Die Europäische Union probt die partizipative Demokratie in einem zweijährigen Großprojekt. Formal sollen dabei auch unabhängige, unorganisierte Bürger mitspielen – tatsächlich vor allem organisierte Interessenträger und umtriebige NGOs.
In der Europäischen Union werfen große Ereignisse ihre Schatten voraus: Der Staatenverbund will in den kommenden zwei Jahren (2020–2022) unter Beteiligung aller Mitgliedsländer eine „Konferenz über die Zukunft Europas“ abhalten. Die Arbeiten erfolgen als gemeinschaftliches Vorhaben des Europäischen Parlaments (EP), des Rats der EU – dem Gremium der Staats- und Regierungschefs – und der EU-Kommission. Sie sollen auch die EU-Bevölkerung stärker einbeziehen. Hierzu hat das Europäische Parlament am 15. Januar eine ausführliche Resolution verabschiedet. Daran anschließend meldete sich die EU-Kommission am 22. Januar mit einem Beschluss zu Wort. Beide Dokumente wünschen sich vielfältige Möglichkeiten für Bürger, sich online über digitale Plattformen oder auf Veranstaltungen mit Stellungnahmen einzubringen, und gehen in eine ähnliche Zielrichtung.
Geht es nach den Europaparlamentariern, sind die Zentren der Reformbemühungen eine aus politischen Repräsentanten bestehende Plenarversammlung sowie repräsentativ zusammengesetzte Jugend- und Bürgerforen zu unterschiedlichen politischen Themen, deren Organisation differenziert beschrieben wird. Die Vorschläge der beteiligten Gremien sollen die Organe der EU gegebenenfalls in Gesetze fassen. Auch der Vorschlag der EU-Kommission setzt auf EU-weite „offene, inklusive, transparente und strukturierte Debatten mit Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlichen Hintergrunds und aus sämtlichen Gesellschaftsschichten“ und hofft auf eine Vielzahl von politischen sowie zivilen Teilnehmern. Insbesondere plädiert die Kommission für eine „Gemeinsame Erklärung“, in der Parlament, Rat und Kommission sowie weitere Unterstützer Ablauf und Ziele der Konferenz festklopfen.
Ziel: Akzeptanz der Europäischen Union verbessern
Die Arbeiten sollen offiziell möglichst am Europatag, dem 9. Mai 2020 beginnen, dem 70. Jahrestag der „Schuman-Erklärung“. Mit dem neuen Projekt soll auch an den völkerrechtlichen Vertrag von Lissabon angeknüpft werden, der am 1. Dezember 2009 mit dem Ziel, die EU zu reformieren, in Kraft trat.
Beide im Raum stehende Papiere versprechen auf den ersten Blick die oft angemahnte größere Bürgernähe der Europäischen Union, welche von vielen EU-Einwohnern wohl als räumlich fernes, abgehobenes und mit sich selbst beschäftigtes Bürokratiemonster wahrgenommen wird. Es existiert unstrittig eine Vertrauenskrise in Form verbreiteter Skepsis vieler EU-Einwohner gegenüber dem Staatenverbund. Im Herbst 2019 bekundeten laut dem EU-eigenen Standard-Eurobarometer nur 43 Prozent der EU-Europäer (einschließlich Großbritannien), der EU „eher zu vertrauen“.
Notwendig scheint eine Standortbestimmung des Staatenverbunds schon deshalb, weil sich innerhalb der EU gerade im letzten Jahrzehnt viele Baustellen aufgetan haben, jenseits des Brexits, weltpolitischer Brandherde und deutlich unterschiedlicher sozialökonomischer Bedingungen im EU-Raum unter anderem die großen Diskussionsthemen Klima und Umwelt, Migration und Flucht, Schutz der Außengrenzen. Vor allem seit der letzten Europawahl in der Diskussion sind auch verfahrenstechnische Regelungen wie gemeinsame europäische Listen der Parteienfamilien für alle Mitgliedstaaten, das Spitzenkandidat-Prinzip (danach sollen nur Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten akzeptiert werden, die zuvor als offizielle Spitzenkandidaten ihrer Parteien für die Europawahl 2019 in den Wahlkampf gezogen sind / es wurde 2019 bekanntlich nicht realisiert) sowie die bislang nötige Einstimmigkeit bei Entscheidungen in den Ministerräten.
