Es reicht nicht, auf die tiefe Spaltung der USA zu zeigen und jetzt zu hoffen, dass ein neuer Präsident die Spaltung automatisch überwindet. Auch in Deutschland wird es schwer sein, die Lager wieder zusammenzuführen.
Turbulent. Das beschreibt diese Tage wohl am besten. Nicht etwa, weil wir alle so schrecklich viel zu tun hätten. Ganz im Gegenteil. Gerade in der staatlich verordneten Entschleunigung aufgrund der Pandemie liegt vielleicht die Möglichkeit, uns zu fragen, wohin wir wollen. Wohin soll sich unsere Gesellschaft entwickeln? Wie werden wir stehen, wenn die Pandemie überwunden, Kontaktbeschränkungen aufgehoben und Masken allenfalls zu Karneval getragen werden?
Und doch: Diese Tage sind turbulent. Denn dieser Tage werden Entscheidungen getroffen, Weichen gestellt, die unser aller Zusammenleben nachhaltig beeinflussen werden.
Auf eine beeindruckend beängstigende Art und Weise hat das der scheidende US-Präsident Donald Trump illustriert. Die letzten Tage seiner Amtszeit scheinen der Maxime „Und nach mir die Sintflut“ zu dienen. Mögen viele Entscheidungen des US-Präsidenten in der wohl umstrittensten Amtszeit eines Commander in Chief seit George Washington irrational, unverhältnismäßig oder einfach überdreht gewirkt haben, so hat sich Donald Trump in den letzten Wochen seiner Amtszeit trotz unbestreitbarer Verdienste doch am meisten selbst geschadet.
Ganz besonders der Sturm auf das Kapitol hat aller Welt vor Augen geführt wie gespalten und zerrüttet die Vereinigten Staaten sind; in vier Jahren unter Präsident Trump hat sich die Spaltung vertieft. Versinnbildlicht in dem Bild eines oberkörperfreien, volltätowierten Mannes in einem Büffelkostüm, der auf den Gängen des US-Kapitols einen Urschrei in die Welt brüllt, blickt die Welt kopfschüttelnd auf die Vereinigten Staaten und auf den Mann an ihrer Spitze. Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte das geschehen? Diese Fragen treiben die USA ebenso wie die restliche Welt um. Dabei geht es bei weitem nicht nur um ein gescheitertes Sicherheitskonzept, um eine desaströse Kommunikation und überforderte Polizeibeamten auf dem Capitol Hill. Hier sind noch Fragen zu stellen, wie das möglich war. Wie lange und wie tief geht dieses Spaltung und will sie der neue Präsident wirklich überwinden – oder steht er nur auf Seite der vorläufigen Sieger?
Dieser Mann, der sich auf eine Bühne vor dem Weißen Haus stellt – von Corona-Schutzmaßnahmen nicht zu sprechen – seinen Anhängern zuruft, sie sollten den Demokraten nicht trauen. Er ruft sie auf, der Demokratie zu misstrauen, dem Wahlergebnis zu widersprechen. Nur Stunden später wird dieser Mann die „Patrioten“ bitten nach Hause zu gehen. Sie seien „ganz besonders“ und „wir lieben Euch“, sagt der Präsident. Fünf Menschen, unter ihnen ein Polizist, sind bei den Unruhen gestorben. Nach den Unruhen durch blacklivesmatters zeigt das einen weiteren Bruch, der schwer zu heilen sein wird.
Und dennoch, auch das muss zumindest erwähnt werden, hat Präsident Trump eine Annäherung Israels an die arabischen Nachbarn moderiert und den Dialog mit der Atommacht Nord-Korea initiiert. Zudem ist es ihm gelungen, viele Menschen in Beschäftigung zu bringen und mit klassischen Gegnern wie Russland oder China in den Dialog zu treten.
Was bleibt also nach vier Jahren Donald Trump? Ist es an der Zeit für eine Sintflut? Mitnichten. Damit würden wir es uns bedeutend zu einfach machen. Wassermassen, die alles hinwegfluten, die alles Verkommene von unserer Gesellschaft abwaschen, sind nicht die Lösung.
Es liegt an uns, an der Politik, an der Gesellschaft als gesamtes Antworten zu finden. Wie gehen wir um, mit Menschen, die der Demokratie so abgrundtief mißtrauen? Wie standfest sind die Fundamente, auf denen wir unsere Lebensweise gründen? Wie tragkräftig sind Freiheit und Rechtsstaatlichkeit – oder sind sie unlängst unterspült und ausgehöhlt?
