Biden, Merkel und Macron redeten auf virtueller Sicherheitskonferenz aneinander vorbei

Wurde Bidens Antritt vom durchgängigen Pathos der Freiheit getragen, kam bei Merkel dieses Wort nicht ein einziges Mal vor. Die Reaktion der deutschen Kanzlerin fiel noch emotionsloser aus, als man es sonst von ihr gewöhnt ist.

IMAGO / Xinhua

Man kann getrost darauf wetten, dass bei der Rede des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden sich so mancher Europäer und besonders so mancher hierzulande den ach so furchtbaren Donald Trump bereits wieder zurückgewünscht hat. „America first“ klang so schön distanziert, und die Europäer schien der „Cowboy im Weißen Haus“ als erkannte Weicheier innerlich schon abgeschrieben zu haben. In dieser Rolle konnte besonders Deutschland schmollend und beleidigt in der Auszeit-Ecke Platz nehmen.

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Wie anders tritt da der noch vor kurzem euphorisch gefeierte Joe Biden auf. Wie in guten alten Zeiten der Konfrontation mit dem Sowjet-Kommunismus beschwor er den gemeinsamen Wert der Freiheit und deren gemeinsame globale Verteidigung als Grundlage für das europäisch-amerikanische Verhältnis, dessen Kern das Bündnis zwischen Washington und Berlin sei. Und er nannte die großen Herausforderungen auch gleich beim Namen: China und Russland. Dabei bezeichnete Biden die chinesische Herausforderung, die es gemeinsam zu bestehen gelte, als die größere Gefahr. Es ginge um nicht mehr und nicht weniger als den Wettstreit zweier unterschiedlicher Vorstellungen von Gesellschaft, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Nur gemeinsam würden die USA und Europa am Ende siegreich sein. Russland gefährde die Souveränität und Existenz einzelner Staaten.

Der US-Präsident stellte klar, dass die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine für ihn oberstes Ziel bleibe. Zugleich verurteilte er russische Cyber-Attacken und Moskaus Bestreben, das westliche Bündnis zu schwächen und Keile zwischen einzelne Partner hineinzutreiben. Ausdrücklich bekannte sich der Präsident zu Artikel 5 des Nato-Vertrages, der im Falle eines Angriffs auf jedes einzelne Mitglied automatisch den Bündnisfall auslöse. Dabei lobte er das gemeinsame Engagement in Afghanistan und mahnte direkt anschließend die Bündnispartner, ihre Verteidigungsanstrengungen zu erhöhen. Schließlich bekräftigte der neue Mann aus Washington den gemeinsamen Einsatz zur Bewältigung der „Klimakrise” und der sozialen Probleme der Welt. Gemessen an den Schwerpunkten seiner Ansprache auf dieser – Corona-bedingten – online-Ausgabe der traditionellen Münchener Sicherheitskonferenz wirkte dieser Klima-Appell eher als zum guten Ton gehörende Beigabe.

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Die Reaktion der deutschen Kanzlerin fiel noch emotionsloser aus, als man es sonst von ihr gewöhnt ist. Wurde Bidens Antritt vom durchgängigen Pathos der Freiheit getragen, kam bei Merkel dieses Wort nicht ein einziges Mal vor. Natürlich freue sie sich über den Neuanfang nach den vergangenen vier Jahren, sehe ebenso wie Biden die Gemeinsamkeiten, die freilich gelegentliche Differenzen nicht ausschlössen. So bekräftigte sie ihren Standpunkt eines veränderten Sicherheitsbegriffs, der sich in der Vernetzung von militärischen mit humanen und entwicklungspolitischen Ansätzen verbinde. So leiste die Bundesrepublik über ihr militärisches Engagement in Afghanistan in vielen anderen zivilen Bereichen wichtige Beiträge, die es zu berücksichtigen gelte. Sehr ausführlich ging Merkel auf notwendige Anstrengungen mit Blick auf Afrika und andere Teilkonflikte ein. In der Rangordnung ihrer Aufzählung schien es, als ob die Probleme mit China und Russland zwar vorhanden seien, aber in erster Linie mit Dialog zu bewältigen wären, da man zur Lösung der großen Fragen unserer Zeit, wie Pandemien und „Klimawende”, diese Mächte brauche.

Der Konflikt um das russisch-deutsche Gasprojekt Nordstream 2 musste folglich auch gar nicht gesondert erwähnt werden. Die unterschiedlichen Auffassungen dazu ergaben sich ohnehin aus dem Gesagten.