Bereits im März 2017 hat die EU noch unter Jean-Claude Juncker ein „Weißbuch zur Zukunft Europas“ vorgelegt. Darin werden fünf Szenarien zum künftigen Kurs beschrieben: „Weiter wir bisher“, „Schwerpunkt Binnenmarkt“, „Wer mehr will, tut mehr“, „Weniger, aber effizient“ sowie „Viel mehr gemeinsames Handeln“. Mit ihrem im Januar 2019 geschlossenen Freundschaftsvertrag von Aachen verschrieben sich Deutschland und Frankreich einem „souveränen, handlungs- und leistungsfähigen Europa“, einem – O-Ton von Außenminister Heiko Maas – „#EuropeUnited“.
Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sich am 16. Juli letzten Jahres in ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament explizit für die Einrichtung einer „Konferenz zur Zukunft Europas“ aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Regierung haben in der Folge Ende November 2019 ein Arbeitspapier verfasst und sich erstmals zu möglichen Themen, einer Struktur und der Beteiligung von Bürgern geäußert, auch einen groben Zeitplan vorgeschlagen. Der Europäische Rat hat am 12. Dezember 2019 grünes Licht für die Konferenz gegeben.
Entschließung des Europäischen Parlaments/„Botton-up-Ansatz“
Das EP hat bereits am 15. Januar eine Entschließung mit dem Titel „Standpunkt des Europäischen Parlaments zur Konferenz über die Zukunft Europas“ angenommen. 494 Abgeordnete stimmten zu, bei 147 Gegenstimmen und 49 Enthaltungen. Parlamentspräsident David Sassoli verkündete zu Beginn der Debatte, dass „wir alle Mechanismen der demokratischen Regierungsführung nach den Europawahlen überprüfen müssen. … Wir leiten eine neue Ära der Reformen ein“.
Mit seiner jüngsten Resolution erklärt das Parlament, „dass es zehn Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon angebracht ist, den EU-Bürgern erneut Gelegenheit zu geben, eine engagierte Debatte über die Zukunft Europas zu führen und so die Union zu gestalten, in der wir gemeinsam leben wollen“. Die Konferenz solle die Gelegenheit bieten, „aufzuzeigen, was die EU gut macht und welcher neuen Maßnahmen es bedarf, damit sie besser wird, damit ihre Handlungsfähigkeit verbessert werden kann und damit sie demokratischer wird“. Das Ziel der Maßnahmen solle darin bestehen, einen „Bottom-up“-Ansatz [von unten nach oben] zu verfolgen.
Einbeziehung von Bürgern, organisierter Zivilgesellschaft und Interessenträgern
Vor Beginn der Konferenz soll eine Phase des Zuhörens angesetzt werden, „damit die Bürger aus der gesamten Europäischen Union ihre Ideen äußern, Vorschläge einbringen und ihr eigenes Verständnis von Europa darlegen können“. Hierbei müssten „die Methoden zur Erhebung und Verarbeitung der Beiträge der Bürger in allen Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene einheitlich und konsistent“ sein. Bei der Konferenz solle „die Vielfalt unserer Gesellschaften umfassend abgebildet“ werden, sollten Konsultationen unter Nutzung der effizientesten, innovativsten und geeignetsten Plattformen organisiert werden und alle Teile der EU erreicht werden. Die „Einbeziehung der Bürger, der organisierten Zivilgesellschaft und einer Reihe von Interessenträgern auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene“ sei das Schlüsselelement.
