Sommerloch aktiv

Die FAS sorgt für Heiterkeit (Vorsicht sarkastisch), die WamS bietet ein Bukett, die BamS besticht durch Kürze und alle sind im Sommerloch angekommen. Sonntagszeitungen, gelesen für Sie von Roland Tichy und Fritz Goergen.

Ein Stück ungewollter Heiterkeit verschafft uns diese Woche die Frankfurter Allgemeine SONNTAGSZEITUNG (FAS) – oder ist es ein Werk höchster Ironie und infamer Subversivität, die unser Gemeinwesen untergräbt?

„Die Politiker haben diese Woche schwer geschuftet, sogar im Fußballfieber. Der Bundestag beschloss Gesetze im Akkord.“

Es ist ein Vorspann für Feinschmecker. Berichtenswert, dass Politiker wenigstens diese Woche schwer schuften – und sogar trotz dieser Fußballspiele? Wahnsinn. Toll. Applaus.

Lammert wirbt

Umfänglich wird auch jener Präsident zitiert, der noch dem Bundestag vorsitzt, aber kaum mehr als Bundespräsident zu verhindern ist: Norbert Lammert bat die Abgeordneten, Interventionen und Zwischenfragen zu unterlassen, aus „den bekannten Gründen.“ Das war ein Fußballspiel. Wir bedanken uns für die Wertigkeit, die der Bundestagspräsident seinem Parlament zumisst. Immerhin ging es ja vergangene Woche um wichtige Gesetze: die hochgelobte, einstimmige Verabschiedung der Verschärfung des Vergewaltigungsrechts; am Donnerstag um ein Bundeswehrmandat, das fragwürdige Integrationsgesetz, mit dem abgelehnten Asylbewerbern ein Daueraufenthaltsstatus zuerkannt wurde, die Neufassung des verunglückten Prostitutionsgesetzes, das Deutschland zum Freudenhaus Europas machte und weiterhin macht, sowie ein Gesetz gegen Menschenhandel.

Schwupp,schwupp, durchgepaukt, wie auch das BND-Gesetz. So schwupp, schwupp, dass die Grünen aus Versehen gegen ein von ihnen selbst eingebrachtes Gesetz stimmten, schwupp, schwupp. Macht nix, es wird eben neu abgestimmt, bis es passt. Man bereitet sich im All-Parteien-Koalitons-Bundestag friedlich auf die nächste Koalitionsrunde vor, da will es sich keiner mit keinem verderben und außerdem regiert ohnehin König Fußball.

Das Kanzleramt brummt

So stellen wir uns Parlamentsarbeit in Weißrussland vor, bei Putin soll es ja einige geben, die noch eine abweichende Meinung zu Protokoll geben. Der verräterische Text stellt das wunderbar dar, die  Verbeugung vor der wahren Macht schenkt sich uns mit einem wunderbaren Sprachbild:  Auch aus dem Bundeskanzleramt „meint man diese Tage ein bienenfleissiges Brummen aus den Büros zu hören. Kanzlerin Angela Merkel und ihr Kanzleramtsminister Peter Altmaier versuchten, noch schnell ein paar Weltprobleme in den Griff zu bekommen.“

Ja, war das Brummen jetzt von Biene Maja Altmaier, oder zufrieden von der Bienenkönigin ob der gefälligen Demut der früher freien und kritischen Presse? So hat sich das Neue Deutschland gelesen, wenn es über die aufopferungsvolle Tätigkeit der Abgeordneten zum Wohle des Sozialismus geschrieben hat. Und danach müssen sich die Abgeordneten ihren Pflichten widmen und sich mit ganzem Körpereinsatz, einschließlich der Leber, den vielen Festen und Partys widmen, die Berlin feiert.

Doch halt! Das Neue Deutschland ist eine falsche Metapher. Niemals hätten die klugen Zensoren so einen Text durchgehen lassen; er wäre ihnen irgendwie spöttisch und in seiner Liebedienerei subversiv vorgekommen. Wir gehen davon aus, dass es die FAS genau so meint, auch wenn sie es so nicht meint.

