Für Halloween und andere Remmidemmis brauchst du keine Familie, nicht einmal Freunde. Aber Weihnachten ist das Familienfest des Jahres. Wer keines hat, dem fehlt ein wichtiger Moment im Zyklus des Lebens und der Jahreszeiten, das einmal durchatmen, innehalten, der Seele Nähe und Wärme gönnen.
Es gab ein paar Jahre, in denen ich keine Weihnachten hatte. Aus persönlichen Gründen, die nicht hier hin gehören. Aber warum hatte ich damals keine Weihnachten? Weil ich ohne Familie war. Womit ich beim Punkt bin. Ohne Familie oder ein Zusammen mit anderen, das einer Familie gleichkommt, gibt es keine Weihnachten. Für Halloween und andere Remmidemmis brauchst du keine Familie, nicht einmal Freunde. Aber Weihnachten ist das Familienfest des Jahres.
Klaus-Rüdiger Mai schildert den Werdegang von Weihnachten mit dem zentralen Unterschied, dass „Ostern als Leidens- und Passionszeit für die christliche Kirche wichtiger als Jesu Geburt zu Weihnachten, ganz im Gegensatz zur Volksreligion“ war. Die Kluft zwischen Amtskirche und Volkskirche ist alt.
Dass die Christbäume schon weit vor dem Weihnachtsabend aufgestellt werden, fiel Ferdinand Knauß dieses Jahr auf. Er weiß aus seiner Studienzeit: „In Japan ist der „Kurisumasu-torii“ keine Tradition, sondern ein nach dem Krieg von den Amerikanern übernommenes, fast immer aus Plastik gefertigtes kitschiges Accessoire, mit dem man seine Aufgeschlossenheit als Konsument demonstriert.“
Damit bin ich bei Kabarettistin Maren Kroymann und Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer. Sie sagte bei Maischberger, an Weihnachten würde man sich „sowieso nur hirnlos die Wampe vollfressen und ebenso hirnlos Geschenke einkaufen“, er stimmte ein, die „Überhöhung des Weihnachtsfestes“ ebenfalls nicht verstehen zu können. Daran ist wahr, dass meine Wohlstandsgeneration früh begann, Weihnachten als Geschenkeüberbietungswettbewerb zu betreiben, bei dem sie ihre Kinder im Konsumwettbewerb instrumentalisierten, statt ihnen den Sinn von Weihnachten vorzuleben. Über mehrere Generationen fortgesetzt bleibt nur der Konsumwettbewerb übrig. Ob dann mit oder ohne „Kurisumasu-torii“ wird egal. Ferdinand Knauß schreibt es, dem Ruf „No borders, no nations“ folgt „no traditions“.
Ich sehe in den letzten Jahren eine Gegenbewegung zurück zu den Wurzeln, die nicht streng nach Stadt-Land verläuft, aber tendenziell doch – parallel mit einer Stadtflucht, die aus mehreren Gründen ohnedies wieder einmal im Gange ist. Ich war in diesen Tagen beim Begräbnis des 88-jährigen Vaters eines guten Nachbarn in seinem Tiroler Bergdorf. Als einst erprobter Ministrant in der Dorfkirche meiner steirischen Heimat, an die mich nun die im Pitztal sehr erinnerte, ist mir der katholische Ritus bekannt, auch wenn lang her. Auf zweierlei war ich nicht vorbereitet. Erstens, wie lebendig der Marienkult ist. Es wurde ein ganzer, langer Rosenkranz draußen vor der Kirche gebetet, im Wechselspiel von Vorbeter und Trauergemeinde, bevor der Pfarrer mit Mesner und Messdienern erschien, zur Einsegnung und um den Zug mit dem Toten, den Angehörigen und dem halben Dorf in einer Ehrenrunde in die Kirche zu geleiten. Und zweitens, wie die Dorfbürger mit einander umgingen. Dass die Bergwacht, der der Verstorbene ein Leben lang angehört hatte, ihn in die Kirche und von dort ans Grab trug, unterstreicht die lebendigen gesellschaftlichen Strukturen einer Bürgergesellschaft, die Tradition mit moderner Funktionalität verbindet.