Nach den Vorstellungen der Abgeordneten soll es sich um einen streng strukturierten Prozess handeln, „der von einer Reihe von Gremien mit festgelegten bzw. Ad-hoc-Zuständigkeiten geleitet wird, einschließlich institutioneller Gremien und der direkten Einbeziehung der Bürger“. Das Plenum der Konferenz solle „ein offenes Forum für ergebnisoffene Diskussionen zwischen den verschiedenen Teilnehmern bieten“, wobei Beiträge aus den Bürgerforen einbezogen werden sollten.
Allerdings möchte das EP einige „politische Prioritäten“ vorab festgelegt sehen und nennt als beispielhafte Aspekte:
- europäische Werte, Grundrechte und Grundfreiheiten,
- demokratische und institutionelle Aspekte der EU,
- ökologische Herausforderungen und die Klimakrise,
- soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung,
- wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Fragen einschließlich Besteuerung, digitaler Wandel sowie
- Sicherheit und die Rolle der EU in der Welt.
Das Thema Migrationspolitik ist bemerkenswerter Weise nicht explizit vorgegeben. Bei der Themensetzung sollen Eurobarometer-Umfragen herangezogen werden.
Ferner solle eine Bestandsaufnahme der Initiativen vorgenommen werden, die im Vorfeld der Wahl 2019 ergriffen wurden, und sollen „Arbeiten zu Themen wie dem Spitzenkandidaten-System und länderübergreifenden Listen“ im Verlauf der Konferenz berücksichtigt werden, auch um die nächste Europawahl 2024 „weit im Voraus vorzubereiten“, regt das EP an.
Nach dem Wortlaut der Resolution soll sich die Konferenz aus einer Reihe von Gremien mit unterschiedlichen Zuständigkeiten zusammensetzen, so einer Plenarversammlung der Konferenz, Bürgerforen, Jugendforen, einem Lenkungsausschuss und einem geschäftsführenden Koordinierungsausschuss.
Angedacht sind mehrere „thematische Bürgerforen“, die die politischen Prioritäten widerspiegeln. Sie sollen aus höchstens 200 bis 300 Bürgern bestehen, darunter mindestens drei Vertretern je Mitgliedstaat. Hier soll die Berechnung nach dem Prinzip der degressiven Proportionalität erfolgen [= Grundsatz, dass bevölkerungsreichere Staaten grundsätzlich mehr Sitze im Parlament erhalten als bevölkerungsärmere, bevölkerungsärmere jedoch mehr Sitze pro Einwohner als bevölkerungsreichere]. Die zentralen Bürgerforen sollen an verschiedenen Orten in der gesamten Europäischen Union stattfinden und „(müssen) repräsentativ sein (unter dem Gesichtspunkt der geografischen Herkunft, des Geschlechts, des Alters, des sozioökonomischen Hintergrunds und/oder des Bildungsniveaus)“.
Konkret schwebt den EU-Abgeordneten vor, „dass die teilnehmenden Bürger unter allen EU-Bürgern von unabhängigen Einrichtungen in den Mitgliedstaaten nach dem Zufallsprinzip … ausgewählt werden“. Mandatsträger, hochrangige Regierungsvertreter und Vertreter beruflicher Interessen sollen ausgeschlossen sein. Ferner sollen Bürgerforen an den verschiedenen Orten verschiedene Teilnehmer haben. Jedes thematische Bürgerforum soll mindestens zweimal zusammenkommen. Die Bürgerforen sollen sich um eine einvernehmliche Einigung bemühen; wenn dies nicht möglich ist, soll eine Minderheitenansicht zugelassen sein.
Zusätzlich zu den Bürgerforen sieht die EP-Entschließung mindestens zwei Jugendforen mit Teilnehmern zwischen 16 und 25 Jahren vor, „da Jugendlichen insofern ihr eigenes Forum gebührt, als die jungen Generationen die Zukunft Europas sind ….“. Finanziell sollen die Teilnehmer aller Foren durch finanzielle und sonstige Hilfen unterstützt werden.
