Bundestag: Notparlament wird wahrscheinlich

Das Krisen-Gremium bisher trat noch nie zusammen. Corona könnte jetzt zu einem historischen Einschnitt führen.

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Vor einigen Tagen teilte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble noch mit, er sei sich mit den Chefs aller Fraktionen über die Fortsetzung des normalen Parlamentsbetriebs einig. Ab 23. März werde wieder eine Sitzungswoche stattfinden. Am Beginn dieser Woche war vielen in Berlin klar, dass dieser Normalbetrieb kaum durchzuhalten ist. Erstens, weil mehrere Bundestagsabgeordnete bereits infiziert sind – drei aus der FDP-Fraktion – oder unter Quarantäne stehen, derzeit drei SPD-Parlamentarier und einer der CDU. Die Infektionsfälle in der Politik reichen über den Bundestag hinaus: zu den Betroffenen gehören der CDU-Politiker Friedrich Merz und Karoline Preisler, FDP-Politikerin aus Mecklenburg-Vorpommern und Lebensgefährtin des erkrankten FDP-Abgeordneten Hagen Reinhold. Eigentlich müsste wegen der engen Kontakte zu Infizierten die gesamte FDP-Fraktion unter Quarantäne gestellt werden. Außerdem lässt sich eine Zusammenkunft von gut 700 Abgeordneten und 6.000 Mitarbeitern in Zeiten kaum rechtfertigen, in denen schon Veranstaltungen mit einigen hundert Teilnehmern nicht mehr stattfinden können.

Deshalb werden Pläne diskutiert, für den 23. März noch einmal den Bundestag einzuberufen, und dann eine Verfassungsänderung zu beschließen: die Möglichkeit für ein so genanntes Notparlament, das bisher noch nie zusammentrat und eigentlich nur für den Kriegsfall ins Grundgesetz geschrieben wurde, soll dann auf innere Krisenfälle wie die Covid-19-Pandemie erweitert werden. Die exakte Bezeichnung für dieses Rumpfparlament lautet „Gemeinsamer Ausschuss“. Das Gremium von nur 48 Personen nimmt die Funktionen von Bundestag und Bundesrat gebündelt wahr. Das wesentliche bestimmt Artikel 53a des Grundgesetzes:

„Der Gemeinsame Ausschuß besteht zu zwei Dritteln aus Abgeordneten des Bundestages, zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates. Die Abgeordneten werden vom Bundestage entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bestimmt; sie dürfen nicht der Bundesregierung angehören. Jedes Land wird durch ein von ihm bestelltes Mitglied des Bundesrates vertreten; diese Mitglieder sind nicht an Weisungen gebunden. Die Bildung des Gemeinsamen Ausschusses und sein Verfahren werden durch eine Geschäftsordnung geregelt, die vom Bundestage zu beschließen ist und der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(2) Die Bundesregierung hat den Gemeinsamen Ausschuß über ihre Planungen für den Verteidigungsfall zu unterrichten. Die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse nach Artikel 43 Abs. 1 bleiben unberührt.“

Damit verbunden ist Artikel 115e des Grundgesetzes, der eben bisher nur für den Verteidigungsfall gilt, und geändert werden müsste:

„Stellt der Gemeinsame Ausschuß im Verteidigungsfalle mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens mit der Mehrheit seiner Mitglieder fest, daß dem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen oder daß dieser nicht beschlußfähig ist, so hat der Gemeinsame Ausschuß die Stellung von Bundestag und Bundesrat und nimmt deren Rechte einheitlich wahr.“

Ein Parlamentsbetrieb mit Ausschussarbeit und Parlamentarischen Anfragen wäre dann praktisch nur noch sehr eingeschränkt möglich. Eine zeitliche Begrenzung des Notparlaments gibt es nicht. Verfassungsrechtlich dürfte es aber nur so lange bestehen, solange es auch den Krisenfall gibt, der zu seiner Einsetzung geführt hat.

Eine konkrete Einschränkung des normalen Demokratiebetriebs gibt es bereits in Bayern: dort findet die Stichwahl zur Kommunalwahl am 29. März nur per Brief statt – ein bisher einmaliger Schritt.