Vor 20 Jahren hatten nicht wenige Traditionsvereine das Problem der Alterung. Dann setzte ohne einen äußeren Anlass ein Zulauf an jungen Leuten ein, der nicht nur anhält, sondern in den letzten Jahren noch stärker ist. Vom Alpenverein bis zu den Schützenkompanien, bei unzähligen Sportvereinen, der Freiwilligen Feuerwehr, dem Roten Kreuz und vielen anderen Selbstorganisationen der Bürgergesellschaft, wo immer ich hinschaue, die jungen Gesichter sind in der Überzahl, darunter anders als früher „Manderleut und Weiberleut“ als Aktive gleichermaßen. Vergleiche ich heute mit meiner Jugend, fällt mir auf, die Jugendorganisationen der politischen Parteien spielten damals eine große Rolle, heute keine. Die Bürgergesellschaft hat ihren Platz nicht nur behauptet, sondern ausgeweitet.
Weihnachten hat in diesen gewachsenen Gemeinschaften seinen Kern bewahrt. Die meisten gingen schon in meiner Jugend nicht in die Christmette, weil sie tief religiös waren, sondern weil sie zur Dorfgemeinschaft gehörten. Katholisch ist vor allem in den Breiten rund um die Alpen bis hinüber in die Tatra jenseits von Religion vor allem eine Lebensart, eine Kultur mit ungeschriebenen Regeln. Ja, auch sie haben sich im Lauf der Zeiten geändert, aber nicht im Kern. Es ist wie schon immer klar, was man tut und was nicht, was anständig ist und was nicht. Und wer dagegen verstößt, weiß das, die anderen wissen es. Und wenn der Verstoß ein grober war, muss er aus der Welt geschafft werden. Sonst gehört man nicht mehr zu dieser Welt.
Sagen Sie nicht, das wäre unpolitisch, es ist hoch politisch. Gemeinschaften halten aus sich heraus – ohne Politik. Oder sie halten nicht und zerfallen. Die einzig wirkungsvolle Reform der ach so naiv unpolitischen, aber hochpolitisierten westlichen Welt von heute ist nicht eine andere Politik, sondern dramatisch weniger Politik. Und das ist auch schon mein Weihnachtswunsch. Er wird es auch die Weihnachten sein, die ich, so Gott will, noch sehen darf. Mit leuchtenden Augen wie seinerzeit als Kind und unverändert heute in der oberen Mitte des Alters.
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Die Kultur steht weit vor der Politik, die Sphäre der Politik wurde in 1789, 1918 und 1968 maßlos überschätzt und heute verstehen die jungen Mneschen, dass die Kulturpflege oft wichtiger ist als das tägliche Politikum. NS oder Bolschewismus waren auch nicht Politik, sondern Terror. Die Kultur lebt aus dem intersubjektiven Recht und natürlich auch aus dem sozialen Ritual und Kreislauf heraus, die Politik aber aus zwei verschienen Rechtsarten heraus, dem formalen und dem intersubjektiven. Die Medien ignorieren meist das Unauffällige, Alltägliche, und überbetonen grenzenlos das Politische und überpolitisierte Menschen – das halte ich für Pfusch.