Plenarversammlung der Konferenz
Die Plenarversammlung der Konferenz soll sich nach den Vorstellungen der Europaparlamentarier zusammensetzen:
- aus dem Europäischen Parlament, mit höchstens 135 Vertretern,
- aus dem Rat, der die Mitgliedstaaten mit 27 Mitgliedern vertritt,
- aus den nationalen Parlamenten, mit zwei bis vier Mitgliedern pro Parlament der Mitgliedstaaten,
- aus der Europäischen Kommission, die von den drei Kommissionsmitgliedern vertreten wird,
- aus dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen, mit jeweils vier Mitgliedern sowie
- aus den auf EU-Ebene tätigen Sozialpartnern, mit zwei Mitgliedern auf jeder Seite.
Dabei sollen „zum Zwecke einer gesicherten Rückmeldung Vertreter der thematischen Bürger- und Jugendforen zur Plenartagung der Konferenz eingeladen werden, um ihre Schlussfolgerungen vorzustellen und zu erörtern, damit diese bei den Beratungen der Plenarversammlung der Konferenz berücksichtigt werden können“.
Das EP besteht in diesem Zusammenhang darauf, „dass der Rat auf Ministerebene vertreten sein muss und dass Vertreter des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente für eine ausgewogene politische Vertretung sorgen sollten, die ihre jeweilige Vielfalt widerspiegelt“. Es fordert weiter, „dass ein Konsens über die Empfehlungen der Plenarversammlung der Konferenz angestrebt wird oder dass die Empfehlungen zumindest die Ansichten der Mehrheit der Vertreter der drei EU-Organe und der nationalen Parlamente widerspiegeln“.
Plenarversammlungen sollen mindestens zweimal pro Halbjahr stattfinden. Die endgültigen Schlussfolgerungen, in denen die im Verlauf der Konferenz erzielten Ergebnisse zusammengefasst werden, sollen auf der abschließenden Plenartagung der Konferenz angenommen werden, heißt es im Text.
Weiterhin stellen sich die Abgeordneten vor, „dass Unterstützung im Wege vorbereitender Sitzungen sowie durch etablierte und erfahrene Organisationen der Zivilgesellschaft und andere Sachverständige bereitgestellt werden muss“. Man erkenne den Stellenwert des Fachwissens von nichtstaatlichen Organisationen, Universitäten, Forschungszentren und Denkfabriken in ganz Europa an.
Lenkungsausschuss und Koordinierungsausschuss
Für die Steuerung der Konferenz sollen ein Lenkungsausschuss und zusätzlich ein geschäftsführender Koordinierungsausschuss sorgen. Dem Lenkungsausschuss sollen angehören
- Vertreter des Parlaments (Vertreter aller Fraktionen sowie ein Vertreter des EP-Ausschusses für konstitutionelle Fragen und ein Vertreter des Präsidiums des Europäischen Parlaments),
- Vertreter des Rates (EU-Ratsvorsitze) sowie
- Vertreter der Kommission (drei zuständige Kommissionsmitglieder).
Er soll für die Vorbereitung der Sitzungen der Plenarversammlung der Konferenz sowie für die Bürger- und Jugendforen und die Aufsicht über die Tätigkeiten und die Organisation des Konferenzablaufs zuständig sein. Der geschäftsführende Koordinierungsausschuss soll sich aus den drei wichtigsten EU-Organen zusammensetzen.
Alle bestehenden und neuen Kommunikationsinstrumente für die digitale und physische Beteiligung – angefangen mit den vorhandenen Ressourcen und den Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments – sollen von den drei Organen untereinander koordiniert werden, „damit die Bürger während der gesamten Dauer der Konferenz über deren Fortgang auf dem Laufenden bleiben und Beratungen verfolgen können …“. Sämtliche Sitzungen der Konferenz möchte das EP per Webstream übertragen sehen. Alle Dokumente im Zusammenhang mit der Konferenz müssten veröffentlicht werden und alle Beratungen in den Amtssprachen der Union stattfinden.
