Bonobo-Politik funktioniert nur in sicheren, ungefährdeten Wohlstandsgesellschaften. Und damit ist es nun nicht erst seit der Masseneinwanderung leider auch in Deutschland vorbei.
Über den Anlass muss ich hier nichts mehr sagen – nur so viel vielleicht: Bei den meisten Publikationen zum Thema drängt sich mir sowohl der Eindruck auf, dass die Autoren das Böhmermann-Stück nicht gesehen haben und darüber hinaus den Wortlaut des Paragrafen 103 StGB nicht kennen.
Denn zum einen hat der Satiriker sein Stück immer wieder und ausdrücklich als Lehrstück dafür bezeichnet, was man nicht tun darf (wenn selbstverständlich auch mit dem feinen Hintersinn, das Schmähgedicht so ungestraft verbreiten zu können).
Zum anderen setzt der §103 eine Conditio voraus: „Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Auch dann, wenn sich Juristen finden werden, die einer anderen Auslegung zuneigen, wird dieses bedeuten: Strafbar im Sinne des §103 wird Böhmermanns Satire – wenn überhaupt – nur sein, wenn Erdogan sich zum Zeitpunkt der Sendung „in amtlicher Eigenschaft“ in Deutschland aufgehalten hätte. Dem ist aber nachweislich nicht so – und insofern stellt sich die Frage, warum die Bundesregierung Erdogans Ersuchen nicht einfach kommentarlos an die Bundesanwaltschaft weitergegeben hat, um es dort mit Hinweis auf den § 103 sofort zu versenken.
Seit zehn Jahren Kampf gegen Europa
Doch, wie gesagt, darum geht es überhaupt nicht. Wer ein wenig zurück denkt, dem wird vielleicht noch in Erinnerung sein, dass es ziemlich genau zehn Jahre her ist, als Europa mit einem ähnlichen Angriff auf seine Freiheiten konfrontiert war. Was bereits damals von nur wenigen befürchtet worden war, findet sich nun bestätigt. Der Angriff auf die Freiheit des Wortes und des Bildes geht in die nächste Runde.
2006 war es eine künstlich gehypte Aufregung von Anhängern des Islam weltweit, die den Kopf des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard forderten, weil der es gewagt hatte, Karikaturen mit arabisch aussehenden Köpfen und Sprengbomben im Turban als „das Gesicht Mohammeds“ zu veröffentlichen. Statt, wie es sich in einer auf ihre Freiheit stolzen Gesellschaft gehört hätte, sich geschlossen hinter den Dänen zu stellen, ergingen sich in Deutschland und anderswo die Politiker im vorauseilenden Kotau. Selbst der damalige SPD-Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter, jedweder Religionsnähe absolut unverdächtig, brachte sein Verständnis für die islamische Erregung zum Ausdruck. Schließlich stünde selbst im säkularen Deutschland die Verunglimpfung von Religion unter Strafe (was ihm jedoch bei Jesus-Karikaturen europäischer Karikaturisten ebenso wenig aufgefallen war wie bei jenen üblichen Verunglimpfungen anderer Religionen in islamisch geprägten Staaten).
Das Menetekel gegen die Freiheit
Was folgte, waren Attentatsversuche gegen Westergaard und Polizeischutz.
Was weiterhin folgte, war die Angst im Kopfe eines jeden Karikaturisten und Kabarettisten (neudeutsch: Comedian), sich im Falle einer Beschäftigung mit dem Islam einem ähnlichen Schicksal auszusetzen.
So wurde der Fall Westergaard bereits vor zehn Jahren zum Menetekel gegen Europas Freiheit: Wer es wagen sollte, in europäischem Freigeist den Islam aufs Korn zu nehmen, würde um Leib und Leben bangen müssen. Also traute sich kaum noch einer – und manche bekannten ganz offen, um das Thema Islam aus Gründen des Selbstschutzes einen großen Bogen zu machen.
Die Freiheit unseres vorgeblich so aufgeklärten Europas kastrierte sich selbst. Und das vor allem deshalb, weil die Politiker den Schwanz eingeklemmt und mit Blick auf die muslimische Wählerschaft Unterwürfigkeit demonstriert hatten.
Der nächste Akt
Was wir derzeit erleben, ist die Fortsetzung dieser Selbstkastration – und wieder einmal ist es die Politik, die es zur Katastrophe für uns alle werden lässt. Denn die Dramatisierung eines an sich lächerlichen Vorgangs als „Verstoß gegen die Menschenrechte“ durch jemanden, der sich jüngst erst öffentlich gerühmt hatte, im eigenen Lande über 5.000 kurdische „Terroristen“ (türkisches Neusprech für Bürger, die dem Präsidenten kritisch gegenüber stehen) ausgeschaltet zu haben, ist derart absurd, dass man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte.
Doch es wirkt. Es wirkt wie 2006. Dieses Mal ist es Böhmermann, der abtauchen musste und unter Polizeischutz steht, weil zu befürchten steht, dass irgendwelche Hitzköpfe aus der islam-faschistischen, extremistischen Szene der Türkei zu Vaterlandshelden werden möchten, indem sie den „Sünder“ für seine Beleidigung des islamischen Präsidenten der Türkei mit dem Tode bestrafen.
Auch dann, wenn es dazu hoffentlich nicht kommen wird – sein Ziel hat der türkische Diktator bereits erreicht. Nach dem Islam werden künftig auch türkisch-islamische Präsidenten unter einem besonderen „Satire-Schutz“ stehen – denn welcher europäische Querdenker wird schon Vergnügen daran haben, unerwartet das Schicksal eines Böhmermann zu teilen?
