Der Historiker Michael Wolffsohn hat zahlreiche Fehler in einem Artikel des Handelsblatts über den Vater von Roland Berger nachgewiesen. Trotzdem bekamen die Redakteure den "Deutschen Reporterpreis" dafür. Mit dem wurde auch schon ein gewisser Claas Relotius mehrfach geehrt.
Vor wenigen Tagen erhielt ein Team von Handelsblatt-Redakteuren den „Deutschen Reporterpreis“ in der Kategorie Investigation. Zur Erinnerung: Das ist jener Preis, den in einer anderen Kategorie mehrfach auch Claas Relotius erhalten hatte. Nachdem 2018 bekannt geworden war, dass dieser einstige Star-Reporter des Spiegel die Geschichten, für die er ausgezeichnet und von vielen Kollegen nicht nur im Spiegel bewundert wurde, mehr oder weniger frei erfunden hatte, geriet auch das „Reporterforum“, jener Verein voller Alpha-Journalisten, der den Reporterpreis vergibt, für kurze Zeit in die Kritik. Man sollte also meinen, dass die Jury-Mitglieder durch diese Relotius-Erfahrung ganz besonders sensibel für den Unterschied zwischen Dichtung und Wahrheit und generell die Korrektheit der mit dem renommierten Preis ausgezeichneten Journalistenarbeit sind.
Doch offenbar nahm man es damit auch in der Post-Relotius-Ära nicht so genau. Das vom Handelsblatt-Redakteur Sönke Iwersen und seinen Kollegen fabrizierte, vom Reporterforum ausgezeichnete Werk ist eigentlich kein journalistisches, sondern ein Stück Geschichtsforschung – oder besser: der gescheiterte Versuch einer solchen. Es handelt sich wohl um eine doppelte Anmaßung: Der Nicht-Historiker Iwersen und seine Kollegen versuchten sich als Historiker, und die Jury zeichnete somit eine „Investigation“ aus, deren Wahrheitsgehalt sie nicht selbst beurteilen können, da es eben nicht auf journalistischer, sondern auf historischer Recherche beruht. Und dabei haben sie die Erkenntnisse eines Fachmanns schlicht ignoriert. Dazu weiter unten mehr.
Der lange Handelsblatt-Text vom Oktober 2019 trägt den Titel: „Roland Berger, sein Nazivater und die Schuld der deutschen Wirtschaft“. Ergebnis: Der längst verstorbene Georg Berger, der Vater des bekannten Unternehmensberaters Roland Berger, entsprach doch nicht dem hehren Bild eines aufrechten, integren Mannes in finsteren Zeiten, das dieser von ihm öffentlich pflegte. Berger Senior war, daran kann es wohl keinen Zweifel geben, zumindest bis 1942 kein Opfer, sondern ein Profiteur der NS-Herrschaft.
Aber so „akribisch“, wie es zur Begründung der Preisvergabe beim Reporterforum heißt, war die Recherche wohl doch nicht. Sie steckt voller Fehler. Und das hätten die Preisverleiher eigentlich wissen können und müssen. Denn nach den Handelsblatt-Redakteuren haben sich professionelle Historiker der Materie angenommen.
In einem Beitrag für die Tageszeitung Welt schreibt Wolffsohn zwei Tage nach diesem selbstlobenden Handelsblatt-Artikel: „Das ist falsch. Richtig ist, dass ich in meinem wissenschaftlichen Gutachten der inzwischen prämierten und nun auch für den Nannen-Preis 2020 nominierten „Investigation“ 14 zum Teil krasse Fehler, schwere methodische Mängel sowie eine zu schmale Quellenbasis nachgewiesen habe.“ Ein Beispiel: „Das Handelsblatt hatte zudem bestritten, dass Georg Berger jemals von der NS-Justiz belangt wurde. Tatsächlich sind 1943/44 mehrere Verfahren gegen ihn ebenso nachweisbar wie Verurteilungen. Georg Bergers Münchner Gestapohaft vom 26. Juli bis 21. September 1944 habe ich in meinem Gutachten mithilfe von Dokumenten belegt. Hat das Handelsblatt sie gesucht? Selbst aus einem Dokument, das dem Handelsblatt bekannt ist, wäre dieses Faktum herauslesbar gewesen.“ Außerdem bezeichnete das Handelsblatt einen Entlastungszeugen für Georg Berger als dessen (befangenen) Schwiegervater, der, wie Wolffsohn herausfand, überhaupt nicht mit ihm verwandt war.
Mit diesem vernichtenden Urteil konfrontiert, reagiert Iwersen mit einem Anruf bei TE und bittet um Geduld, man werde Stellung nehmen. In dieser Stellungnahme heißt es dann trotzig: „Das Handelsblatt steht zu seiner Recherche. Das Handelsblatt hat in seiner Recherche über Georg Berger mit allergrößter journalistischer Sorgfalt gearbeitet.…“ Nur in zwei Details räumt man Fehler ein, die das Handelsblatt aber schon auf eine Intervention von Roland Bergers Anwalt hin – so Wolffsohns Darstellung – seit Juli 2020 nicht mehr verbreitet. Kein Wort vom Handelsblatt zu den anderen krassen Fehlern, methodischen Mängeln und der zu schmalen Quellenbasis.