Endergebnis: „Konkrete Empfehlungen“
Am Schluss der Diskussionen soll die Konferenz „konkrete Empfehlungen“ aussprechen, die von den Organen verfolgt und in Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Dabei verpflichten sich die Europa-Parlamentarier, „die Ergebnisse der Konferenz unverzüglich und ernsthaft mit Legislativvorschlägen, durch die Vertragsänderungen oder anderweitige Änderungen eingeleitet werden, weiterzuverfolgen“, und erwarten Gleiches vom Rat und der Kommission.
Papier der EU-Kommission
Am 22. Januar hat auch die EU-Kommission ihre Vorstellungen von der Zukunftskonferenz in einem 9-seitigen Papier präzisiert und vorab bereits betont, sie sei „entschlossen, die Ergebnisse weiterzuverfolgen“. Die Konferenz werde auf früheren Erfahrungen, zum Beispiel mit Bürgerdialogen, aufbauen, aber auch vielfältige neue Elemente einführen, um ihre Reichweite zu vergrößern und den Menschen bessere Möglichkeiten zur Mitgestaltung künftiger EU-Maßnahmen zu geben. Sie werde offene, inklusive, transparente und strukturierte Debatten mit Einwohnern unterschiedlichen Hintergrunds und aus sämtlichen Gesellschaftsschichten ermöglichen.
Die Kommission schlägt hier zwei parallele Themenbereiche für die Debatten vor, die denen des EP ähneln. Beim ersten soll der Schwerpunkt auf den Prioritäten und anzustrebenden Zielen der EU liegen. Dazu gehören „die Bewältigung des Klimawandels und der Umweltprobleme, eine Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen aufgeht, soziale Gerechtigkeit und Gleichheit, der digitale Wandel Europas, die Förderung unserer europäischen Werte, die Stärkung der Stimme der EU in der Welt sowie die Festigung der demokratischen Grundlagen der Union“. Der zweite Themenbereich solle sich auf demokratische, institutionelle Fragen konzentrieren, insbesondere das Spitzenkandidaten-System und mögliche länderübergreifende Listen für die Wahlen zum EP. Die Erstellung derartiger Listen müsse allerdings von allen Mitgliedstaaten genehmigt werden.
Die Kommission betrachtet die Konferenz nach eigenen Worten als Forum, dessen Ausgangs- und Orientierungspunkt „Bürgerinnen und Bürger aus allen Ecken der Union und nicht nur aus den Hauptstädten“ seien. Andere EU-Institutionen, die nationalen Parlamente, die Sozialpartner, regionale und lokale Behörden sowie die Zivilgesellschaft seien eingeladen, sich daran zu beteiligen. Eine mehrsprachige Online-Plattform solle die Transparenz der Debatte gewährleisten und dafür sorgen, dass die Ideen und Rückmeldungen der Bevölkerung in die Politikgestaltung der EU einfließen.
Dabei sei es von entscheidender Bedeutung, dass die drei EU-Organe zusammen auf eine „Gemeinsame Erklärung“ hinarbeiten, in der Konzept, Struktur, Gegenstand und Zeitplan sowie die gemeinsam vereinbarten Grundsätze und Ziele der Konferenz zur Zukunft Europas festgelegt werden. Diese Erklärung soll anschließend auch anderen interessierten Unterzeichnern offenstehen.
Nationalen und regionalen Parlamenten und Akteuren wird auf der Konferenz eine wichtige Rolle zugewiesen. Sie sollen dazu ermutigt werden, Veranstaltungen im Sinne der Konferenz abzuhalten. In die Konferenz einbinden möchte von der Leyen beispielsweise EU-Programme wie Erasmus oder Europäisches Solidaritätskorps, Nutzer der Website together.eu und in der EU präsente EU-Netze, aber auch Soziale Medien. Neben regelmäßigen themenspezifischen Podiumsdiskussionen seien ebenso breiter angelegte und dezentrale Treffen zu fördern. Angedacht ist ferner ein „Europäisches Bürgerpanel“, dessen Mitglieder nach einzelnen Merkmalen repräsentativ sein und Vorschläge bzw. Empfehlungen erarbeiten sollen. Darüber hinaus sollten weitere „lokale, regionale und nationale Partner“ der Zivilgesellschaft Veranstaltungen durchführen. Hier ist auch an Sportveranstaltungen oder Festivals gedacht. Die ältere Generation müsse gleichfalls erreicht werden. Die Kommission sei bereit, betont die Kommission, „die Rückmeldungen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger in ihrer Legislativagenda zu berücksichtigen“.
