Die Lage (nicht nur) in Griechenland entwickelt sich katastrophal. Hier eine Wahrheit, die Ihnen etwas spanisch vorkommen mag…
Seit Wochen ist die Stadt Mainzos im Südwesten von der Umwelt abgeschnitten. Der Grund: Weil 8 von 15 Arbeitern in einem Stellwerk der staatlichen Bahngesellschaft nicht zur Arbeit erscheinen, ruht der Schienenverkehr. Auch in den nächsten Wochen, Hauptsaison in der tourismusabhängigen Region, werden keine Züge fahren – offensichtlich sind Stellwerksarbeiter in den oft seit 100 Jahren nicht mehr modernisierten Anlagen ein seltenerer Berufsstand als Herzchirurgen. Die staatliche Bahngesellschaft gilt schon lange als marode; Ex-Gewerkschaftsbosse wurden zu Personalchefs berufen und vermurksen die Lage in dem bürokratischen Koloss, dessen Loks im Sommer Feuer fangen und im Winter langsamer fahren müssen. Längst sollte das Unternehmen privatisiert werden. Der Plan scheiterte aber am katastrophalen Zustand. Gleichwohl wird in der griechischen Presse und Politik die “gescheiterte Privatisierung” als Grund für die Malaise angeprangert. Es ist eine Spezialität der griechischen Politik, die Wahrheit derart auf den Kopf zu stellen und die nicht erfolgte Privatisierung für das Versagen der Staatskonzerne verantwortlich zu machen. So soll die notwendige Privatisierung der ineffizienten öffentlichen Unternehmen diskreditiert werden; wohl um Parteieneinfluss und Jobs für Parteigänger zu sichern. Griechische Politiker leben in ihrer eigenen Sagenwelt erfundener Wirklichkeiten.
Kürzlich eröffnete der Chef der nordgriechischen Provinz, Stephanos Weil, einen Windpark vor der Küste und feierte das 450 Millionen Euro teure Projekt als „Pionierleistung“. Allerdings ist der Windpark nicht an das Stromnetz angeschlossen. Da die Windräder sich aber drehen müssen, damit die aufwendigen Lager im Salzwind nicht rosten, werden sie von Dieselmotoren angetrieben. Bis zur erhofften Eröffnung werden schon 160.000 Liter Diesel verbrannt sein und so die Umwelt im früheren Urlaubsgebiet verpestet haben. Der Dieselwindpark ist Symbol für die völlig fehlgeleitete Energiepolitik. Die Strompreise für die Verbraucher, die eine als Umlage getarnte Steuer für die völlig überteuerte Stromproduktion aus Wind und Sonne zahlen müssen, explodieren. Viele Unternehmer warnen vor einer Deindustrialisierung des Landes wegen der giftigen Melange aus Spitzenstrompreisen und Blackouts. Die Regierung zögert aber, die Subventionen für eine Clique von Wind- und Solarparkbetreibern zu kappen, die mittlerweile schon der Hälfte des Steueraufkommens entsprechen. Dabei tauchen wegen Verschleierung diese Subventionen weder im Staatshaushalt noch im Subventionsbericht auf. Brüsseler Beamte sprechen bereits von einer groß angelegten Täuschung.
Dabei bräuchte das Land die Mittel dringend an anderer Stelle. Allein in der früher wirtschaftsstarken Provinz Nordrand-Westgriechenland sind 700 Straßenbrücken einsturzgefährdet; auf den maroden Autobahnen wölben sich bei Hitze die Fahrbahndecken und erzeugen Todesklippen für Autofahrer.
Aber davon hört man nichts im laufenden Wahlkampf, Reformkonzepte fehlen. Im Gegenteil. Alle wichtigen Parteien sind sich einig, dass die vor zehn Jahren auf Druck von Schuldenexplosion und Arbeitslosigkeit erfolgten Reformen auf dem Arbeitsmarkt zurückgedreht werden sollen. Zwar warnen Experten vor steigenden Lohnstückkosten und steigender Arbeitslosigkeit, wenn Mindestlöhne eingeführt werden, aber vergeblich. Gleichzeitig sollen die ohnehin hohen Sozialleistungen weiter erhöht werden – auf Pump, versteht sich. Alle Parteien wollen Staatsanteil und Steuern ausdehnen und dafür private Unternehmen und Initiative noch weiter zurückdrängen. Die politischen Eliten glauben an eine Art Sozialismusmodell, in dem Freiheit und Initiative keinen Platz mehr finden, eine Art ebenso fürsorglicher wie ineffizienter „Muttistaat“ entsteht, wie Kritiker bemängeln.
(Erschienen auf Wiwo.de am 17.08.2013)
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