Stuhlkreis für einen Holzstapel

Aufsässige Einwohner und Bundeswehrangehörige bekommen es in der Brandenburgischen Landeshauptstadt mit den Behörden zu tun. Corpus Delicti, ein Holzstapel, der dank Schwerkraft als "bauliche Anlage" gilt.

Einst marschierte eine unbewaffnete Formation der Bundeswehr mit Liedgut auf den Lippen und einer Fahne (die aus Stoff ist gemeint) durch die idyllische rot-rot-grüne Stadt. Sofort und unverzüglich kamen freiwillige Meldeposten ihrer Pflicht nach und meldeten die dubiose Straßenszenerie der Polizei. Diese erschien prompt vor Ort und stellte einen uniformierten Hauptmann zur Rede. TE hatte von dem aufsehenerregenden Vorfall berichtet.

Eine ähnliche Ungeheuerlichkeit subversiven Verhaltens legt seit zwanzig Jahre ein konterrevolutionärer Holzstapel an den Tag, der dadurch die amtliche Autorität der Stadtverwaltung systematisch untergraben hat. Genauer gesagt handelt es sich dabei um das Herrchen der Holzburg, einen Holz-Hochstapler kämpferischen Gemüts namens Burkhard Scholz, Direktor des Inselhotels Hermannswerder. Dieser lagerte am Hotel friedlich das Kaminholz, als eines schönen Tages das Bauamt dem unternehmenden Unternehmer auf die Schliche kam und das Inselparadies für beendet erklärte. Es ging dabei nicht um das Hotel. Das Corpus Delicti ist der Holzstapel. Da nützte es auch nichts, dass der schon zehn Jahre bei Wind und Wetter vor sich hin stapelte. Gnade gab es nicht: „Die Holzmauer muss weg! Die Holzmauer muss weg!“   

Die Schwerkraft wirkt per Gesetz auch in Potsdam

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Warum das so ist, wurde Anno 2016 in einem zwölfseitigen Schreiben intensiv erläutert. Hauptkritikpunkt: Nach Paragraph 2 BbgBO ist die hölzerne Hochstapelei, man staune, „durch die eigene Schwere mit dem Boden verbunden“ und deshalb eine „bauliche Anlage“. Und ich dachte immer, so ein Stapel schwebt über dem Erdboden. Da Abenteuerurlaub beliebter wird, ist mir gegenwärtig nicht bekannt, ob in dem Holzhaufen Hotelgäste wohnen müssen, damit das städtische Bauamt diese Voraussetzungen für den betreffenden Paragrafen als erfüllt ansieht. Jedenfalls, so die engagierten spitzfindigen Paragraphenreiter, benötigt der aufsässige Eigentümer nach Paragraph 54 BbgBO eine Baugenehmigung. Außerdem verschandelt der „Holzlagerplatz“ (so das korrekte Beamtendeutsch) „das Orts- und Landschaftsbild“. 

Die Verwaltungsmentalität: Den Scholz kriegen wir auch noch! Keine Baugenehmigung – kein Holzstapel, basta! Ansonsten sind 1000 Euro Zwangsgeld plus 250 Euro Verwaltungsgebühr zu entrichten. Bei Nichtzahlung droht Zwangshaft. Das übliche alternative Programm bei sich weigernden (angeblichen) „Querschlägern“. 

Wenn es Ihnen nicht passt, so klagen Sie doch

Anstatt behördlich geforderte „Einsichtsfähigkeit“ zeigte der Hotelier Standhaftigkeit. So ein Standpunkt kommt vom sicheren und schweren Stand auf dem Boden der Tatsachen. Kein Wunder wenn die bürokratischen Federfuchser Paragraphenreiter dem bösen Holzstapel attestieren: „Durch die eigene Schwere mit dem Boden verbunden“ zu sein. Wie der Herr so‘s Gescherr.

Erfahrungsgemäß lässt eine Gegenwehr die Kampfeslustigen auf der behördlichen Sympathieskala nicht nach oben schnellen. Freilich gibt es auch echte Querulanten und Nervensägen. Jedoch ist der zynische Spruch: „Wenn es Ihnen nicht passt, so klagen Sie doch“ keine Seltenheit. So wie es auch Personen gibt, die den Mitarbeitern fortlaufend mit Beschwerden an „höherer Stelle“ drohen. Als „unangepasst“ gilt man hingegen schnell, wenn man die „Dreistigkeit“ besitzt, einen Behördenleiter zu verklagen. In unserem Fall kam es am Verwaltungsgericht zum großen Treffen.  

Nun hat sich die Hoffnung zerschlagen, dass der Hoteldirektor der bekannteste Knasti Deutschlands wird. Die Parteien einigten sich auf einen außergerichtlichen Vergleich. Der Stapel muss weichen, allerdings nur um zwanzig Meter. Wird er wenige Meter weiter weniger „schwer auf den Boden drücken“ und die Schwerkraft austricksen? 

Um der Sache die Bedeutung zu geben, die ihr zweifelsohne medial zusteht, fand eine gemeinsame Pressekonferenz der Parteien statt. Der Stadtfrieden ist damit vorerst wieder hergestellt. Falls nicht die Bundeswehr wieder für einen internationalen Wettkampf trainiert und durch Potsdam marschiert.

