Katastrophenhausse – Crack-up-Boom

Glauben Sie nicht auch, dass die Notenbanken und Staaten, bevor der Tag des geldpolitischen „jüngsten Gerichts“ kommt, nicht noch alles – wirklich alles, im amerikanischen sagt man dazu „everything and the kitchen sink“ - auf den Markt werfen werden, um das Ende hinaus zu zögern? Mr. Market ist da sehr sicher, denn keiner will der sein, der das Licht ausmachen muss.

Ich weiss, ich weiss. Aktien sind, wie praktisch alle Asset-Klassen in weiten Teilen, schon überbewertet. Erst recht, wenn man die Bilanzen noch um die „kreativen Gestaltungen“ nach IFRS bereinigen würde. Wie kann man da noch in den Aktienmarkt investieren?

Die ganze Rally, die im S&P500 nun erneut zu historischen Höchstständen geführt hat, steht auf den tönernen Füssen einer aggressiven Geldpolitik der Notenbanken, die historisch ohne Beispiel ist und mit der wir uns in höchst gefährlichen, unerforschten Gewässern befinden. Wie kann man da noch in den Aktienmarkt investieren?

Und zur Weltlage genügt jeden Tag ein Blick auf eine Nachrichtenseite, um zu erkennen, dass die Welt seit dem 2. Weltkrieg wohl noch nie so riskant gewesen ist wie heute. Wie kann man da noch in den Aktienmarkt investieren?

Religionskriege, Todeskult von Terroristen, Völkerwanderung und Machtgerangel aufstrebender Mächte in einer multipolaren Welt, das sind die Realitäten der Gegenwart. Wie kann man da noch in den Aktienmarkt investieren?

Und dieses alles vor dem Hintergrund einer westlichen Gesellschaft, die – zumindest in Deutschland – scheinbar ihre Fähigkeit, sich zu verteidigen und für ihre Werte mit Rückgrat einzustehen, in einer Mischung aus moralischem Relativismus und Selbsthass verloren hat.

Wie können wir gegen religiöse Eiferer, gegen deren Sendungsbewusstsein und Aggressivität bestehen, wenn wir noch nicht einmal zu formulieren wagen, wofür wir selber stehen und worauf wir zu Recht stolz sein können?

Vieles wofür dieses Land im Positiven gestanden hat: Fleiss, Treue, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Verantwortungsbereitschaft, Organisationsvermögen, Zusammenhalt, Lernbereitschaft, Innovation und Zuverlässigkeit – „Die Mannschaft“ eben – wurde aus unseren eigenen Reihen als „Sekundärtugenden“ denunziert, „mit denen man auch ein KZ betreiben könnte“.

Und dieses Gift lähmt uns immer noch, weil die Vertreter dieses kulturellen Selbsthasses, mittlerweile auch an den Schaltstellen der politischen und medialen Macht angekommen sind. Wie kann man da noch in den Aktienmarkt investieren?

Wir haben aber nur dieses eine Leben, und wenn wir es nicht aufgeben wollen und uns weiter für eine gute Zukunft unserer Kinder engagieren wollen, dann ist es unsere Pflicht, aus der Situation das Beste zu machen.

Denn in dem, was man „Geld“ nennt, haben wir grosse Teile unserer bisherigen wirtschaftlichen Lebensleistung „gespeichert“ und diesen „Speicher“ müssen wir erhalten, um unseren Kindern eine Zukunft zu geben und nicht in eine Situation zu geraten, in der wir wieder von den Zuwendungen Dritter abhängig werden.

Wie kann man aber die eigenen wirtschaftlichen Grundlagen unter einer Geldpolitik erhalten, die gezielt darauf abhebt, die Gläubiger zu Gunsten der Schuldner zum Aderlass zu bitten? Eine Geldpolitik, die ein System völlig überschuldeter Staaten und einer fehlkonstruierten Währung mit den Mitteln der elektronischen Geldschöpfung (früher Notenpresse) um jeden Preis vor dem Exitus bewahren will?

