Für Diana Johnstone, Autorin des Buches: Die Chaos-Königin, Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht ist die Kandidatin der Demokraten nicht nur die Galionsfigur des Establishments in Washington, sondern Teil des Military Industrial Complex', vor dem Dwight D. Eisenhower schon 1961 warnte.
Das Zweiparteiensystem in den USA erlaubt den Wählern alle vier Jahre die Wahl zwischen nur zwei Kandidaten. Wofür steht Hillary Clinton, die Kandidatin der Demokraten für die US-Präsidentschaft? Wie hat sich die Welt in der langen Zeit ihres politischen Wirkens verändert, und wie hat sie sich mit ihr verändert.
Folgende Gedanken, formuliert im FOCUS, scheinen weit verbreitet: „In den USA finden sich derzeit viele Bürger, die leidenschaftlich bis fassungslos über Trump schimpfen und ihre Sorgen darüber zum Ausdruck bringen, was er mit ihrem Land anstellen könnte. Fragt man sie unmittelbar nach einem solchen Ausbruch, ob sie also für Hillary stimmen werden, antworten viele von ihnen ohne mit der Wimper zu zucken mit Nein. Denn das Unbehagen oder gar der Hass gegenüber Clinton sind in großen Teilen der Gesellschaft nicht geringer als gegen Trump.
Woran liegt das? Hillary Clinton und die amerikanische Wählerschaft verbindet eine sehr lange Geschichte. Spätestens seit Anfang der 90er-Jahre gibt es in Amerikas Politik kein Entkommen vor dieser Frau. Ein Blick in ihre Vergangenheit hilft, ihre aktuellen Probleme im Wahlkampf besser zu verstehen.“
Das Zweiparteiensystem in den USA erlaubt den Wählern alle vier Jahre die Wahl zwischen nur zwei Kandidaten. Hillary Clinton gilt seit jeher als erste Wahl der Großkonzerne, der Finanz-Eliten, der Industrien, Medienunternehmen und dem Militärkomplex, die sie damit als ihre Interessenvertreterin bestätigen und ihren Wahlkampf finanzieren. Der Aufsteiger Donald Trump ist da viel weniger berechenbar.
Ein neues Buch über Hillary Clinton
Im März d. J. erschien in Deutschland eine neues Buch über Hillary Clinton. Die Autorin Diana Johnstone ist Amerikanerin, 1934 in Minnesota geboren und hat sich über den Protest gegen den Vietnam-Krieg politisiert. Schon früh ging sie als Journalistin nach Europa, arbeitete im Europa-Parlament als Pressesprecherin bei den Grünen, deren Politik sie letztlich jedoch enttäuschte. Die heute 82-Jährige lebt seit 40 Jahren in Paris und hat soeben ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „Die Chaos-Königin – Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht“.
In ihrem Buch beleuchtet Diana Johnstone anhand zahlreicher Episoden den langen Werdegang von Hillary Clinton, der sie zu den höchsten Ämtern der USA führen sollte: 2001 bis 2009 Senatorin für den Bundesstaat New York, von 2009-2013 Außenministerin und jetzt Präsidentschaftskandidatin. Nicht zu vergessen ihre Rolle als „First Lady“ an der Seite von Bill Clinton (1993 bis 2001), wo sie sich besonders für die Rechte von Frauen und Kindern engagierte. Ein Paar, das seit der Studienzeit in seinem ehrgeizigen Streben verbunden ist und sich von Beginn an gegenseitig unterstützt hat. Wer die US-Fernseh-Serie „House of Cards“ gesehen hat, wird nicht umhin können, sich zu fragen, ob Teile davon sich an der politischen Wirklichkeit orientiert haben.
Wofür steht die Kandidatin für das Präsidentenamt?
Wer ist nun – in Johnstones Augen – diese Frau, die sich so liberal, progressiv, feministisch und auf der Höhe der Zeit gibt. Eine Frau, die schon Jahrzehnte lang politisch aktiv ist, und über die man infolgedessen schon viel mehr weiß, als das bei Donald Trump der Fall ist, der anscheinend die Gefühle vieler anspricht, die sich von Wachstum und Fortschritt ausgeschlossen sehen. Zunächst beschreibt Johnstone den Hintergrund, vor dem Clinton in den vielen Jahren agiert hat: Wie haben sich die Zeiten in diesen langen Jahren geändert, wie hat sie sich mit ihnen verändert.
