Erstaunlich rasant erholen sich die Kurse. Investoren, die noch nicht im Markt sind, geraten immer stärker unter Kaufdruck. Der Sprung des DAX über die 11.000er-Marke fiel hierzulande mit gutem Wetter und Lockerungen in Gastronomie und Hotelgewerbe zusammen - das Lebensgefühl wird angenehmer, auch das beflügelt die Kurse.
Der große Schub für die Minirally zum Wochenanfang aber kam von der Wall Street. Laut Fed-Chef Jerome Powell wird die US-Notenbank die gesamte Bandbreite ihrer Instrumente nutzen, um die US-Wirtschaft zu stützen- das erinnerte stark an Mario Draghis berühmtes „whatever it takes“. Zudem meldete die US-Biotechfirma Moderna, erste Tests eines Corona-Impfstoffkandidaten an Patienten liefen erfolgreich. Allerdings wiesen hier bisher erst acht von 45 Probanden die entscheidenden Antikörper auf. Moderna hat bislang auch noch keinen einzigen Wirkstoff auf den Markt gebracht. Das ging in der Euphorie genauso unter wie hohe Insiderverkäufe und der Plan einer massiven Kapitalerhöhung um bis zu 1,4 Milliarden Dollar.
Der US-Leitindex Dow Jones Industrial schloss am Freitag praktisch unverändert bei 24.465 Punkten. Auf Wochensicht aber steht ein Plus von 3,29 Prozent zu Buche. In den USA wird am Montag wegen des Feiertages Memorial Day nicht gehandelt. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag um 0,2 Prozent auf 2.955 Zähler nach oben. Der technologielastige NASDAQ 100 legte um 0,4 Prozent auf 9.414 Punkte zu. Irritiert zeigten sich die Märkte über Nachrichten vom Chinesischen Volkskongress. So will Chinas Führung „wenn nötig“ in Zukunft auch eigene nationale Sicherheitsorgane in Hongkong aufstellen und einsetzen. Die Hongkonger Börse war daraufhin zum Wochenschluss schwer unter Druck geraten. Experten befürchten neue Massenproteste in der früheren britischen Kronkolonie, die seit der Rückgabe 1997 an China weitgehend autonom verwaltet wird.
Unter den Einzelwerten an der Wall Street waren unter anderem die Papiere von Foot Locker mit einem Minus von 8,5 Prozent auffällig. Die Umsätze des Sportschuhhändlers waren durch die Corona-Krise im ersten Quartal stärker unter Druck geraten als ohnehin befürchtet. Zudem füllen sich angesichts fehlender Nachfrage die Lager des Konzerns. Die Anteilscheine des Branchenkollegen Under Armour sackten um rund vier Prozent ab, nachdem der Sportartikel-Anbieter eine bereits bestehende Wandelanleihe aufgestockt hatte. Für die Papiere von Hewlett Packard Enterprise ging es als Schlusslicht im S&P 500 um mehr als elf Prozent abwärts. Auch die Umsätze des IT-Unternehmens waren stärker zurückgegangen als gedacht.
Nach einem ruhigen Handel hat der deutsche Leitindex am Freitag zum Schluss 0,1 Prozent auf 11.074 Punkte gewonnen. Das allgemeine Handelsgeschehen wurde am Freitag durch Spekulationen auf weitere Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) geprägt und führte zur Stützung der Kurse. Aus Mitschriften der EZB-Ratssitzung Ende April geht hervor, dass die Notenbanker parat stehen, ihr Notfall-Anleihenkaufprogramm zur Bewältigung der Coronakrise (PEPP) bei Bedarf bereits im Juni auszuweiten.