Darauf gibt es viele Antworten. Gold ist so eine klassische Antwort. Immobilien eine andere. Aber jede dieser Antworten hat ihre Schattenseiten, so auch Gold und Immobilien.

Auch Aktien gehören zu den Antworten und manchmal wird dann deren „Alternativlosigkeit“ beschworen. Aber was ist denn das für ein Argument?

Nicht nur, dass man das Wort von der „Alternativlosigkeit“ wahrlich nicht mehr hören kann, weil es von höchster Stelle zur Volksverdummung benutzt wurde, um Politik zu rechtfertigen, die alles andere als „alternativlos“ war.

Sondern auch, weil es nicht stimmt. Natürlich gibt es im Bereich von Sachwerten Alternativen zu Aktien, auch wenn ich unterschreiben würde, dass die Aktien guter, weltweit agierender Unternehmen, wahrscheinlich noch die relativ „sicherste“ Form sind, um Kapital auch durch Kriege, Plünderungen und Währungsreformen zu navigieren.

Damit sind wir wieder bei der Frage:

Wie kann man denn nun noch in den Aktienmarkt investieren?

Man kann – trotz oder gerade wegen der berechtigten Sorgen. Auch ohne Alternativlosigkeit.

Dafür sollte man tun, was auch der Politik guttun würde: sich mal ein wenig mit der österreichischen Schule der Nationalökonomie beschäftigen. Und dabei konkret mit Ludwig von Mises.

Der hat nämlich schon vor mittlerweile bald 100 Jahren den Boom eines Aktienmarktes beschrieben, der sich nur noch aus der Angst vor Wertverlust speist. Das hört sich doch irgendwie vertraut an, oder?

Damals war die (Hyper-)Inflation der Katalysator, der das Vertrauen in die Papierwährung zerstört und dazu geführt hat, dass alle gleichzeitig versucht haben, ihr Geld in Sachwerte zu tauschen.

Heute haben wir (noch) keine relevante Inflation, der Markt wird ja aber von Erwartungen getrieben und die Negativzinsen der Notenbanken scheinen schon heute einen ähnlichen Effekt hervor zu rufen: alles stürmt in Sachwerte, weswegen auch Aktien da sind, wo sie sind. Nicht so schnell und brutal wie in der Hyperinflation, dafür aber nicht weniger gewaltig.

Diese Katastrophenhausse – oder auch „Crack-up-Boom“ genannt – markiert nach Ludwig von Mises die letzte Phase eines Papiergeldsystems. Am Ende des Booms kann nur noch eine Währungsreform helfen.

Genau hier liegt nach meiner Ansicht der grosse Denkfehler vieler Anleger, die der Notenbankpolitik (zu Recht) nicht trauen und sich von den permanenten Crash-Propheten dazu haben verleiten lassen, immer wieder gegen den Markt zu wetten oder ihm zumindest fern zu bleiben.

Die Depots dieser Anleger dürften nun traurig aussehen, und selbst die Edelmetall-Hausse des letzten Halbjahres, dürfte daran nur wenig geändert haben.

Es bringt eben nichts, gegen den Markt zu kämpfen, denn im Gegensatz zur Politik und zum normalen Leben, hat unsere Meinung und was wir glauben, bei der Geldanlage keine Relevanz. Der Markt macht, was er will und wenn wir dabei Geld verdienen wollen, müssen wir mitgehen. Das ist wirklich mal „alternativlos“.

Und wenn wir wissen wollen, was der Markt gerade so macht, sollten wir auf das folgende, langfristige Chart des Leitindex S&P500 schauen. Denn was wir gerade erleben, könnte rein von der Marktstruktur her, durchaus auch das hier werden:

SP500_180716

Schluck!

Auf Bewertungen und fundamentale Logik darf man da nicht mehr schauen. So ein Verlauf wäre eher Ausdruck der schieren Angst davor, sein Kapital zu verlieren, wenn man es nicht in Sachwerte wie Aktien bringt.