Diese Fragen beschäftigen nicht nur die USA. Hier wird der neue Präsident Joe Biden vor einer Mammutaufgabe stehen: Er muss die Spaltung überwinden und das beschädigte Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen. Biden erbt viele Scherben – und das inmitten einer weltweiten Pandemie – und verspricht doch, die Nation zu einen und ein Präsident aller Amerikaner sein zu wollen. Eine große Bürde, und seine Anhänger werden es ihm wohl nicht leicht machen. Auch sie sind unversöhnlich.
Das Fragen nach den Fundamenten unserer Demokratie findet aber keinesfalls nur auf der anderen Seite des Atlantiks statt. Auch wir hier in Deutschland müssen uns diese Fragen stellen: Wie steht es um unser Land?
Zuletzt die Corona-Pandemie hat auch unsere Nation gespalten. Auf der einen Seite stehen die, die auf wissenschaftliche Fakten vertrauen, und bereit sind, sich einzuschränken. Ihnen gegenüber steht eine wachsende Anzahl an Menschen, die Einschränkungen der Freiheit nicht hinnehmen wollen und bestreiten, das dies zum Wohle der Gesundheit und zum Schutze besonders vulnerabler Gruppen notwendig und wirksam sei und sich ihrerseits auf Wissenschaft berufen.
Gewiss bedarf es einer Debatte über die Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen, über die Tragweite der Entscheidungen der Bundes- und Landesregierungen. Es ist gerade im besten Sinne demokratisch, sich dieser Debatte zu stellen und den demokratischen Streit zu suchen. Niemand wird dieses Recht verwehren wollen: Unsere Demokratie zehrt ja gerade vom Ringen um das bessere Argument.
Entscheidend ist aber, wie wir diesen Streit gestalten. Es braucht eine engagierte, gern auch streitfreudige Diskussion auf einer gegenseitigen Basis von Respekt und Toleranz. Diese Basis aber vermisse ich.
Wir können nicht unaufgeregt und sachlich die wesentlichen Fragen unserer Gesellschaft diskutieren, wenn sich Teile der Gesellschaft im politischen Diskurs disqualifizieren, indem sie sich der faktenbasierten Auseinandersetzung entziehen und es vorziehen, Medienvertreter anzugreifen, politische Entscheidungsträger zu beleidigen und zu bedrohen – von beiden Seiten.
Wir dürfen die Augen nicht verschließen vor der Legitimitäts-Krise der Demokratie, die Teile der Weltbevölkerung geradezu manisch heraufbeschwören wollen. Vielmehr müssen wir dem entgegentreten: Mit einem klaren Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Es liegt an uns, an jedem einzelnen, sich hierfür stark zu machen. Scheuen wir also nicht den Diskurs, sondern suchen wir ihn. Fragen wir nach, gern auch kritisch, aber immer in gegenseitigem Respekt auf der Basis demokratischer Gepflogenheiten.
Die Aufgaben, die vor uns stehen, betreffen uns alle. Wir werden die Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen können. Wir werden Spaltungen nur überwinden können, wenn wir den Dialog nicht abreißen lassen, sondern ihn immer wieder suchen, uns immer wieder in die Position unseres Gegenüber hineinversetzen und versuchen, die Welt mit seinen Augen zu sehen.
Wir brauchen keine Sintflut. Was wir brauchen ist gesunder Menschenverstand, der ein gesundes Miteinander begründet. Ich bin fest überzeugt, dass wir das schaffen können. Wann wir damit beginnen sollten? Am besten sofort. Treten wir aus unserer eigenen Komfortzone heraus und machen wir den ersten Schritt auf den andern zu, denn wie ein altes Sprichwort sagt:
Der erste Schritt ist immer der schwerste. Aber, das ist unbestritten, einer muss ihn gehen. Warum gehen wir ihn also nicht gemeinsam?
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
„Wie gehen wir um, mit Menschen, die der Demokratie so abgrundtief mißtrauen?“
Die Frage hat man 2016 nicht gestellt, als die deutsche Politik und deren Presse monatelang die absurde Behauptung aufstellte, Putin habe die US-Wahl zugunsten Trumps manipuliert.
Die Leute misstrauen „der Demokratie“, weil diejenigen, die sich heute so explizit als Vorzeigedemokraten oder auch als „die Zivilgesellschaft“ ausgeben, meist Heuchler sind.