Konkrete Ausgestaltung der Konferenz-Konzepte noch offen
Die vom Europäischen Parlament bzw. der EU-Kommission präsentierten Ideen sind im Modell fraglos eine interessante Ergänzung zu bisherigen Formen der Bürgerbeteiligung wie den Europawahlen, Meinungsumfragen, begrenzten Bürgerdialogen, der Möglichkeit, Petitionen an das Parlament zu richten bzw. sich bei der Kommission zu beschweren, usw. Die konkrete Ausgestaltung ist aber noch nicht klar.
Unter dem Strich präsentiert sich das vom EP für die Zukunftskonferenz angedachte organisatorische Gebilde dabei als komplex strukturiertes, personal- und kostenintensives Großprojekt mit einigen neuen Handlungsträgern, neben den ohnehin eingeführten EU-Organen.
Im Einzelnen bleibt abzuwarten, sollten die Vorstellungen der Europaparlamentarier im Ansatz umgesetzt werden, welche „unabhängigen Einrichtungen in den Mitgliedstaaten nach dem Zufallsprinzip“ die Teilnehmer der Bürger- und Jugendforen aus 27 Staaten bestimmen werden. Die in der EP-Entschließung geforderte repräsentative Zusammensetzung der neuen Foren (nach geografischer Herkunft, Geschlecht, Alter, sozioökonomischem Hintergrunds und/oder Bildungsniveau …), sofern man sie denn ernst nimmt, dürfte ein Kunststück ohne Gleichen werden, wenn man weiß, wie schwer sich beispielsweise deutsche Landesparlamente tun, Rundfunk-/Fernsehräte repräsentativ zusammenzusetzen. Gleiches gilt für das im Kommissions-Papier auftauchende „Europäische Bürgerpanel“.
Stelldichein der „üblichen Verdächtigen“?
Mit entscheidend wird aber die Frage sein, welche Rolle im Gesamtprozess letztlich unabhängige, unorganisierte Bürger spielen – welche andererseits die „üblichen Verdächtigen“, sprich organisierte Interessenträger und umtriebige NGOs, die alle laut EP-Konzept vom Fachwissen im Hintergrund wirkender nichtstaatlichen Organisationen, Universitäten, Forschungszentren und Denkfabriken profitieren sollen.
Ein Teil der anzusprechenden Interessenorganisationen dürfte ohnehin mehr oder weniger diskret in Form von Lobbyarbeit Einfluss auf EU-Entscheidungen nehmen und mittels Publikationen und Veranstaltungen in Brüssel präsent sein. Beispiele hierfür sind die Open Society Foundation, die in der belgischen Hauptstadt ein Politik-Institut unterhält, der Deutsche Gewerkschaftsbund mit einer dortigen Verbindungsstelle oder das European Network Against Rasicm (ENAR) mit mehr als 150 NGOs aus verschiedenen Staaten. Die Website LobbyControl spricht von schätzungsweise 25.000 Lobbyisten, die in Brüssel Einfluss auf EU-Institutionen nehmen möchten. In den Medien diskutiert wird auch bereits die Frage, ob und inwieweit in den vorgeschlagenen Diskussionsforen EU-Kritiker Platz nehmen können sollen.
Generell ist der Anspruch an die vom EP vorgeschlagenen Bürgerforen sehr hoch. Fragen wie „Sicherheit und die Rolle der EU in der Welt“ lassen sich kaum an zwei verlängerten Wochenenden erschöpfend behandeln und erfordern eine Wissensbasis. Gerade Thematiken, die bereits innerhalb der EU zwischen den Staaten und innerhalb der Staaten stark umstritten sind – wozu der ganze Komplex Flucht/Migration zählen würde –, dürften auch in den kommenden Bürgerforen kontrovers behandelt werden.