Müntefering ist hintergründig

Wie immer klüger der FAS-Wirtschaftsteil mit einem lesenswerten Interview von Franz Müntefering. Auch er erzählt das Erwartbare, keine Überraschung, aber in seiner lakonischen Sprache ein Meisterstück hintergründiger Formulierungen; bei ihm absichtsvoll. Ein kleines Stück zeigt, wie die Bevorzugung von Ost-Rentnern in Nachteile umgerechnet wird; das ist sicherlich Teil der harten Arbeit in dem oben beschriebenen Akklamationsstadl. Es ist lichtvoll, weil es gut erklärt. Auch im Geldteil ein klares Stück von Thomas Mayer über die Ursachen der Bankenkrise in Italien und die Gefahren:  Kurz geht gut bei der FAS. Hilfreich ausgerechnet im Geldteil ein Überblick über Apps für Wanderer. Vielleicht sollte die Zeitung sich bemühen, den Leser in den Focus zu nehmen.

Und ganz weit hinten dann Majestätsbeleidigung, wenn auch dezent: Jogi Löw soll als Fußballtrainer zurücktreten? Vielleicht, bitte, bitte, darüber nachdenken. Wir sind froh, dass der kritische Journalismus noch nicht ausgestorben ist. In der WamS erklärt Richard Herzinger, warum der französische Fußball-Sieg die deutsche Politik entlastet: „Im Mittelfeld sind wir der Champion“.

Immerhin erfahren wir auch noch, dass im Bundestag noch ein paar Freiwillige zurückgeblieben sind, um noch schnell ein paar Gesetze durchzuschieben. „Freiwilliger Parlamentarismus“, das ist wohl zutreffend beschrieben. Ausdrücklicher Dank gebührt der FAS für die Übersicht, wieviel geblitzt werden und Falschparken im Ausland kostet. Diese Geschichte hätte im Neuen Deutschland auch nicht stehen können, schon wegen mangelndem Auslandes.

Belohnen und Bestrafen

Die These, dass Jugendliche durch Belohnungen lernen und Erwachsene durch Bestrafungen, stützt sich auf Studien, denen wir – jedenfalls in der präsentierten Form – keine nennenswerte Breite und Tiefe entnehmen können. Der Titel „Die Entschlüsselung des TEENAGERS“ verspricht viel und hält wenig.

„‚Diebe im Gesetz‘ wurden in Stalins Straf- und Arbeitslagern gegründet. Neben Russen gehören ihnen Abchasier, Georgier, Kaukasier und Turkmenen an“, lernen wir in „Russenmafia verursacht Milliardenschäden“: Ein Autorenteam der WamS beschreibt eine wirtschaftlich und sozial durchorganisierte Bruderschaft mit strenger Disziplin und militärischer Hierarchei, die entschiedener und daher gefährlicher agiert als die herkömmliche Mafia und ihre „normal kriminellen“ Varianten. Wir sollten also neben den Parallelgesellschaften, von denen viel die Rede ist, auch von solchen und anderen Binnen-Gesellschaften Kenntnis nehmen. Experten sprechen auf der Basis von 2015 von Schäden im Milliardenbereich.

„Ballerinas an die MACHT“, eine nette Geschichte über Theresa May und Andrea Leadsom, die das Rennen um die Nachfolge von David Cameron um die Tory-Führerschaft und den Prime Minister austragen: Die WamS erinnert an den Titel im Daily Telegraph von 1965 mit dem Zitat von Maggie Thatcher: „Wenn du etwas gesagt haben willst, frag einen Mann … Wenn du etwas erledigt haben willst, frag eine Frau“. Ach, wenn es so einfach wäre …

Aber für Jogi sind 84%

Kurz ist manchmal besser. BILD am SONNTAG mit einer Reihe von kürzeren Stücken; aber hilfreich zum Verständnis: Der Machtkampf in der AfD mit Bildern von Vize Alexander Gauland, die alles aussagen. 84 Prozent der Deutschen wollen Jogi Löw behalten; die Angst vor der Veränderung bestätigt in Umfragen nicht nur die Kanzlerin. Und die Bundeswehr kämpft mehr in Mali. Dieter Hallervorden hat eine neue Liebe, und zwar mit 80. Das Leben ist schön und der Sommer da.

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