Heute steht alles im Zeichen der Konzern-dominierten und wie ein Naturgesetz daherkommenden Globalisierung unter der Flagge der immer wieder betonten freiheitlich-demokratischen Werte und Menschenrechte. Gleichzeitig ist die Europäische Union mit ihrer zentralisierten Bürokratie expandiert, und die NATO hat sich ausgedehnt. Seit 9/11 hat Sicherheit einen immer höheren Stellenwert bekommen. Weltweit werden Daten von der NSA abgegriffen und gespeichert. Die Enthüllung des ganzen Ausmaßes der Datenüberwachung durch Edward Snowden wurde von Clinton massiv verurteilt und kriminalisiert. Zitat Clinton (S. 50/51): „Ich glaube, die meisten Leute wären schockiert, wenn die USA aufhören würden, diese Informationen aufzuzeichnen, und wenn wir einfach sagen würden: OK, jeder ist ab jetzt auf sich gestellt. Wir können dann unseren Verbündeten in Asien nicht mehr sagen, was vor sich geht, und wir können keine Informationen mehr mit unseren Verbündeten in Europa teilen. Wir hören einfach auf. Aber so läuft es in der realen Welt einfach nicht.“
Wie hat sich die Welt in der langen Zeit ihres politischen Wirkens verändert?
In den letzten dreißig Jahren hat sich die westliche Sozialdemokratie, haben sich die sogenannten Arbeiterparteien von der Verteidigung der sozialen Gleichheit schleichend hin zur Verteidigung der Vielfalt entwickelt. „Statt mit Gleichheit befasst sich die neue soziale Linke lieber mit Vielfalt und dem „Recht auf Anderssein“, schreibt Johnstone (S. 57) Multikulturalismus und die Sorge um Minderheiten und Rassissmus stehen heute im Vordergrund. In den USA halte man die Bürger an, Regierungen anderer Länder fast ausschließlich danach zu beurteilen, wie sie ausgewählte Minoritäten wie Frauen oder Homosexuelle behandelten, schreibt Johnstone. Die EU hat auf Anregung der UN-Weltfrauenkonferenzen (1985 und 1995) inzwischen das sogenannte Gender Mainstreaming – fast unbemerkt von der Öffentlichkeit – übernommen. Die politisch aktivste Gruppierung ist unter dem Namen LGBT-Lobby bekannt (Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender). Die in Deutschland manchmal verwendete Hinzufügung von „Q“ für queer (LSBTTIQ) steht für alle von der Norm abweichenden, anscheinend zahlreichen Geschlechteroptionen – mit dem Ziel, die ganze Welt gleich zu machen, indem sich jedes Land in eine Mischung von Identitätsgruppen verwandelt. Im Gegensatz zu ihren früheren Überzeugungen (sie gibt sich stets sehr fromm und pflegt seit 1993 regelmäßig öffentliche Gebetsveranstaltungen) unterstützt nun auch Clinton diese Bewegung unter Einschluss der Befürwortung der Homo-Ehe. Die Tatsache, dass sie eine Frau ist, die dann die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten wäre, führt sie oft ins Feld und stellt frauenpolitische Themen wie z. B. gleiche Löhne in den Vordergrund. Wenn sie „die gläserne Decke“ durchbräche, hätten auch andere Frauen ähnliche Chancen.
Clinton und der Militärisch-Industrielle Komplex
Johnstone stellt die relativ begrenzte Macht, die ein US-Präsident in der Innenpolitik hat, seiner immensen Macht in der Außenpolitik gegenüber. Sie beschreibt, wie sich Amerika zu einem „Military Industrial Complex“ (MIC) entwickelt hat, vor dem Eisenhower schon 1961 in seiner Abschiedsrede gewarnt hatte. „Wir müssen auf der Hut sein vor unberechtigten Einflüssen des militärisch-industriellen Komplexes, ob diese gewollt oder ungewollt sind. Die Gefahr für ein katastrophales Anwachsen unbefugter Macht besteht und wird weiter bestehen. Wir dürfen niemals zulassen, dass das Gewicht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unseren demokratischen Prozess bedroht.“ Eisenhower befürchtete die Abkehr von den Sozialprogrammen des „New Deal“ zugunsten einer massiven Aufrüstung aufgrund kommunistischer Bedrohung. Die Rüstungsausgaben einer jeden Nation verschwendeten „den Schweiß ihrer Arbeiter, den Genius ihrer Wissenschaftler und die Hoffnungen ihrer Kinder“, sagte er. Erstaunliche Worte für einen Ex-General.
