Die Konjunktur läuft immer holpriger. Doch das größte Risiko für Arbeitsplätze und Wachstum droht von der Finanz- und Euro-Politik.
In der vorherrschenden Meinung der dieses unser Land regierenden und kommentierenden Klasse gelten Unternehmer und Manager als unsolide Gesellen: Wenn’s gut geht, laufen sie mit stolzgeschwellter Brust herum und protzen mit Geld; wenn’s schlecht geht, schlüpfen sie husch, husch wie weiland die Investmentbanker unter den muffigen Rock des Staates, wo sie sich wärmen und durchfüttern lassen. Doch die Wirklichkeit hat schon längst gedreht: Nach dem Schock der Finanzkrise haben die Unternehmen ihre Bilanzen solide finanziert, Kosten vorausschauend flexibilisiert, Produktion und Produkte modernisiert und Absatzmärkte globalisiert – irgendwo läuft immer irgendwas. Ein langsamer Rückwärtsgang haut kaum einen mehr um. Jetzt sind aber die Finanz- und Haushaltspolitiker die Hallodris – angesichts einer Konjunkturschwäche rächt sich, dass die Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Noch nie hatte der Staat so viel Geld wie heute. Das Steueraufkommen stieg seit 2007 von 538 Milliarden Euro auf über 600 Milliarden in diesem Jahr; bis 2016 könnten es sogar 700 Milliarden sein. Die Finanzkrise hat den Steuereinnahmen nur eine Delle versetzt. Das kommt von den vielen großen und kleinen Steuererhöhungen.
Während unter der Regierung Gerhard Schröder Steuern gesenkt wurden, gehört seit der Kanzlerschaft von Angela Merkel Deutschland zu den Ländern mit dem schnellsten Anstieg der Steuerlast.
Was das Leben für Finanzpolitiker und Haushälter so kommod macht: Das Steueraufkommen wächst nicht mit dem Wirtschaftsaufkommen, sondern wegen der Mechanismen der Vorauszahlung und der steil ansteigenden Progression der Einkommensteuer doppelt so schnell. Das ist es, was die Politik geradezu besoffen vor Übermut macht. Denn nicht anders kann man es nennen, dass trotz Rekordeinnahmen die Verschuldung weiter steigt. Anders als die allermeisten Unternehmen hat die Politik ihre Ausgaben lustig weiter aus dem Ruder laufen lassen. Im Gegenteil – bekanntlich werden im jetzt beginnenden Bundestagswahlkampf die Rentner geködert -, auf mehr als zehn Milliarden Euro belaufen sich pro Jahr die Rentenerhöhungsprogramme der Koalition. Und mehr als 35 Milliarden könnten die Rentenpläne des SPD-Chefs Sigmar Gabriel kosten, pro Jahr.
Diese finanzpolitischen Allmachtsfantasien sind noch gar nicht die schlimmste Bedrohung. Denn das Dumme an der Achterbahn mit der steilen Progression des deutschen Steuersystems ist: Wenn’s gut geht, geht’s steil aufwärts – aber später auch genau so steil bergab. Neu ist das nicht.
Politiker lernen nur so ungern, sonst hätten Sigmar Gabriel und der Kanzlerkandidat von seinen Gnaden, Peer Steinbrück, mal bei Hans Eichel angerufen. Dessen katastrophaler Schuldenhaushalt von 2004 mit einer Neuverschuldung von knapp 40 Milliarden Euro war ja nicht durch fehlende Einsparbemühungen des sparschweinverliebten Hans Eichel verursacht, sondern vom Wegbrechen der Konjunktur.
von Hans Eichel Lernen
Längst sind die Haushalte vom Wirtschaftswachstum und den damit überbordenden Steuermehreinkommen abhängig wie der Junkie von der immer stärkeren Dosis Heroin. Wenn das Wachstum auch nur um ein, zwei Prozent wegsackt – was Unternehmen heute spielend wegstecken -, dann sieht Wolfgang Schäubles Haushalt so verheerend aus wie weiland der von Hans Eichel. Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass Schäuble auch ein Profiteur der niedrigen Zinsen für seine Bundesschuldverschreibungen ist. Auf bis zu 35 Milliarden Euro addieren sich derzeit die ersparten Zinsen – pro Jahr. Sollten die Zinsen für die Staatsschulden steigen, etwa weil die Finanzmärkte kapieren, dass Deutschland längst für die Schulden seiner Euro-Nachbarn in einem Umfang haftet, der es überfordert – dann steht Athen finanzpolitisch an der Spree: Die Schulden explodieren in einer sich selbst nährenden Kettenreaktion.
Konjunkturpolitisches kluges Gegensteuern? Kein Gedanke, Geld verpulvert.
(Erschienen auf Wiwo.de am 27.10.2012)
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