„Wie gehen wir um, mit Menschen, die der Demokratie so abgrundtief mißtrauen?“ Es gibt wohl zwei Möglichkeiten: Politik verbessern oder Einweisung der Menschen in geschlossene Einrichtungen. Die Politik in Deutschland hat sich offensichtlich für die Einweisung entschieden und damit für die Abkehr von der Demokratie.
Die neue Sintflut ist schon da: Sie heißt jetzt Corona.
Und ob mit dem alten weißen Mann Joe Biden und seiner Stellvertreterin
Kamela Harris tatsächlich große Veränderungen eintreten, scheint doch sehr fraglich.
Sind sie doch phänomenologisch gesehen nur unterschiedliche Erscheinungen ein und desselben Geistes.
Insofern sollte man sich nicht allzu viele unbegründete Hoffnungen machen!
Sorgen Sie doch bitte zuerst dafür,dass der Propagandaapparat(auch GEZ-Medien genannt) der Regierenden, und der linken Pateien allgemein, sich wieder an die Rundfunkstaatsverträge hält.
Als zweite Maßnahme weg mit NetzDG und ähnlichen Zensurpraktiken
Drittens weg mit der Ministerpräsidentenkonferenz als Ersatzparlament.
etc.etc…….
Dem Inhalt des Artikel kann ich nur in wenigen Passagen folgen. Hier wird an den tatsächlich Verhältnissen vorbeigeschlichen. Wer sind denn diejenigen die aktuell die Demokratie in große Gefahr bringen? Es sind diejenigen die eben nicht zum Dialog bereit sind. Es sind diejenigen die Menschen, egal ob auf der Straße, in der Politik oder Wissenschaftler denunzieren, herabwürdigen, den Dialog komplett verweigern. Es sind diejenigen die kompetente Wissenschaftler einfach ausladen oder ignorieren die die eigene Meinung nicht teilen. Es sind die Medien die nur noch Gefälligkeitsjournalismus betreiben und maßgeblich zur Spaltung der Gesellschaft beitragen. Sie dürfen sich nun aussuchen, Herr Tipi,… Mehr
Guter Beitrag!
Warum labern so viele Leute von einer Demokratie
in Deutschland ?
Was man / frau hier vorfindet ist eine Klüngelwirtschaft ,
eine sog. Parteiendemokratie , aber niemals eine Staatsform ,
in der das Volk bestimmen bzw. mitreden darf !
Und genau deshalb benötigen “ wir “ dringendst eine
gewaltige Sintflut !
Ehrlichkeit würde zur Befriedung helfen, Abwägung von Argumenten in einem öffentlichen Plenum statt in Hinterzimmern würde helfen, ein Weniger an PR und stattdessen ein Mehr an Authentizität der Akteure würde helfen, auch ein gepflegter und nicht belehrender Ton in den klassischen Medien würde helfen. Es gäbe viele kleine Möglichkeiten. Daran müssen aber auch die in der Macht stehenden Menschen mitwirken statt nur mit Fingern auf andere zu zeigen.
Die Frage lautet:wieso ist es zu dieser Einschränkung der Meinungsfreiheit und des Dialogs gekommen?
War das nur ein Unfall,wurde man von öffentlicher/veröffentlichter Meinung dazu getrieben,alles Zufall,oder ist das alles bewusst so passiert(was ich für am wahrscheinlichsten halte,es lässt sich so doch viel einfacher regieren)?
„Es braucht eine engagierte, gern auch streitfreudige Diskussion auf einer gegenseitigen Basis von Respekt und Toleranz. Diese Basis aber vermisse ich.“ Ja, denn diese Basis ist mit dem „Marsch durch die Institutionen“ vernichtetet worden. Die sinnlosen, ideologisch begründeten Vorhaben wie Energiewende, Gendern, usw. können nur durchgesetzt werden, wenn es eben keine sachliche Kritik gibt, dann würden die Fehlkonstruktionen offen sichtbar werden. Die angestrebte ökosozialistische Weltordnung braucht wie jede diktatorische, ideologisch oder religiös begründete Staatsform ein gespaltenes Volk, um ihren Machterhalt zu sichern. Jede Kritik muss als rechts oder … leugner sofort verbal „totgeschlagen“ werden. Haltung vor Vernunft wird inzwischen durchgängig… Mehr
Der Demokratie trauen?
Mal ein paar Fakten aus diesem Land….
Diese Liste kann fortführen wer mag, ich muss zur Arbeit….