Bundesbürger: Befürchtungen für 2021 – ist es auch eine Wechselstimmung?

Eine Mehrheit der Bundesbürger sieht dem kommenden Jahr mit Befürchtungen und Skepsis entgegen. Seit 1949 war die Stimmung kaum jemals so schlecht, zeigt eine Langzeitbetrachtung - möglicherweise auch politische Wechselstimmung.

Jeden Dezember stellt sich den Mitarbeitern des Instituts für Demoskopie in Allensbach eine schwere Aufgabe, und sie wird jedes Jahr schwerer. Nach der Erhebung über die Stimmungslage der Deutschen wird eine Grußkarte zum Jahreswechsel erstellt, in der Tiersymbole „Hoffnung“ und „Befürchtungen“ im Vergleich zum Vorjahr symbolisieren. Weil die Umfrage seit 1949 läuft, sind den Allensbachern Glückskäfer und Glücksschweinderl ausgegangen und ließ sie zu schwerer verständlichen Symbolen greifen. In diesem Jahr werden die Hoffnungen durch Äffchen auf dem Ast sitzend dargestellt; die Befürchtungen durch Ratten mit rosa Ohren.

2020 jedenfalls war das Jahr der Ratte. 55% der Bürger schauen mit Befürchtungen oder Skepsis in die Zukunft.

Der Reiz der Allensbacher Analyse liegt vor allem in der Betrachtung seines langen Zeitraums. Seit 1949 wird jeden Dezember diese Umfrage erstellt; und die Auf und Abs von Optimismus und Pessimismus im Vorjahresvergleich zeigen ein langfristiges Stimmungsbild, das es sonst nicht gibt. Immerhin 71 mal wurden Äffchen und Ratten oder andere Tierallegorien für die Stimmungsbilder vergeben.

Pessimismus beherrscht das Land

Dabei zeigt sich: So schlecht wie im gerade vergangenen Dezember war die Stimmung selten in der Geschichte der Bundesrepublik. Im frühen Ausnahmejahr 1950 sahen 60 Prozent pessimistisch in die Zukunft – der kalte Krieg verschärfte sich damals und wurde in Korea zum sehr heißen Krieg. Der Korea-Krieg löste die Angst aus, dass es bald zwischen Ost- und Westblock zum Schlagabtausch kommen könnte; in vielen Haushalten wurden wieder Notvorräte angelegt, die im Wirtschaftswunder eigentlich nicht mehr nötig erschienen waren. Allerdings trieb die steigende Nachfrage die Wirtschaft an und der Optimismus kehrte schon im darauffolgenden Jahr zurück ins Wirtschaftswunderland.

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Der nächste Pessimismusschub kam erst 1973. Nach der Bundestagswahl kam es zur ersten sozialliberale Koalition in der Bundesrepublik und Willy Brandt wurde Bundeskanzler. In der US-Raumfahrt sorgte „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit“ für Begeisterung – am 21. Juli 1969 betrat Neil A. Armstrong als erster Mensch den Mond. Aber das Massaker amerikanischer GIs an Zivilisten in My Lai in Vietnam überlagerte dieses welthistorische Ereignis. Moskau und China bekämpften sich am Ussuri-Fluss, Frankreichs Präsident de Gaulle tratt zurück und Jassir Arafat wurde PLO-Führer; Krieg und Hungerblockade in der nigerianischen Provinz Biafra sorgten für internationale Bestürzung. Die brutalen Morde der Manson Family in Kalifornien sowie der Vietnamkrieg prägen die Stimmung. Musikalisch und kulturell blieb das Woodstock-Festival in Erinnerung. Studentenunruhen brechen aus. Es sind unruhige Jahre.

Vier Jahre lang hintereinander bis zum Tiefpunkt 1973, mit einem erneuten historischen Höchstwert der Pessimisten seit der Koreakrise, verschlechtert sich die Stimmung. Helmut Schmidt löst Willy Brandt als Kanzler ab, das hebt die Stimmung, eine ganze Weile um 1982 erneut abzustürzen. Helmut Kohl wird nach einem quälenden Abschied Schmidts von der Macht Kanzler, und die Stimmung steigt.

Neue Tiefststände werden 2002 markiert; da legt die Regierung Schröder einen kapitalen Fehlstart hin. 2008 kracht mit der Finanzkrise die Stimmung in den Keller. Gemessen daran ist die gefühlte Stimmungslage im Dezember 2020 sogar geringfügig optimistischer: Immerhin 39 Prozent sehen mit Hoffnung ins Neue Jahr, 2008 waren es nur 34%. Offensichtlich glauben viele, dass Corona doch wieder so verschwindet, wie es gekommen ist.