Heiligabend war in meiner Kindheit der allerschönste Feiertag. Ich bin nach dem Krieg in einem Landgasthof aufgewachsen, mit angeschlossenem Lebensmittelgeschäft, und der Heilige Abend war der einzige Feiertag, an dem ich meine Familie für mich hatte. Das war ganz wichtig. Bis Mittag war ja noch geöffnet, und dann war endlich Ruhe. Meine Mutter, die nicht sehr gesund war, musste sich dann ausruhen und der Vater machte noch Büro. Ich ging mit den Kindern der Nachbarschaft in den Kindergottesdienst, wir liefen fast eine Stunde. Im Norden schneite es oft schon ein bißchen Ende Dezember und wir kamen dann durchnässt nach hause.… Mehr
Lieber Herr Goergen, Ihr Artikel hat mich sehr zum Nachdenken angeregt, da ich viele meiner Auffassungen, in ungewohnter Klarheit darin wiederfinde. Weihnachten allein, ohne Familie ist ein armes Weihnachten und macht das Jahr in der Tat arm. Diese Erfahrung habe auch ich einige Jahre gemacht. Aber ich würde nicht sagen, dass es keine Weihnachten waren. Mir hat immer die Wahrung der Form, die Aufrechterhaltung der Tradition geholfen, nicht als Trost, sondern in dem Bewusstsein der Verpflichtung dazu. Also das volle Programm, mit Braten, Baum, Kirche und Geschenk. Sicher, es mag Situationen geben wo auch das nicht möglich ist, aber grundsätzlich… Mehr
Es gab mal ein paar Jahre, da feierten wir Weihnachten. Ganz traditionell. Das war die Zeit, als unsere Kinder klein waren. Als dann die Enkel da waren, feierten wir wieder ganz traditionell Weihnachten. Dann gab es ein paar Jahre, da engagierte ich mich beim Frauennotruf und dem örtlichen Frauenhaus. Die Notdienste an Weihnachten hatte ich übernommen, da keine kleinen Kinder mehr etc. Gerade an großen Feiertagen füllen sich die Notaufnahmen der Kliniken und auch der Frauenhäuser. Ich hatte wirklich gut zu tun. Seit meine Kinder Europa verlassen haben, saß ich am 24.12. im Flugzeug und gönnte mir Meine Freundin kümmert… Mehr
Weniger Politik heißt mehr Freiheit. Das will nur gerade fast keiner hören. Mehr Freiheit heißt mehr Eigenverantwortung.
Mit dem christlichen Glauben können wir als Kleinkinder noch nicht so viel anfangen. Aber mit der Weihnachtsgeschichte, dem Christkind, dem Duft der Tanne und der Lebkuchen, der Apfelsinen und Äpfel, der Faszination des Kerzenlichts und des traditionellen, festlichen Essens, dem schönsten und besten Tafelgeschirr und der Speisen, die es bei uns nur zu Heiligabend gab. Vorab das heilige Ritual des Brotteilens mit geweihten Hostien und das sich gegenseitige gesegnete Weihnachten Wünschen. Dazu braucht es aber eine Familie. Daran und an andere magische Momente, wie den ersten Blick auf den strahlenden Glanz des Christbaums oder den nächtlichen Gang zur Christmette erinnern… Mehr
Ja. Und das dann mit in das ganze Jahr tragen.
Was auch sonst?
Mir wurde ein freundschaftlicher Tip zuteil, und so sah und hörte ich einen echten wunderbaren virtuellen Weihnachtsgottesdienst, untermalt mit berührenden Videosequenzen, mit unter erschwerten Umständen ermöglichtem Chorgesang. Ein kleines schönes Dorfkirchlein … htpps://stepp.ekhn.de/startseite.html
Weihnachten war früher ein Fest der Familie. Insbesondere in ländlichen Gebieten. Da war man noch gläubig. Es mußte alles hart erarbeitet und verdient werden. Die moderne Mediengesellschaft verbreitet jede Nachricht weltweit in Sekundenschnelle. Nichts bleibt mehr unter der Decke. Bsp. Mißbrauch durch Geistliche an den Schutzbefohlenen und der Versuch dies zu unterdrücken. Die Menschen verlieren den Glauben und kehren diesen Institutionen den Rücken. Die Korruption der politischen Klasse tut sein Übriges. Es wird nur noch zusammen gerafft. Das Fest ist zur Konsumeritis verkommen. Sicherlich spielt das Wetter auch eine gewisse Rolle. Weiße Weihnachten – alles nur noch Wunsch, nicht mehr… Mehr
Bei den Absonderungen der eitlen Frau Croyman ( ich habe mir jüngst ein Interview dieser selbstverliebten Person auf MDR Kultur angetan) und des sonst durchaus geschätzten Herrn Fleischhauer fällt mir nur Karl Valentin ein: “ Es ist schon alles gesagt worden. Nur noch nicht von allen. „