? Daher würde ich sagen, sie machen es ähnlich wie in Deutschland. 12 Jahre Amtszeit und idealerweise ein Höchstalter bei der Ernennung. Bei der Zahl der Richter würde ich nichts oder nur wenig machen. Niemand hat etwas davon, wenn es 25 Richter gibt.
Das grundlegende Problem ist die Besetzung der Gerichte (egal ob Supreme Court oder BverfG) durch die anderen Gewalten (Legislative & Exekutive). Damit kann die Judikative niemals unabhängig sein. Richter sollten gewählt werden unter der Vorgabe, dass sie weltanschaulich neutral zu handeln haben. Zwar ist auch dann eine Beeinflussung nicht ausgeschlossen, aber sie ist zumindest nicht mehr garantiert, so wie aktuell und liegt dann in der Hand der Mehrheitsbevölkerung.
Law is a downstream from politics, politics is a downstream from culture, culture is a downstream from religion.
Mit Mehrheiten, Wahlen, etc. wird weder in den USA, noch hier bei uns je wieder etwas zu ändern sein, solange das Fundament nicht mehr da ist und/oder auf komplett falschen Grundannahmen aufbaut: nämlich der Gleichheit („diversity“) statt der Freiheit! (vgl. Kuehnelt-Leddihn, Die falsch gestellten Weichen; Gleichheit oder Freiheit)
Diese Freiheits-Quelle muss also wieder Golgotha werden, denn es war Christus, der uns zur Freiheit befreit hat! Oder es wird der Berg Hira, der Obersalzberg oder der Pik Ismoil Somoni sein.
Die Politisierung der Justiz ist nicht vorwiegend Schuld der Gerichte, die aus Machthunger politische Fragen an sich ziehen. Sie ist zum großen Teil Schuld der Politik, die politische Fragen nicht klärt und sie den Gerichten zuschiebt.
In Deutschland gilt dies etwa für europarechtliche und EZB-Fragen: Die Politik bricht Recht, anstatt sich an geltendes Recht zu halten oder es zu ändern, und plötzlich muss das Verfassungsgericht bewerten, welche geldpolitischen Theorien gelten und was die Folgen von EU-Schulden sind – alles keine Rechtsfragen. Eigentlich unerträglich. Die Politisierung der Rechtsprechung beruht hier eindeutig auf einem Versagen der Politik.