Bei den Einzelwerten sorgte die mögliche Milliardenfusion auf dem deutschen Immobilienmarkt für Aufregung: der Wohnungskonzern LEG Immobilien verhandelt eigenen Angaben zufolge mit TAG Immobilien über einen Zusammenschluss. TAG-Aktien gewannen zeitweilig mehr als fünf Prozent.Abwärts ging es hingegen mit Lufthansa. Die Aktie verlor zwischenzeitlich mehr als drei Prozent. Die angestrebten milliardenschweren Staatshilfen sind immer noch nicht in trockenen Tüchern. Zuvor muss noch der Aufsichtsrat über das von der Bundesregierung vorgeschlagene Rettungspaket beraten. Im Falle seiner Zustimmung müsste dann noch eine außerordentliche Hauptversammlung über die geplanten Kapitalmaßnahmen entscheiden. Händler Sven Kleinhans begründete die aktuellen Verluste vor allem damit, dass viele Aktionäre sich schmerzhaft an die Erfahrungen mit Staatshilfen bei der Commerzbank erinnern dürften. „Die Lufthansa wird auf Jahre nicht in der Lage sein, Dividenden zu zahlen. Das schmeckt dem Markt nicht.“
Jahrelang jagte ein Rekord bei den weltweiten Dividendenausschüttungen den nächsten. Einen Schlusspunkt setzt das erste Quartal 2020. Nach Angaben der Fondsgesellschaft Janus-Henderson kletterten die Dividendenzahlungen bis Ende März 2020 weltweit um 3,6 Prozent auf einen Q1-Rekord von 275,4 Milliarden US-Dollar, ein Plus von 4,3 Prozent. Bis Ende dieses Jahres sieht es dann aber zappenduster aus. So geht Janus Henderson davon aus, dass im Bestfall die globalen Dividenden in diesem Jahr um 15 Prozent auf 1,21 Billionen US-Dollar fallen könnten, ein Minus von 213 Milliarden US-Dollar. Im schlechtesten Szenario müssen Anleger mit einem Rückgang um 35 Prozent auf 933 Milliarden US-Dollar 2020 rechnen. Europa und Großbritannien wird es voraussichtlich am härtesten treffen. Dort haben die Regulierer die Banken gezwungen, ihre Dividenden auszusetzen. Zudem haben große Ölgesellschaften sowie eine Reihe weiterer führender Unternehmen ihre Dividenden bereits gesenkt. Zu den nach Erwartung von Janus Henderson am stärksten betroffenen europäischen Ländern zählt Frankreich.
Der Boom bei Themen wie künstlicher Intelligenz, 5G und Cloud-Computing lockt immer mehr Cyberkriminelle an, die nach Schwachstellen Ausschau halten. „Der durch das Coronavirus ausgelöste Shutdown hat neue Risiken und Schwachstellen in unseren technologischen Substrukturen aufgedeckt. Der plötzliche Wandel hin zum virtuellen Office bedeutet eine Zunahme von Fernanmeldungen über private Geräte und bietet somit ein leichtes Ziel für Hacker“, erklärt Rahul Bhushan, Mitgründer des ETF-Anbieters Rize. So ist laut US-Software-Unternehmen Check Point die Anzahl der Cyberangriffe mit Corona-Bezug von 200 Mitte März auf über 25 000 pro Tag bis Ende April 2020 gestiegen. Die Gegenreaktion von Unternehmen dürfte folgen. So rechnet das Marktforschungsinstitut Gartner damit, dass die Ausgaben von Unternehmen für Cybersecurity von derzeit 184 Milliarden US-Dollar auf 250 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 steigen werden. „Profiteure dieses Aufschwungs sind Unternehmen wie Crowdstrike, Cloudflare, Datadog und Okta, die meisten davon befinden sich in den USA“, weiß Bhushan. 44 dieser Top Unternehmen befinden sich im neu aufgelegten Rize Cybersecurity and Data Privacy ETF.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat unter mehr als 1.000 Deutschen in einer repräsentativen Umfrage ermittelt, welcher Geldanlage sie bei einer Laufzeit von mindestens drei Jahren die besten Perspektiven einräumen. Unter den zur Auswahl gestellten Anlageklassen wurde Gold (31 Prozent) vor Aktien (25 Prozent) am häufigsten genannt. Anleihen landeten auf dem letzten Platz. Auch Fondslegende Klaus Kaldemorgen von der DWS rät Privatanlegern im Interview mit der NZZ angesichts des Niedrigzinses unter Renditegesichtspunkten von Bonds ab. „Klar ist, dass Anleihen für die Vermögensbildung in Zukunft keine Rolle mehr spielen sollten. Es sei denn, es geht um den Teil der Vermögensanlage, der liquide und risikoarm gehalten werden soll.“
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