Entschuldigung, wo geht’s hier zum Holzstapel?  

Das Brennholzdrama hatte sich zu einem deutschlandweiten Medienereignis entwickelt. Für Journalisten und Touristen wurden extra Wegweiser angelegt, die direkt zum historischen Potsdamer Kriegsschauplatz führten. Auch ich habe mir vorgenommen, den Kaminhaufen zu besuchen, solange er noch am alten Platz steht. Kommen Sie nach Potsdam, vergessen Sie Sanssouci, das steht auch nach der Corona-Krise noch, vermutlich. 

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Kommentare ( 15 )

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Carlos
3 Jahre her

Das ist völlig normal im deutschen Irrenhaus. Nachdem eine Grundstücksgrenze mit maximaler Länge bebaut war, entdeckte die Baubehörde auf dem Luftbild ein zusätzlich vorhandenes „Etwas“. Es handelte sich um Kaminholz, gestapelt 3 m lang 1 m breit und 1 m hoch, abgedeckt mit Folie. Sofortige Verfügung: Der musste weg.

F.Peter
4 Jahre her

Stellt sich die Frage, welches Recht Vorrang hat, das BGB oder die wohl untergeordnete bbgBO? Dann hätte ein Blick in §94 BGB ausgereicht, um die Sache zu klären!

fatherted
4 Jahre her

Würde man diese „Beamten“ die solche Sachen „drehen“ alle entlassen (was ja faktisch gar nicht möglich wäre) hätten wir mindestens 1 Mio unvermittelbare Arbeitslose mehr in Deutschland….also ganz schlecht….insofern muss man die weiter werkeln lassen. Bei uns sollte mal in der ganzen Siedlung die Dachtraufe wegen 13,5 cm Überhang eingekürzt werden (Brandschutz…das Anleitern der Feuerwehr würde wegen den 13 cm mehr nicht gehen)….solche Sachen gibt es überall….nicht nur in Potsdam.

Hegauhenne
4 Jahre her

In meiner Stadt am See läuft alles in ruhigen Bahnen. Für einen Termin im Bürgerbüro melde ich mich online an auf einem Portal mit reichhaltigem Angebot, z. B. Kirchenaustritt, Bauantrag, Ausländerangelegenheit, Fundbüro, Standesamt, Extra-Müllsäcke kaufen. Ich möchte meinen vor drei Wochen beantragten Ausweis abholen. Aus dem angeboten Zeit-Tableau entnehme ich: wie schon vor drei Wochen, nix los, viele freie Termine von früh bis nachmittags. Ja was machen die da bloß? Ich wähle einen genehmen Termin und schicke ab. Es kommt eine Antwortmail mit einer Nummer. Am Tag vorher bekomme ich nochmal eine Erinnerungsmail. Man kommt jetzt nur durch den Hinterhof… Mehr

Last edited 4 Jahre her by Hegauhenne
Teufelskralle
4 Jahre her

Solche Vorgänge sind typisch für Amtsinhaber und Bedienstete, die überflüssig sind. Irgendwie müssen sie ihre Gehaltsempfangs- oder Daseinsberechtigung immer wieder nachweisen. Das muss ein grässliches Gefühl sein. Welch ein trauriges Leben!

E. Thielsch
4 Jahre her

Es wäre zu erforschen, ob es eigentlich für Sanssouci eine Baugenehmigung gibt!
Ich bezweifle das sehr!

Ananda
4 Jahre her
Antworten an  E. Thielsch

Um 20 Meter versetzen ! Aber erst wenn es keine Autos und Viren mehr in D(eppenland) mehr gibt.

Ruhrler
4 Jahre her

Man sollte fairerweise sagen, das dieser Hotelier schon seit Jahren mit der Verwaltung wegen diverser Meinungsverschiedenheiten ím Clinch lag und der Stapel nur der absurde Höhepunkt der Streitigkeiten war Aber die Formulierung mit der Schwere hat schon was, auf so was muss man erstmal kommen, Respekt!
https://www.t-online.de/region/id_88862622/vergleich-bei-holzstapel-posse-am-potsdamer-inselhotel.html

Max Anders
4 Jahre her

Wo ist der BUND, wenn man ihn schonmal brauch. Die könnten ohne Umschweife den Holzstapel gerichtlich zum Biotop erklären lassen. Immerhin fliegen dort schützenswerte Insekten ein und aus. Aber dazu müßte der in der Schneise einer geplanten Ortsumgehung stehen und nicht vor nem privaten Hotel.
Kann den Verwaltungsbeamten nicht mal einer richtig auf die Finger klopfen? Potsdam wird eh genauso wie Berlin regiert, da können die sich auch gleich eingemeinden lassen…

Last edited 4 Jahre her by Max Anders
Alfonso
4 Jahre her

„durch die eigene Schwere mit dem Boden verbunden“ und deshalb eine „bauliche Anlage“

Da muss ich zwangsläufig an einige unserer Politiker denken. Werden die dann auch als eine „bauliche Anlage“ eingestuft?

Stephan Stahl
4 Jahre her

Es gibt nur einen Weg so eine Posse zu beenden. Wenn vor Gericht die Behörde verliert, dann muss der Verantwortliche die Kosten zahlen! Aus eigener Tasche.