Lügen der Steuerpolitik

Die verfeinerte Form der Lüge ist die Statistik, ihre raffinierteste die Steuerpolitik. Ein Streifzug durch die Geschichte des Staatsbetrug.

Öffentlicher Ungehorsam gegen als ungerecht empfundene Steuern hat lange Tradition bei Bauern, Adel und Bürgern. Eine Einkommensteuer nach englischem Vorbild scheiterte in Preußen, das damit seine Staatskasse nach diversen Kriegen aufbessern wollte: “Viele Pflichtige lehnten die neue Abgabe ab; um den allenthalben aufkeimenden Widerstand zu brechen, fehlte es an den administrativen Voraussetzungen”, klagte der Finanzminister Ludwig Friedrich Victor Hans Graf von Bülow. In Schlesien kam es 1811 sogar zu Aufständen mit Mistgabeln. Die Herrschenden zogen daraus ihre Lehren – sie tarnen, täuschen, tricksen, um an das Geld der Bürger zu gelangen. Deshalb wurde der Erste Weltkrieg nicht über Steuern, sondern über Anleihen finanziert, die leider, leider später nichts mehr wert waren. Mit einer Hyperinflation wurden die Kriegsschulden entwertet. Bitte sagen Sie jetzt nicht, zur Rettung des Euro würden ebenfalls Eingriffe in Zinsen und Währung der vergleichsweise ehrlichen Besteuerung vorgezogen. Das gilt nicht.

Der Durchbruch zum Steuerstaat gelang, seit man die Lohnsteuer vom Arbeitgeber einziehen lässt und die Hälfte der Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung zu “Arbeitgeberbeiträgen” umfirmierte. Vermutlich wäre der Zorn der Arbeitnehmer grenzenlos, wenn sie jeden Monat erführen, was ihnen wirklich abgezogen wird. So bleibt der Steuerwiderstand auf Unternehmer und Freiberufler beschränkt, die zunächst erarbeitetes Geld in Händen halten – das ihnen dann weggesteuert wird, ehe sie per Vorauszahlung für Noch-nicht-Verdientes endgültig in die Knie gezwungen werden.

Das Schönreden von Steuern hat Tradition. Der “Solidaritätszuschlag” wird nicht für die Not der neuen Bundesländer erhoben, sondern fließt in das allgemeine schwarze Loch des Steuerstaates. Die neue Rundfunk-Steuer, die wir auf Wohnung, Haus, Auto oder Werkstatt abführen, ist eine Steuer, aber darf keinesfalls so genannt werden, sondern heißt “Haushaltsabgabe” für ungefragt ausgestrahlte Fernsehsendungen. Die “Ökosteuer” aufs Benzin fließt in die Rentenkassen, nicht in die Umwelt. Die diversen „Energiewende-Steuern“ werden auf den Strompreis umgelegt, aber bloß nicht Steuern genannt. Das hat den Vorteil, dass man auf diese Steuern, die die Hälfte der Stromrechnung ausmachen, noch mal Mehrwertsteuern draufschlagen kann – als ob Steuern Mehrwert wären.

Gerne wird von den inniglich verbündeten Steuereintreibern Peer Steinbrück und Jürgen Trittin gesagt, dass auch schon unter Helmut Kohl der Spitzensatz der Einkommensteuer 56 Prozent betragen habe. Stimmt. Verschwiegen wird, dass damals die Mehrwertsteuer nur 14 Prozent betrug und seither viele andere Steuern erhöht wurden: Eigenheimzulage, Spekulationsfreigrenzen und Sparerfreibetrag etwa fielen weg, dafür werden nun die Renten besteuert. Inflationsbedingt wächst die Steuerlast auch, während wir alle ärmer werden. Und es reicht ihnen nicht.

Reicher wird nur der Staat. Seit 2008, dem Jahr der Finanzkrise, stieg das Steueraufkommen von 561 auf heute über 600 Milliarden Euro. Dieses Geld ist nicht in Bildung und Soziales geflossen, und das wird bei den Mehreinnahmen, die Steinbrück/Trittin abkassieren wollen, auch nicht passieren. Solche Versprechen vor einer Steuererhöhung sind am Tag nach der Erhöhung nichts wert.

Der Finanzhunger des Staates ist grenzenlos, schon weil Steuerverschwendung stets folgenlos bleibt. Um drei Milliarden Euro verteuert sich der Bau des Berliner Flughafens bisher; das Tausendfache der Summe, die Uli Hoeneß hinterzogen hat. Aber wurde der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Wowereit dafür bestraft? Nein, er darf weiterhin Berlin kaputtregieren, und der ebenso verantwortliche AR-Stellvertreter Matthias Platzeck wechselte in den Vorsitz. Schlechtes Beispiel? Dann nehmen wir die Hamburger Elbphilharmonie: Kosten steigen von 77 auf 790 Millionen Euro.

Früher hatte man noch Mistgabeln.

(Erschienen auf Wiwo.de am 11.05.2013)

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