Der Vollständigkeit halber noch ein Wort zum französischen Staatschef Emmanuel Macron. Er forderte die baldige Verabschiedung einer erneuerten Sicherheitsstrategie der NATO, bei der auch die unterschiedlichen Interessen zum Ausdruck kommen müssten.

Fazit: Das Gesicht der Nummer 1 im Bündnis ist neu, die Probleme aber sind geblieben. Der Realitätssinn sagt, die Flitterwochen gehen schnell vorüber und die Gegensätze bestimmen wieder das Tagesgeschäft.

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Kommentare ( 50 )

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Mausi
3 Jahre her

Aneinander vorbei reden: Öffentlich wird doch gar nicht miteinander geredet. Wo wäre das denn überhaupt der Fall? Jeder trägt das vor, was er an die Öffentlichkeit bringen will.

Schlaubauer
3 Jahre her

Das Merkel Probleme mit dem Wort Freiheit hat kann man sehr gut nach vollziehen. Sie bekommt ja auch schon Zitteranfälle, wenn sie nur die Melodie von Einigkeit und Recht und Freiheit ertragen muss. Wie schlimmer muss da erst die Wirklichkeit dieser für sie eher unbekannten Dinge sein.

Evero
3 Jahre her

Wie man hört, wurde Victoria Nuland von der Biden-Administration wieder aktiviert. Das läßt wenig Raum für friedliebende NATO-Strategie.

Andrea Dickerson
3 Jahre her
Antworten an  Evero

Das war mein erster Gedanke, wird das State Department nun wieder mit Neocons geflutet? Sie bestätigen meine Befürchtungen… Wobei Trump beim Reinemachen dort auch gescheitert war, wenn man sich an die Russia Collusion Anhörung erinnert. Für die Ukraine waren solch durchgeknalltes Personal wie Lt. Col. Alexander Vindman, Sondman, Williams und besonders Hill zuständig. Alles Leute mit einer persönlichen Agenda, niemandem schien einzufallen, daß der Präsident der Chief of Diplomacy ist und er die Außenpolitik bestimmt, nicht die Rädchen der Institutionen. Vielleicht wird demnächst Hunter Biden als „special envoy“ des Präsidenten die Geschicke der Ukraine übernehmen.

GMNW
3 Jahre her

Kurzum gesagt kommt Präsident Biden zwar lächelnd und freundlich daher, aber die Botschaft an Deutschland/ EU ist die gleiche wie die vom dröhnenden, unverhohlen drohenden Ex-Präsidenten Trump; auch die Konsequenzen, wenn die freundliche Ansage nicht verstanden werden sollte!
Alte Forderungen, nur in neuer Verpackung; diesmal sogar mit Schleifchen!

Kuno.2
3 Jahre her

Für Biden ist also die Rückgewinnung der Krim und der Ostukraine ein oberstes Anliegen. Dazu muss er wissen, dass dieses nicht ohne Krieg zu haben ist.
Will Biden 330 Millionen US Amerikaner einer möglichen Vernichtung preisgeben, nur damit die annektierte Krim und die Selbständigkeit der Ostukraine rückgängig gemacht werden kann?
Ich finde, da war Trump realistischer trotz aller Rüstungssteigerungen während seiner Amtszeit.

Evero
3 Jahre her
Antworten an  Kuno.2

Mit oberfaulen Begründungen hat schon George W. die „Demokratie“ von Islamischem Staat, Bürgerkrieg, Vertreibung und Unregierbarkeit in die arabischen Staaten von Libyen bis Irak gebracht. So wird es weitergehen.
Erst wenn aller Besitz den US-Oligarchen gehört, ist die Welt für diese skrupellosen Eroberer, die sich als Demokraten und Weltverbesserer tarnen, in Ordnung.

fatherted
3 Jahre her
Antworten an  Kuno.2

ach was…das Ganze ist doch nur das übliche Geschwätz. Biden wird gar nichts machen. Evtl. ein bißchen Säbel rasseln mit Manövern im Baltikum…ansonsten bleibt alles beim alten. Ich jedenfalls bin mal gespannt wie er dem Pariser Klimaabkommen nachkommen will….bei den Amis ist Energie eine Wegwerfprodukt….Autos mit Klima vor dem Supermarkt laufen lassen ist an der Tagesordnung. Und die Atomkraftwerke in den USA sind so marode, dass sie bald auseinanderfallen…dann bleibt nur noch Kohle, Öl und Gas.