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Kommentare ( 64 )

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armin wacker
4 Jahre her

ich empfehle den neuesten Text von Herrn Dushan Wegner. Den kann zumindest ich nachvollziehen.

Stefferl
4 Jahre her

Dürfen da dann auch AfD-Vertreter bei den 48 Abgeordneten dabei sein oder werden die wie beim Bundestagspräsidenten einfach wieder nicht „gewählt“?

Stefferl
4 Jahre her

Wird das Gesetz dann auch adäquat „Ermächtigungsgesetz“ genannt?
Wenn man bedenkt, dass inzwischen Wahlen „rückgängig gemacht werden“, weil das Ergebnis nicht passt. Ein Zensurgesetz eingeführt wurde, eine Denunziationshotline eingerichtet wurde,…

Peter Pascht
4 Jahre her

In diesem Falle machen wir dann mal eine Ausnahme wenn die AfD mitstimmt.
Wie das ja schon in vielen Landesparlamenten geschehen ist, wo sogar Vorschläge der Linken ganz ohne Hypochondrie und Hyperventilation auch mit den Stimmen der AfD beschlossen wurden.

Peter Pascht
4 Jahre her

Wegen 622 Corona Fällen und 22 Toten ruft Portugal den Notstand aus.

Offenbar gibt es doch ein Symptom des Corona Virus
das übersehen wurde „geistige Debilität“.

Bummi
4 Jahre her

Merkt das irgendeiner? Der Abnickverein im Urlaub.

Traumatisierte Amoebe
4 Jahre her

„Wenn Corona plötzlich so abartig gefährlich ist, warum hat mir bisher noch keiner erklären können, woran das denn liegt?“ Covid enthält nach den aktuellen Daten, anders als andere Coronaviren (und auch anders als die zur Gruppe der Orthomyxoviren gehörende echte Grippe): (1) ein achtes Gen (normale Coris haben sieben), das wie das „gag“ von HIV mit der Funktion der MHC-Moleküle interferiert und damit die infizierten Zellen dem Zugriff des adaptiven Immunsystems weitgehend entzieht (es bleiben als letzte Verteidigungslinie nur die NK-Zellen übrig) — in anderen Worten: Stealth-Technik, und außerdem führt die Schwierigkeit, das Virus zu eliminieren, zu ungezügelten Entzündungen und… Mehr

Mein Name ist Lohse
4 Jahre her

Habe ich Ihren Wunsch nach Erklärung damit erfüllt? Nein, copy and paste überzeugt mich nicht. „Covid“ ist übrigens nicht der Virus sondern die durch einen Virus hervorgerufene Erkrankung. Und trotz böser, gefährlicher „Stealth-Technik“ (tolles Wort), heilen sich so ziemlich alle nicht vorgeschädigten Patienten durch Immunsystemzugriff (durch was denn sonst?) von alleine wieder ab oder haben nicht mal Symptome (auch durch eigene funktionierende Immunabwehr). Ein „achtes Gen“ ist einfach nur Unsinn, keine Ahnung wo sie das her haben. Ein Virus hat keine Gene, sondern ein einzelnes Genom. Außerden wird jede Enzephalitis von einem Virus hervorgerufen. Das ist nix aber auch gar… Mehr

Traumatisierte Amoebe
4 Jahre her
Antworten an  Mein Name ist Lohse

Gut, gerne: Ein achtes Cistron, das im Rahmen der Expression subgenomischer mRNAs exprimiert wird (wenn man nicht die Teilcistren durch Frrameshifts als eigene Cistren wertet, dann sind es in beiden Fällen mehr). Sagt Ihnen das was? Wahrscheinlich nicht. Und sagt Ihnen „missing self“ etwas, d.h., dass Zellen, bei denen das MHC-System blockiert wird, von NK-Zellen als letzter Abwehrlinie zerstört werden? Wohl auch nicht. Ich versuche lediglich, die Dinge so zu erklären, dass sie verständlich sind. Die Sequenzen sind übrigens veröffentlicht, man kann sie mit den entsprechenden bioinformatischen Tools selber überprüfen, wenn man dann Ahnung vom Fach hat. Was Sie allerdings… Mehr

Alter weiser Mann
4 Jahre her

Nein denn Sie sind wirklich traumatisiert. So wie Sie es darstellen, haben Sie vielleicht einmal etwas davon gehört, aber nicht verstanden und können es deshalb auch nicht sauber wissenschaftlich erklären. So schießen Sie sich selbst ins Aus und wirken nicht glaubwürdig.