„Der Militärisch-Industrielle Komplex hat kein eigenes Ziel, keine Philosophie und keine Werte“, schreibt Johnstone (S. 43) Aber so ein Mammut-Apparat benötigt – hat man ihn einmal angestoßen – eine gewisse Kontinuität und zudem eine ideologische Rechtfertigung, ein Feindbild (wie einst der Kommunismus), um ihn aufrecht zu erhalten und dem Militär den Glauben an eine Mission zu geben.
Nach Beendigung des Kalten Krieges schwenkte man deshalb nicht auf eine Politik der Annäherung und des Friedens ein, sondern begann – schon bald danach und besonders seit 9/11 zunehmend – damit, sich massiv in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen und sogenannte Präventivkriege gegen Diktatoren (Regimechanges) zu führen, mit denen man vorher sogar oft zusammengearbeitet hatte. Kriege zum „Schutz der Menschenrechte“ und Schaffung von demokratischen Gesellschaften mit ihren „Werten“. Kriege, um Frieden zu schaffen? Allerdings mit ausbleibenden Erfolgen, mit allein im Irak-Krieg gezählten 655.000 Toten. Und mit der Entstehung des sogenannten IS. Libyen – unter Gaddafi der Riegel gegen die Flüchtlingsströme – fiel 2011 und ist seitdem im Chaos versunken. Die kriegerische US-Außenpolitik, die schon in Ländern wie Afghanistan, Irak oder Jugoslawien Chaos und Zerstörung hinterließ, hat in Hillary Clinton eine der vehementesten Fürsprecherinnen. „Throughout her career she has displayed instincts on foreign policy that are more aggressive than those of President Obama — and most Democrats“, schreibt Mark Landler im April im New York Times Magazine.“
Angela Merkel – Hillary Clinton
Auch Angela Merkel war eine vehemente Vertreterin des Irak-Krieges. Man höre dazu ihre höchst aufschlussreiche Rede des Jahres 2002 vor dem Bundestag, wo sie die Teilnahme am Krieg als eine „Politik der Verantwortung“ und als Friedensaufgabe bezeichnete. Auch heute propagiert die Regierung im neuen „Weißbuch“ wieder die Notwendigkeit, in einer „krisengeschüttelten Welt“ mehr Verantwortung zu übernehmen: „Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global.“
Globalisierung und eine „Neue Weltordnung“ wird von Merkel immer wieder zur Erhaltung eines Weltfriedens propagiert. Der von ihr häufig wiederholte Satz „Ich/Wir arbeite/n daran“ kann man auch so lesen. Und wenn man dann hört, sie denke „vom Ende her“, dann muss sie ja ein „Ende“, einen Plan haben, den sie augenscheinlich auch in unserem Teil der Welt, also im EU-Raum verwirklicht sehen möchte. Auf dem Kirchentag vom 4. 6. 2011 spricht sie von dieser neuen globalen, politischen Weltordnung, bei der man (?) – so Merkel – an einigen Stellen nicht umhin komme, Souveränität und Rechte an andere abzugeben (an wen?). Einer ihrer typischen verschwommenen Sätze. Sie lobt dabei die EU und den Zusammenschluss der afrikanischen Länder, die „Afrikanische Union“. (Deren Gründung ging allerdings auf den libyschen Revolutionsführer Gaddafi zurück, der noch im Oktober desselben Jahres „beseitigt“ wurde.)
Wir sollten die Zeichen an der Wand wahrnehmen und beobachten. Dann scheinen sie an vielen kleinen Stellen auf (wie z.B. Merkels schnelles Entfernen der herumgereichten Deutschland-Fahne bei ihrer Wiederwahl 2013) und sie fügen sich zu einer klaren Zielbestimmung zusammen. Um dem nachzugehen, muss man allerdings – wie bei Clinton – auch immer mal wieder in die Vergangenheit gehen und sich z.B Merkels mehrfache Aufforderung zur Begrenzung der Zuwanderung ins Gedächtnis rufen: hier und hier. Man muss nur die Vergessenslücken füllen – alles steht irgendwo geschrieben, ist zu hören oder zu sehen. Diana Johnstones Buch ist ein Beispiel für dieses Nachforschen. Sie wünscht sich, die EU könnte ihre devote Rolle gegenüber den USA aufgeben und es irgendwann wagen, sich selbstbewusst vom Gedanken einer ewig währenden Kollektivschuld zu befreien und ihre eigenen Werte und Interessen zu definieren.
Johnstone, Diana; Die Chaos-Königin, Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht; Frankfurt/Main 2016 (256 Seiten)
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