Unter dem Strich behalten dem Anschein nach so oder so im Projekt Zukunftskonferenz die etablierten EU-und nationalen Politiker die Fäden in der Hand. Laut Punkt 15 der EP-Resolution soll die Plenarversammlung die Befunde der Bürger- und Jugendforen „berücksichtigen“, womit die Foren quasi als Ideenlieferanten fungieren würden. Eine ähnliche Funktion haben die „Normalbürger“ im Kommissions-Konzept.
Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse das europäische Mammutvorhaben, wie immer es letztlich ausgestaltet wird, bringt. Parteipolitik wird jedenfalls nicht außen vor bleiben, denn vom angestrebten Ergebnis der Plenarversammlung der Konferenz erhoffen sich die Parlamentarier laut Punkt 16 ihrer Resolution, dass die Empfehlungen „zumindest die Ansichten der Mehrheit der Vertreter der drei EU-Organe und der nationalen Parlamente widerspiegeln“. Das heißt: Grundsätzlich wird auch die Konferenz über die Zukunft Europas in jedweder Form selbstverständlich mit den bekannten parteipolitischen Streitigkeiten, Brüchen zwischen einzelnen Staaten(gruppen) und einer repräsentativen starken Stellung der bevölkerungsreichen EU-Mitgliedstaaten leben und umgehen müssen.
Wichtig: Einbeziehung von Normalbürgern und auch EU-Skeptikern – und lohnende Konferenzergebnisse
Damit der Prozess am Ende nicht verdächtigt wird, eine kostspielige Werbe- oder „Alibiveranstaltung“ gewesen zu sein, werden die EU-Planer vor allem dafür zu sorgen haben, dass sich auch unorganisierte Bürger Gehör verschaffen können, EU-skeptische Stimmen nicht von vornherein „aussortiert“ werden und Kreise von EU-Befürwortern wie die Bewegung Pulse of Europe durch sinnvolle, lohnende Konferenz-Ergebnisse in ihrem Engagement bestätigt, nicht frustriert, werden.
Abzuwarten bleibt ebenso, ob sich das (oben bereits genannte) Weißbuch der EU in den kommenden Reformprozessen niederschlägt. Hierbei geht es ja nicht nur darum, wie man einzelne europapolitische Themen sieht, sondern – übergreifend und prinzipiell – darum, wie umfangreich die auf EU-Ebene anzusiedelnden Politikbereiche sein sollen, was man den nationalen Regierungen überlässt, bzw. inwieweit man immer zwangsweise gemeinsam oder alternativ als illustre „Koalition der Willigen“ handelt – ein nach wie vor heißes Eisen, das im Kern das Selbstverständnis der EU berührt.
Den prestigeträchtigen Vorsitz der Konferenz wird der belgische Europaabgeordnete Guy Verhofstadt übernehmen, früherer Vorsitzende der ALDE-Fraktion (jetzt Renew Europe).
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Hauptsache, es sieht demokratisch aus. Die Begleitmusik in den Medien wird bestimmt andere Eindrücke unterdrücken.
Die EU! Eine abscheuliche Institution, die nur erschaffen wurde, um die souveränen freien Völker erneut zu entmachten. Die Menschen sollten sich dies nicht gefallen lassen und diese sich immer weiter etablierende, sozialistische Diktatur dahinschicken wo sie hingehört: Auf den Müllhaufen der Geschichte!
Was hat das mit unserem Leben und unseren Problemen zu tun? Rein gar nichts: Hier versucht sich ein Moloch, der viel größere Probleme schafft als er löst, der keine demokratische Basis hat (und als übernationales Konstrukt auch nie haben wird) und weitestgehend unkontrolliert agiert, einen Anschein von Bürgernähe zu geben. Doch schon diese Show zu organisieren ist so absurd kompliziert und dabei doch zu offensichtlich verlogen, dass er nur die verbohrten Globalisten zufriedenstellen kann, die lieber ohne die (unberechenbare) Demokratie auskommen würden. Es geht nur um Steuerung der öffentlichen Meinung (von oben) – nicht um deren Wertschätzung und Umsetzung.