Aber Stimmungen ändern sich schnell: Schon 2009 herrschte wieder Optimismus. Auch weil wegen der Finanzkrise Abwrackprämie, Bad Banks und Konjunkturprogramme die Schlagzeilen beherrschen und die Bundesregierung mit einer Vielzahl von Maßnahmen versucht, die Folgen der Wirtschaftskrise abzufedern.  Das kommt gut an. Zwar kämpfen viele Unternehmen um ihr Überleben oder müssen aufgeben – darunter Traditionshäuser wie Quelle, Rosenthal und Schiesser. Aber die Stimmung steigt zeitlich vor den Konjunkturdaten. Auch die politische Landschaft verändert sich im Superwahljahr. Sowohl in den Ländern als auch auf Bundesebene erringt Schwarz-Gelb einen Wahlerfolg nach dem anderen. Merkel kann den Ruhm als Krisenkanzlerin ganz allein für sich einheimsen. Die Sozialdemokratie bleibt am Wegesrand und befindet sich seither in einer schweren Krise, die zum Dauerzustand geworden ist.

Superwahljahr 2021

Und 2021? Es wird wieder eine Superwahljahr. Am 14. März wählen Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg neue Landtage; gegen die ermattet wirkenden Ministerpräsidenten Malu Dreyer (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne) sollte ein Wechsel möglich sein. Außer der Reihe wird die Landtagswahl in Thüringen stattfinden, voraussichtlich am 25. April: Nachdem Kurzzeitministerpräsident Kemmerich zum Rücktritt gezwungen worden war, wurde dieser Wahl-Termin eingeschoben, um notdürftig den Eindruck zu vermeiden, dass die Bundeskanzlerin ungenehme Wahlen korrigiert kann: Kemmerich war mit den Stimmen der AfD gewählt worden. 2021 wird sich zeigen, ob die Wähler diese Winkelzüge hinnehmen.

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Gegen die AfD in Thüringen zu regieren ist schwierig. Vermutlich wird DIE LINKE die CDU als Bündnispartner brauchen – ein mehr als peinlicher Konflikt für die Union. Kompliziert sind die politischen Verhältnisse auch in Sachsen-Anhalt, wo ein Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags die Kenia-Koalition von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) beinahe zum Platzen gebracht hätte. In allen drei östlichen Bundesländern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wird voraussichtlich die AfD sehr gut abschneiden. Da keiner mit ihr koalieren will, werden wieder komplizierte politische Tauschgeschäfte nötig, um irgendwie Koalition zusammenzuschustern, die sich alle nur in der Ablehnung der AfD einig sind.

Der Höhepunkt des Superwahljahres steht am 26. September an. Endet mit der Bundestagswahl nach 16 Jahren die Ära von Kanzlerin Angela Merkel? Am selben Tag wird jedenfalls auch das Landesparlament in Berlin gewählt. Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin steht für legendäres Versagen. Für die SPD ist Franziska Giffey Hoffnungsträgerin; wie man schwindelt, hat sie mit ihrer Doktorarbeit bewiesen und sich damit für das höchste Amt der Stadt ausgezeichnet.

Wie wirken sich aber Optimismus und Pessimismus auf Wahlergebnisse aus? Die Antwort fällt differenziert aus, zu viele Faktoren beeinflussen das Wahlergebnis. „Keine Experimente“ lautete der Slogan, der Konrad Adenauer mit einem bislang nicht übertroffenen Rekordergebnis in der Bundestagswahl 1957 stolze 50,2 Prozent der Stimmen einbrachte. Mit Hoffnung schauten damals im Dezember des Vorjahres 58 Prozent der Befragten ins darauffolgende Jahr, nur 15 Prozent mit Befürchtungen; damit knüpfte Adenauer mit seinem Slogan an die positive Stimmungslage an.

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Zu gute Stimmung allerdings macht übermütig und experimentierfreudig: 1968 war ein Jahr der Stimmungskanonen und Willy Brandt konnte „Willy wagen“ plakatieren lassen – dann war’s allerdings schnell vorbei mit dem Wagnis. Das Stimmungsbarometer stürzte ab. Willy Brandt als Modernisierungskanzler ist eine fromme Legende; der pragmatische Helmut Schmidt musste das Experimentierfeld bereinigen. Doch die giftige Kombination von explodierender Staatsverschuldung, Inflation und wachsender Arbeitslosigkeit vermieste schnell die Stimmung. Und das darauffolgende mehrjährige Stimmungstief 1982 brachte Helmut Kohl ins Amt.