Die Schere im Kopf wird einmal mehr noch größer werden. Und die hehren Ideale der Aufklärung ein weiteres Mal kräftig einschrumpfen.
Schuld oder Ursache
Es ist fast müssig, nach Schuldigen an dem Desaster zu suchen. Denn es begann schon lange vor 2006 mit der irrational-arroganten Ausblendung der islamischen Realität durch unsere europäische Gesellschaft.
Auch wenn es offensichtlich ist, dass Bundeskanzler Merkel mit ihrem unsäglichen Anruf bei Erdogan diesen erst auf die Idee gebracht haben wird, nun die nächste Phase des Angriffs einer spätmittelalterlich-religiös geprägten „Ehre“ auf die Freiheit Europas einzuleiten. Denn das, was Merkel tat, ist nur zu einem Teil ihrer Persönlichkeit geschuldet. Es ist vielmehr der unvermeidbare Reflex der deutschen Kotau-Gesellschaft und setzt nahtlos dort fort, wo schon 2006 das Versagen mit Händen greifbar wurde.
Die Verantwortung für die Eskalation tragen sie alle. Angefangen bei vorgeblich christlichen Politikern wie Ruprecht Polenz, der in der Vergangenheit nicht müde wurde, Erdogan in höchsten Tönen als Partner zu preisen, und Katrin Göring-Eckardt, die sich jüngst sogar dahin verstieg, den fundamentalislamischen „Islamischen Staat“ mit der Irischen Republikanischen Armee (IRA) zu vergleichen, um so in einem Anfall geistiger Umnachtung Islam und Katholizismus in den gleichen Topf zu werfen, bis hin zu bekennenden Atheisten, die Unterstützung für den Satiriker heucheln, während ihr Bundesminister der Zensur laut darüber nachdenkt, die Werbebranche und unsere freizügige Kultur mit Bekleidungsvorschriften in die Zeit vor der sexuellen Befreiung zurück zu führen.
Sie alle, die in ihrem Raumschiff den Blick auf die Lage im Lande längst verloren haben und dem politischen Traum der Villa Kunterbunt einer von rotgrün bis rotschwarz reichenden Polit- und Medienkaste folgen; sie alle, die sich in ihrem irrationalen Wahn von einer Kuschelwelt darin gefallen, jeden noch so bösartigen Religionsfanatiker oder Despoten mit Schmuseeinheiten zum Teddybären wandeln zu wollen – sie alle tragen nicht weniger Verantwortung als Merkel. Denn sie alle leben gebannt getreu dem Motto jener linksprotestantischen Möchtegernklerikerin aus Hannover, die selbst den Massenmördern und Massenvergewaltigern des Islamischen Staats mit „Liebe“ begegnen möchte und einfach nicht in den Kopf bekommen mag, dass unsere verschwindend kleine europäische Population in den vergangenen fünfzig Jahren ein absolutes Exotendasein geführt hat.
Merkels Bonobo-Politik ist am Ende
Merkel musste aber auch versagen, weil ihr Konzept der Bonobo-Politik nicht mehr taugt.
Bonobo-Politik? So beschrieb ich vor einiger Zeit in einer Analogie auf die weiblich dominierte Gesellschaft der südlichen Schimpansoiden, die im Gegensatz zu den männlich-brutal dominierten Schimpansengruppen nördlich der Trennlinie Kongofluss jeglichen Konflikt durch angewandten Sex statt mit Gewalt lösen, Merkels Politik scheinbar uneingeschränkter Harmonie. Wobei die Analogie selbstverständlich die Einschränkung machte, dass Merkel nicht die identischen Mittel nutzte wie jene dominanten Bonobo-Frauen, jedoch eine eindeutig weibliche, umarmende Politik gegen die Macho-Attitüde ihres Vorgängers im Bundeskanzleramt gestellt hatte.
Allein – in der gegenderten, gleichberechtigten Welt des westlichen Europas war Merkel mit ihrer Bonobo-Politik überaus erfolgreich. Die sie umgebenden Männer hatten sich längst schon jede hormonbedingte Aggressivität aberzogen. Doch in der Welt der Schimpansen, in der der Alpha-Mann als Hordenführer uneingeschränkt und unwidersprochen seine Aggressivität und damit seine Platzhirsch-Allüren auslebt, war dieses Konzept zum Scheitern verurteilt.
Merkels Anruf bei Erdogan war – um in der Analogie zu bleiben – der umarmende Versuch, ihre Bonobo-Politik erneut wirken zu lassen. Für Erdogan hingegen war es die Geste der absoluten Unterwerfung – die ihn nun anspornte, das ganz große Fass aufzumachen und nicht nur Merkel, sondern ganz Europa nebst Türkei ein für allemal zu zeigen, wer der oberste Boss im Schimpansenclan ist. Und das wird ihm selbst dann gelingen, wenn die Bundesregierung die absurde Attacke aus Ankara am Ende abschmettert – denn die Sünde der Unterwerfung war bereits mit dem sogenannten „Flüchtlings-Deal“ begangen worden.
So hat denn die Affäre Böhmermann nun nicht nur den Beweis erbracht, dass der Krieg des Neo-Mittelalters gegen die Aufklärung nach wie vor in vollem Gange ist – sie hat auch die Merkelsche Bonobo-Politik final zum Einsturz gebracht. Und damit eine von mir seinerzeit nur angedachte Überlegung beantwortet: Bonobo-Politik funktioniert nur in sicheren, ungefährdeten Wohlstandsgesellschaften. Und damit ist es nun nicht erst seit der Masseneinwanderung leider auch in Deutschland vorbei.
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