Farbauti
4 Jahre her

Interessant finde ich, das diesmal ganz Europa mitmacht und sich nicht nur die deutschen Schafe in den Stall schieben lassen.

Wolfgang Richter
4 Jahre her

Dann endet die freiheitlich demokratische Grundordnung zukünftig bei jeder Grippewelle,
die Teile der Nation, die es ja ohnehin nicht mehr gibt, ans Bett fesselt. Wenn ich „Verschwörer“ wäre, würde ich auf die Idee kommen, daß man bewußt lasch und unkoordiniert auf den Corona-Ausbruch in China reagierte, um jetzt über die ausgerufene Pandemie die staatliche Grundordnung auszuhebeln. Aber das ist natürlich vollkommen unrealistisch. Soweit würden Schäuble, Merkel u. Co sicher nicht gehen, na gut, ein paar Rechtsvorschriften mißachten, auch mal was von Verfassung, aber gleich die faktische Abschaffung?

Peter Pascht
4 Jahre her
Antworten an  Wolfgang Richter

Dann endet die freiheitlich demokratische Grundordnung zukünftig bei jeder Grippewelle,“
Ach nee, so fantasielos kann man das doch nicht machen:
– Grippewelle
– Flüchtlingswellen
– Erdogan Hypochondrie
– Klimakrise
– Heuschreckenkrise
– Krise Krise

Da kriegst du die Krise!

Peter Pascht
4 Jahre her

„Eine zeitliche Begrenzung des „Notparlaments“ gibt es nicht.“ Notparlament = korrekt: Gemeinsamer Ausschusses Das ist falsch !!! Die Zuständigkeit des „Gemeinsamen Ausschusses“ gilt nur solange wie gemäß Art 155e dem „Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen“ stehen, auch wenn der „Verteidigungsfall“ oder wie nun hinzuzufügen, der „Krisenfall“ noch nicht beendet ist. Dies festzustellen ist das Recht des Bundesverfassungsgerichts. in Zukunft soll nun: Verteidigungsfall = Krisenfall – Verteidigungsfall ist geben bei einem bewaffneten Angriff auf das Bundesgebiet – erforderlich ist eine genaue Definition wann der „Krisenfall“ gegeben ist, sonst sind wir schneller bei 1933 als uns lieb ist. Feststellung muss nach… Mehr

Entenhuegel
4 Jahre her
Antworten an  Peter Pascht

Das stimmt wohl alles, aber leider ist das BVerfG überwiegend mit Parteibuchträgern besetzt, zuletzt Herrn Harbarth, der nie Richter war, aber dafür Lobbyanwalt und Merkelbeklatscher im Bundestag und gleich zum Vorsitzenden designiert wurde.
Das Gericht bietet daher bestenfalls Aufschub, keine echte Aussicht auf – wirkliche – Rechtsprechung…

Peter Pascht
4 Jahre her
Antworten an  Entenhuegel

„nie Richter war“ ist kein Nachteil sondern eher ein Vorteil, denn viele Verfassungsrichter die mal Richter waren, verstehen nicht, dass sie beim BdVG kein „vollstreckbares Urteil“ fällen, sondern ein „normatives Urteil“, welches die Rechtsprechung und Politik sofort zu befolgen hat (im Ansehen einer Frist). Schon manche haben sich hinterher beklagt „ja mein Urteil wurde noch immer nicht umgesetzt“. Das ist falsch. Urteile des BdVG sind ab sofort als Gesetzespflicht zu befolgen, sind also sofort umgesetzt als geltendes Recht.

Entenhuegel
4 Jahre her
Antworten an  Peter Pascht

Sie mögen Recht haben mit dem Irrtum von Richtern beim BVerG bzgl. der Wirkung ihrwr Urteile.
Dennoch vertraue ich viel mehr auf die Unabhängigkeit von Berufsrichtern als auf die von Lobbyisten, Genderprofesdorinnen und sonstigen Apparatschiks. Aber genau das ist wohl der Grund, warum erstere immer weniger werden…