Es könnte also wieder Zeit für einen Wechsel sein: Gewechselt werden die Pferde im Stimmungstal und auf dem Gipfel der guten Stimmung; kaum in einer gesunden Mittellage. Die Bundesregierung hat ihre Lektion aus der Finanzkrise gelernt: Mit massiver Subventionsberegnung aus dem Bundeshaushalt versucht sie ein noch weiteres Abkippen der Stimmung zu vermeiden. Noch hält sich das wirtschaftliche Elend für die meisten Arbeitnehmer in Grenzen. Hält diese Art von Stimmungs-Politik bis zur bin Bundestagswahl im September – oder werden die Nebenwirkung der staatlichen Stimmungsaufheller in Form von Haushaltsdefiziten und Gelddruckerei direkt für die Staatsausgaben spürbar? Es ist ein Wettrennen gegen die Zeit, bis die Ratten der schlechten Laune aus ihren Löchern kommen und  der CDU das Ergebnis vermiesen und die Affen von den Ästen stürzen. Dabei kommt erschwerend hinzu:

Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Jahresbeginn auf erneut 19 Prozent, der drastischen Verteuerung von Benzin, Diesel und Heizkosten sowie steigenden Sozialabgaben schlägt die verfehlte Politik auf die Verbraucher durch. Zu lange hat Merkel die Bürger als Melkkuh betrachtet, der für höhere Ziele zur Rettung des Planeten immer mehr abgenommen werden kann. Trotz der Corona-Krise wurde dieser Kurs nicht korrigiert und verhagelt den Verbrauchern die Stimmung. Sie merken es jetzt, aber schlagartig und werden es dem zukünftigen eingewechselten CDU-Vorsitzenden anrechenen.

Aber wird überhaupt gewechselt? Spekulationen drehen sich darum, ob Angela Merkel entgegen ihrer Beteuerung nicht doch noch einmal als Kanzlerkandidatin antritt. Längst ist sie beherrscht von dem Gefühl, dass keiner ihr Amt besser kann. Aber vielleicht ist die Frage auch falsch gestellt. Wird überhaupt gewählt? Im düsteren Jahr der Corona-Krise scheint alles möglich.

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Kommentare ( 213 )

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Schwabenwilli
3 Jahre her

Solange Geld fließt bleibt alles beim Alten. Und das wird es auf jeden Fall bis September.

Christoph Mueller
3 Jahre her

Ich bin gespannt, ob in diesem Jahr die Bundestagswahl überhaupt stattfinden wird. Und wenn ja – in welcher Form?

Julischka
3 Jahre her
Antworten an  Christoph Mueller

Sie wird stattfinden! Allerdings per Briefwahl, läßt sich besser manipulieren!

Schraubenberny
3 Jahre her

Es bleibt die Frage offen,wohin die Wähler und Wählerinen denn wechseln sollen.
Die 7 Bundes-und Landtagswahlen2021 können doch jederzeit von der „Gottkanzlerin“ gekänzelt werden,alles zum Wohle der „Bürgergesundheit“.Damit würde sich jeglicher „Wechsel“ bei den Altparteien ausschließen. Z.Z. stehen die Zeichen auf Ausgangssperre bis zum St. Nimmerleinstag an.

Westried
3 Jahre her
Antworten an  Schraubenberny

Die Landtagswahlen (wie und wann) werden von den Ländern festgelegt. Briefwahl ist je nach Begründung ja ohnehin möglich. Die Wahl in Bayern 2020 war ja stark in der Diskussion.
Bei den Bundestagswahlen ist der Bundespräsident „federführend“.

Gottfried
3 Jahre her

Am besten bleibt Merkel Kanzlerin. Es wäre doch schade, wenn sie ihr Werk nicht selbst vollenden könnte.

Farbauti
3 Jahre her

Und schon wieder ein Verdacht:
„Wenn wir jetzt Antikörper haben, die die Spikes von Corona-Viren bekämpfen, dann bekämpfen sie möglicherweise auch das Syncytin. Das heißt, wenn wir Antikörper gegen dieses wichtige Protein haben, wird es möglicherweise dadurch zerstört – dann kann es nicht mehr zu einer Schwangerschaft kommen.“
und dann kommt: Das haben wir nicht gewußt, konnte man nicht wissen.