HGV
3 Jahre her

Wer geglaubt hat, ein Wechsel von Trump zu Biden würde etwas an der amerikanischen „America first“ Politik ändern, befindet sich entweder in einer Blase oder hat die Grundsätze amerikanischer Politik nicht verstanden. Biden kann die Politik z.B. zum Klimaschutz auch nicht wirklich ändern, denn ihm erfrieren in Texas gerade die Menschen. Und die Geheimdienste werden ihm schon mitgeteilt haben, was mit Covid-19 los ist.
Wer Angelas Wunderland und Gesellschaftsziel China mies macht, bekommt halt nur spärliche Zustimmung und das steinerne Gesicht der Sozialistin.

Olaf W1
3 Jahre her

Meine persönliche Meinung dazu: Biden ist, wie erwartet, genau so ein Palaverer wie unsere Obervorturner. Aber er zeigt auch, ungewollt, dass Trump nicht das Würstchen war/ist, zudem Presse und Westpolitik ihn machen. Beiden muss, eben weil Trump recht hatte und dies unverblümt ansprach, da weiter ansetzen und den vereinigten Flüchtlingsstaaten von Europa weiter die gesalzenen Finger in die Wunde legen und an den Forderungen die Trump stellte festhalten und diese erneut bekräftigen. Die Planlosingkeit der EU haben M&M nur zu gut belegt. Merkel hat durch die Blume ihre Hörigkeit gegenüber China gezeigt und Macron philosophiert über ein NATO – Bündnis,… Mehr

Oblongfitzoblong
3 Jahre her

Hat wirklich einer/eine aus unserer Politiker-Garde erwartet, oder gar gehofft, dass sich unter Biden die globale Sicherheitspolitik der USA ändern würde? Natürlich gilt Amerika first, Biden lässt nur ein wenig mehr die Schalmeien blasen, damit es freundlicher klingt. Natürlich fordert Biden einen deutlich höheren Betrag im Rahmen der Nato-Verpflichtungen, sowie weitere Leistungen. Auch in diesem Fall eine enorme Fehleinschätzung unserer Kanzlerin. Der geradezu pathologische „Wahlkampf“ der deutschen Politikdarsteller und MSM gegen Trump war völlig vergebens.

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  Oblongfitzoblong

Mit Trump ist der deutschen Politik der „Sündenbock“ abhanden gekommen. Nun stehen sie dumm da.
Wie immer …

Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Wen interessieren denn die offiziellen Reden? Die könnte auch der Pressesprecher ablesen. Interessant sind die Gespräche ohne Medien, vor allem die „unter 3“. Was Biden gerade wirklich macht, hat noch kein europäisches Medium herausgefunden.

199 Luftballon
3 Jahre her

Ich sage es offen und ehrlich ich wünsche mir Donald zurück. und Merkel und Mass in den Knast, plus die zwei Landesverräter Röttgen und Hardt und von den Grünen ganz zu schweigen.

Ab 2024 weitere 8 Jahre Trump nach dem korrupten Versager Ukraine Biden.

Carlotta
3 Jahre her
Antworten an  199 Luftballon

es wäre zu prüfen, ob er aufgrund der Constitution für weitere 2×4 Jahre gewählt werden dürfte. Maximum der Regentschaft eines Präsidenten in den USA sind acht Jahre, vermutlich auch dann, wenn vier Jahre Amtabstinenz dazwischen liegen (ROOSEVELT war eine Ausnahme, da WW II). Vier Jahre weitere Präsidentschaft wären jedoch auch akzeptabel, da sich vermutlich in gegenwärtiger Zeit der Democrats-Regierung Nachfolger in der Partei der Republicans aufbauen dürften, die die Überzeugung von TRUMP mit- und weitertrügen.

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  199 Luftballon

Trump kann laut US-Verfassung nur EINMAL noch wiedergewählt werden.

Der Ketzer
3 Jahre her
Antworten an  199 Luftballon

Die Begrenzung auf 8 Jahre fehlt uns hierzulande.

Hendo Renka
3 Jahre her
Antworten an  Der Ketzer

Es sind 1949 beim Aufbau der Organisation der BRD viele Fehler gemacht worden. RKI
eine Bundesbehörde, die Justiz weitgehendst weisungsgebunden mit wichtigem Parteibuch, die Regierungskompetenz der Kanzlerin, etc.