Dadurch wird der Fall zu einem Versagen einer Institution, die sich selbst als „Branchentreffen“ des deutschen Journalismus versteht. In seiner Selbstdarstellung auf der eigenen Website präsentiert sich das Reporterforum so: „Uns vereint die Erkenntnis, dass wir über unsere Artikel hinaus verantwortlich sind für die Qualität des Journalismus, uns vereint der Wille, nicht untätig zuzusehen, wie Zeitungen und Zeitschriften an Auflage und Einfluss im Prozess der Meinungsbildung verlieren.“
Gegenüber TE fasst Wolffsohn zusammen: „Die Meinungsfreiheit ist unantastbar, doch in Geschichte geht es zunächst um Fakten. Das ist mein Metier. Vor dem Handelsblatt wurde der faktenferne Claas Relotius viermal mit dem Reporterpreis ausgezeichnet. Gerade deshalb verstehe ich nicht, weshalb es die Reporterpreis-Jury in der Kategorie Investigation versäumte, die Faktenbasis des HB-Beitrages zu prüfen. Einmal gegoogelt und geklickt, wäre man mühelos auf mein Gutachten gestoßen. Dort sind alle HB-Fehler haarklein belegt.“
Claas Relotius wurden seine Preise nachträglich aberkannt. Doch der versprochene Wandel im Reporterforum, der eine Wiederholung eklatanter Fehlentscheidungen verhindern sollte, hat offenbar nicht wirklich stattgefunden. Beim Handelsblatt könnte man nun immerhin die Chance wahrnehmen, den Preis freiwillig zurückzugeben. Die Stellungnahme des Handelsblatts, die unter der Überschrift „Ehrung für das Handelsblatt“ steht, vermittelt nicht den Eindruck, dass man dies erwägt.
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Nun ja, der Deutschen Reporterpreis ist eine solide 3 bis 4 in Schulnoten umgerechnet.
Der Auftrag der Redakteure lautete wohl: Pieselt doch mal Roland Berger ans Bein. Es geht zwar um seinen Vater, aber mitgehangen, mitgefangen. Irgendetwas mit Nazi wird schon hängenbleiben. In diesem Land Erfolg zu haben ist auch immer mit Missgunst verbunden. Und nirgendwo ist Missgunst gegenüber Leistungsträgern größer, als bei den Linken und ihren Helfershelfern von der schreibenden Zunft. Anders kann ich mir einen solch grottenschlechten Artikel nicht erklären. Dass die Jury, in der auch Anja Reschke sitzt, der bei dem Begriff „Nazi“ gleich in der Manier des pawlowschen Hundes der Sabber aus dem Mund läuft und Schnappatmung einsetzt, dafür einen… Mehr
Dass der Kulturbetrieb in Deutschland eine geschlossene Clique ist die sich permanent gegenseitig hochjubeln ist bekannt. War schon vor 20 Jahren so. Was zählt sind Haltung und Vitamin B, nicht Qualität.
Es gab mal eine Zeit, da hatte man den Anstand die Toten in Frieden zu lassen (im Zweifel) – in unserer Gesellschaft ist dieser Anstand völlig abhanden gekommen.
Herrn Berger mit einer Nazi-Größe zu verbinden, war mir vor 2 Jahren schon suspekt. Es ist ja immer dasselbe Muster – hoffe das Handelsblatt wird ausreichend zur Rechenschaft gezogen und die Preisverleier blamieren sich noch weiter …
Es geht nur um das schnelle Geld … somit: man soll den Dreck nicht mehr kaufen …
Damit ist auch dieses Fakenews-Blatt ein heißer Kandidat für den Rettungsschirm der Demokratieabgabe. Wahrscheinlich ist das der tiefere Grund für solche Selbstbelobhudelungen unter Gesinnungsgenossen.
Heute reicht es, wenn man auf der richtigen politischen Gesinnung-Seite steht. DDR halt. !!!!!!!!! Dann spielt Realität keine Rolle mehr, weder wissenschaftliche Realität noch geschichtliche. So wird dann Geschichte zur Märchenwisschaft. In solchen Relotius-Zeiten könnte sogar eine Hochtstaplerin die im Dienste des Honecker SED-Regimes, als Sekretärin für SED Indoktrination und kommunistische Propganda stand, Bundeskanzlerin werden oder Vorsitzende bei den Grünen. 70 Jahre danach wird man darüber dann ein „kluges“ Gutachten schreiben. Der Geist der RAF ist offenbar noch nicht gestorben. Deutschland das Land der unbegrenzten phantastischen (oder sollte man sagen „phantasierten“) Möglichkeiten, wie einst die DDR. Leider hat das die… Mehr
Roland Berger? Georg Berger? Lebensgeschichten von vor fast 100 Jahren? Ist für die Klatschkolummnen und Historiker bestimmt interessant. Aber mindestens 90% der Deutschen kennen nicht einmal im mindesten die Geschichte der Nazizeit oder des 20. Jhd. Da gibt es ganz andere Prioritäten, Fussball, Bierstammtisch (alleine oder in Gesellschaft), Schlafen gehen und dann wieder Malochen gehen, wenn man Glück hat im Leben, sonst kann es auch in Harz4 oder auf der Starße enden. Nicht vergessen, das wichtigste Zeitproblem heißt Corona, eine Zeit in welcher: Zitat Merkel: „Schüler und Studenten Home-Office, oder was auch immer machen“ Der Dunstkreis aus em zukünftike „Experten“… Mehr
Das ist dann eben kein renommierter Journalistenpreis mehr, sondern eine traurige Angelegenheit. Ein Schulterklopfer von Gesinnungsgenossen für den Nachwuchs. Ein Grund zum Schämen für die Preisträger.
Heute reicht es, wenn man auf der richtigen Seite steht. DDR halt.
Wer wundert sich noch über diese Art der Qualitätsbestimmung??.
Wenn man sich umschaut wer schon alles mit Preisen überschüttet wurde,der nimmt diesen Mummenschanz absolut nicht mehr ernst,der denkt sich seinen Teil,und lacht still vor sich hin.