Grüne, Linke und SPD und mit ihnen eine gute Hälfte der Medien standen über viele Monate mehr hinter der Kanzlerin als ihre CDU. Dass diese Zeiten vorbei sind, erweist sich als das eigentliche Ergebnis der Sommerpressekonferenz von Angela Merkel.
Lange hat die unvereinte Linke Angela Merkels Mantra „Wir schaffen das“ deutlich mehr unterstützt als Merkels eigene Partei CDU und ihr Koalitionspartner SPD, von der CSU zu schweigen – erstens weil sie immer anderer Meinung und zweitens mehr als Theaterdonner bisher nie daraus geworden ist.
Jetzt wird deutlich, dass die Ausgangsstellungen für die kommenden Wahlen neu bezogen werden. Die unvereinte Linke wendet sich von Merkel ab. Bei den Medien und Journalisten zeigt sich das gleiche Bild.
„Hat sie denn auch konkret behandelt, wie wir das schaffen, und zwar konkret etwa nach dem Motto: und zwar so?“, fragte gestern Christian Sievers im ZDF (ab Minute 5.50) seine Kollegin Bettina Schausten. Deren Antwort entsprach dem Muster Merkel, langatmig um den Brei herum, bis alles im Nebel verschwimmt. Nein, Merkel hat die Frage nach dem WIE seit dem 31. August 2015 nicht beantwortet, gestern erneut nicht.
WELT ONLINE: „Den unausweichlichen Fragen ausweichen – das war schon in den letzten Jahren die Taktik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer großen Sommerpressekonferenz, die zu einer Institution im politischen Berlin geworden ist.“ Wie sich die Bilder auf diesen Sommerpressekonferenzen geändert haben, zeigten die ZDF-Nachrichten: zu sehen ab Minute 1.16.
schreibt aufHier noch einige Stimmen:
Stephan-Andreas Casdorff, Tagesspiegel-Online:
Kein Plan, nachgereichte Empathie, keine klare Ansage zu sich, zu dem, was sie mit ihrem Amt, dem wichtigsten, mächtigsten der Republik, vorhat. Angela Merkel wiederholt in diesem Moment diesen einen Satz, der für sie konstitutiv geworden ist: Wir schaffen das. Und nimmt dafür das Land in Haftung. Das Land, findet die Bundeskanzlerin, steht in einer großen Bewährungsprobe. Und sie? Permanente Wiederholung ist nicht die Mutter der Überzeugung, sie schafft auch keine. Vielmehr ist es so: Sie, Merkel, steht in einer großen Bewährungsprobe!
Diffuses Gefühl des Kontrollverlustes
Zacharias Zacharakis, ZEIT ONLINE:
Trotzdem kämpft Merkel an diesem schwülen Sommernachmittag gegen ein diffuses Gefühl an, das sich seit Monaten in der Bevölkerung festgesetzt hat und sich durch die Attentate noch potenziert: Die Politik hat die Kontrolle verloren. Erst die Flüchtlingskrise, dann die Übergriffe der Kölner Silvesternacht, jetzt die Anschläge.
Christian Geyer, FAZ:
Hier geht Unbeirrbarkeit in Halsstarrigkeit über. Mit dem für Merkel typischen rhetorischen Mix aus Messianismus und Bürokratie legte sie die Platte von vor elf Monaten wieder auf.
Stephan Hebel, Frankfurter Rundschau Online:
Nein, ein Aufbruchsignal war das nicht. Und dass Merkel es auch jetzt wieder nicht entschlossen gegeben hat, ist kein Wunder. Ihre Kanzlerschaft hat ein Jahrzehnt lang davon gelebt, Deutschland durch eine gefährliche Lüge in Sicherheit zu wiegen: dass Deutschland von den Konflikten, der Gewalt, den sozialen Brüchen „da draußen“ schon verschont bleiben werde, wenn wir nur alle brav früh aufstehen und all das produzieren, was wir auf Kosten derer „da draußen“ dann exportieren – vom Panzer über das Auto bis zum übriggebliebenen Hähnchenschenkel.
Mit dieser Legende ist es nun vorbei. Aber Angela Merkel müsste sich selbst dementieren, gäbe sie das offen zu und stellte sie sich an die Spitze einer neuen Politik. Weil sie das nicht kann, ist sie gescheitert.
Grüne, Linke und SPD und mit ihnen eine gute Hälfte der deutschen Medien standen über viele Monate mehr hinter der Kanzlerin als ihre CDU. Dass diese Zeiten vorbei sind, erweist sich als das eigentliche Ergebnis der Sommerpressekonferenz von Angela Merkel.
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