Damit es hier keine Missverständnisse gibt, das ist keine Prognose, sondern ein Szenario, das Katastrophenhausse-Szenario. Ich kenne die Zukunft nicht und bin nicht im Geschäft der sinnlosen „Prognosiritis“.

Falls der Crack-Up-Boom kommt, oder schon im Gange sein sollte, wird der Verlauf auch bestimmt nicht so ruhig und entspannt aussehen, wie oben gezeigt. Vielleicht sind wir ja auch schon mittendrin und das Ende der Party ist näher, als ich nun denke.

Ich will mit dem Chart nur diese völlig verfehlte Logik durchschlagen, die schon seit Jahren vielen Anlegern einflüstert, dass die Börsen bald fallen müssten, weil die Lage ja so gefährlich sei. Und die seit vielen Jahren verhindert, dass Anleger mitnehmen, was die Börsen zu bieten haben.

Der Markt muss aber gar nichts!

Denn wenn Ludwig von Mises Recht hatte, dann werden die Märkte vielleicht noch viel höher steigen, gerade weil das Vertrauen in die Währung schwindet. Und erst später kommt dann irgendwann der Tag der Abrechnung.

Irgendwann, aber der Tag ist nicht heute.

Und mal ernsthaft, glauben Sie nicht auch, dass die Notenbanken und Staaten, bevor der Tag des geldpolitischen „jüngsten Gerichts“ kommt, nicht noch alles – wirklich alles, im amerikanischen sagt man dazu „everything and the kitchen sink“ – auf den Markt werfen werden, um das Ende hinaus zu zögern? Ich bin da sehr sicher, denn keiner will der sein, der das Licht ausmachen muss.

Denken Sie mal darüber nach, was das für Ihre Anlagestrategie bedeuten würde und ob die Crash-Propheten in so einem Umfeld für Sie aktuell wirklich die richtigen Ratgeber sind.

Denn „zu früh“ ist am Aktienmarkt gleichbedeutend mit „Verlust“. Es gibt kein „zu früh“ bei der Geldanlage, es gibt nur Gewinn, Verlust oder die Seitenlinie.

Wenn Sie aber an der Seitenlinie stehen wollen, in welchem Asset parken Sie denn dann Ihre Lebensleistung, wenn es mal ernst wird? In Cash auf dem Bank-Konto? Darf ich mal lachen?

Eine Erkenntnis ist auf jeden Fall wichtig: Vor dem Einbruch kommt erst die Hausse!

Hätte manch Anleger diese Erkenntnis schon in 2013 gehabt, wäre manche Chance nicht verpasst worden. So viel heute, in meiner ersten Kolumne hier auf Tichys Einblick.

Derartige Gedanken und Einsichten zu Börse, Markt und Wirtschaft, mit Bezug zur Aktualität, will ich in dieser neuen Kolumne hier nun „regelmässig-unregelmässig“ mit Ihnen teilen.

Wenn Sie tiefer einsteigen wollen und sich ernsthaft mit den Mechanismen des Marktes und einzelnen Aktien und Opportunitäten auseinandersetzen wollen, begrüssen wir Sie gerne in der engagierten Mr-Market-Community, in der es täglich viele Beiträge und Forenkommentare gibt.

Denn nur, wenn wir unsere wirtschaftlichen Grundlagen bewahren, werden wir auch die Kraft haben, mit Erfolgsaussicht für die Zukunft unserer Kinder zu streiten.

Und im Fussball, ebenso wie im gesellschaftlichen Diskurs, kann man in der reinen Defensive kein Spiel gewinnen. Die Offensive gehört überall – auch an der Börse – dazu, sie muss aber kontrolliert stattfinden, ohne die Defensive zu vernachlässigen. Das ganz besonders, wenn so viele deutlich sichtbare Gewitterwolken über einem hängen, wie über uns.

Diese Kolumne soll Beitrag zur kontrollierten Offensive sein. Denn wir haben nur dieses eine Leben – machen wir das Beste daraus, statt nur zu klagen.
Und Armageddon kann noch warten, bis dahin tanzen wir. Auf bald!

Ihr Michael Schulte (aka „Hari“)

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