Onan der Barbar
3 Jahre her
Antworten an  Farbauti

Schon mal daran gedacht, dass diese Antikörper sich sowohl bei einer Impfung als auch bei einer Infektion bilden?
Wenn das stimmt, ist es das stärkste Argument FÜR einen Lockdown überhaupt…

eld
3 Jahre her

Ich kann mir sogar gut vorstellen, dass es eine Bundestagswahl in 2021 nicht geben wird. Die Wirren aus Corona-Panik und Wirtschaftschaos könnten in Umfragen die Menschen eine starke Beherrscherin wünschen lassen. Diese Idee greifen die Altparteien dann auf und beschließen im Bundestag den nationalen Notstand, wie in einem Kriegsfall.

Farbauti
3 Jahre her
Antworten an  eld

Ganz richtig,im Krieg wird nicht gewählt. Der muß durchgestanden werden.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

„Ist es technisch leichter Wasser zu kontrollieren oder ein Vakuum?“ Es ist anders. Unter Wasser herrscht höherer (je nach Tiefe auch vielfacher) Atmosphärendruck, im Vakuum fehlt er. Ein U-Boot braucht dicke Wände, ein Raumschiff nicht. „Im Gegensatz zum Inneren eines Raumanzuges herrscht also außen ein Vakuum. Wie kann der Druckausgleich an einem Anzug oder an der Türöffnung einer Raumkapsel technisch gestaltet sein, wenn 20Jahre später für das Tauchen in 4km Tiefe eine Kapsel a) rund sein muß und b) aus Titan bestehen muß.“ Berechnen Sie doch mal die Druckdifferenz: Der Druck im Vakuum beträgt 0 bar. Der normale Luftdruck beträgt… Mehr

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

Geschmackssache? Es lässt sich doch klar herausarbeiten, wer diese Probleme noch am Besten managen könnte.
Tipp: Die Grünen sind es nicht.

Sargas
3 Jahre her

Ich hab‘ mal für alle*innen gesprochen. Was mich selbst betrifft, gehe ich absolut konform mit Ihnen 😉

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

Politik ist immer auch Machtpolitik. Ohne Moos, nix los. Keine Macht, macht nix. Als ob das eine brandneue Erkenntnis wäre. Politik ist dreckig. Immer. Es gibt keinen Märchenkönig ohne einen Handlanger mit langem Messer im Schatten. Sonst ist er kein König. Als die Rechten das vergaßen, kamen eben die Linken ans Ruder. Vernünftige Politik wäre machiavellistisch genug gewesen, um sich gar nicht erst auf einen verlogenen „herrschaftsfreien Diskurs“ einzulassen. Nein, vernünftige Politik hätte die wesentlichen Themen der sich wandelnden Zeiten (z.B. Umwelt) selbst adressiert, linke Umtriebe dagegen mit aller Härte ausgebrannt, und zwar genau so, wie es heute die Linken… Mehr

Kuestensegler
3 Jahre her

„Der nächste Pessimismusschub kam erst 1973.“ – Das war nicht verwunderlich, denn am 17. Oktober 1973 stieg der Ölpreis von rund drei US-Dollar pro Barrel (159 Liter) auf über fünf Dollar. Dies entspricht einem Anstieg um etwa 70 Prozent. Im Verlauf des nächsten Jahres stieg der Ölpreis weltweit auf über zwölf US-Dollar pro Barrel… 1974 musste die Bundesrepublik für ihre Ölimporte rund 17 Milliarden DM mehr bezahlen als im Jahr zuvor. Dies verstärkte die Wirtschaftskrise und führte zu einem deutlichen Anstieg von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Sozialausgaben und Insolvenzen von Unternehmen. Keynesianische Konjunktursteuermaßnahmen und geldpolitische Maßnahmen hatten Stagflation zur Folge.“ (Wikipedia)

Farbauti
3 Jahre her
Antworten an  Kuestensegler

Bei uns zuhause gab es den Pessimismusschub anfang der 60er.
„durch den enormen Rationalisierungsdruck halbierte sich von 1950 bis 1966 die Zahl der Bergleute. Ab 1964 trat zusätzlich das Instrument der Stilllegungsprämien in Kraft, mit dem die Förderung um weitere 26 Mio. Jahrestonnen gemindert werden sollte….“
Und das nur Willy Brandt eine europäische Union wollte, nicht aber Helmut Kohl, ist mir auch nicht bekannt.