„Unter dem Strich präsentiert sich das vom EP für die Zukunftskonferenz angedachte organisatorische Gebilde dabei als komplex strukturiertes, personal- und kostenintensives Großprojekt mit einigen neuen Handlungsträgern, neben den ohnehin eingeführten EU-Organen.“ Unter dem Strich präsentiert sich das vom EP für die Zukunftskonferenz angedachte organisatorische Gebilde dabei als komplex strukturiertes, personal- und kostenintensives Großprojekt mit dem Ziel, möglichst viele Kostgänger des Molochs Brüssel (und der VN) mit lukrativen Posten zu versorgen, einen Anschein von Mitbestimmung zu erzeugen und ansonsten die EU endgültig in ein antidemokratisches Rätesystem umzuwandeln. Wenn ich schon „Jugendforen“ lese… Leicht beeinflußbare junge Leute sollen da von Einpeitschern auf… Mehr
Fangen wir doch bei der Konferenz mit den „einfachsten Fragen“ an:
Was genau sind die europäische Werte, Grundrechte und Grundfreiheiten? Hier bitte nicht die üblichen Allgemeinplätze, sondern ganz konkret.
Allein daran würde jedes Vorbereitungsgremium scheitern, weil unsere Werte immer wieder gerne in den Mund genommen werden, aber jeder darunter etwas anderes versteht.
Wenn man das liest, sieht man schon eine gewisse Bereitschaft zur Restrukturierung in den Machtzirkeln der EU. Das eigentliche Problem hat man aber noch nicht erkannt, oder will es vielleicht auch gar nicht: Das eigentliche Problem sind die Organisationsstrukturen selbst. Also die Strukturen, die nun unter Einbeziehung von ein paar mehr Bürgern eine Mitbestimmung der Völker erlauben oder vielleicht auch nur vorgaukeln soll. Wer Europa einen will, sollte die europäischen Völker zuallererst einmal in Ruhe lassen. Sie jetzt wieder in staatlich und wirtschaftlich interessierze Strukturen einzubinden, bedeutet doch letztlich nichts anderes, als sie von vornherein gleich wieder an die Kette… Mehr
och, die Bürger werden schon beteiligt: sie müssen das alles zahlen. ABER die Bürger ließen es auch zu, dass die NGOs unglaublichen Einfluss und Macht gewinnen konnten.
Es bleibt zu hoffen, dass die Diktatur dieser faulenden EU-Machthaber schnell ein Ende findet. Glückliche Briten…
Mich erinnert die ganze Veranstaltungen an einen gewissen WalterUlbricht, der einmal sagte: „Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“ Ich war auch mal auf so einer Veranstaltung, wo der Bürger angeblich den Politikern Fragen stellen durfte. Als meine Frage einfach nicht beantwortet wurde und die Frau „Doktor“ Giffey dann einfach von etwas ganz anderm palaverte mit NULL Bezug zu meiner gestellten Frage, , intervenierte ich freundlich aber bestimmt und forderte Frau „Doktor“ Giffey auf, bitte zu meiner Frage zu sprechen. Sofort zeigten mir die „Demokraten“ die Zähne, zwei „Gorillas“ mit Knopf im Ohr bauten sich… Mehr
Nachdem sich die Parteien den Staat bereits zur Beute gemacht haben (Parteiendemokratie mit nicht wählbaren Abgeordneten bspw.) , diese in Regierungsfunktion ihnen genehme NGOs, Stiftungen, Medien usf. finanziert und gefördert haben, (man kann hier viele weitere Beispiele nennen) soll sich der paternalistische Despotismus nun auf der Ebene der EU fortsetzen. Ich wiederhole: Das Ziel ist letztlich die Degradierung des Bürgers zum Gattungswesen Mensch und damit seine Eliminierung.