Nun des Sebastian Kurz strategische Inszenierung Teil 4

Sollte Kurz und Kogler - Neue Volkspartei und Grüne - nicht halten, hat Kurz Alternativen, Kogler nicht.

ALEX HALADA/AFP via Getty Images

Über strategische Inszenierung und inszenierte Strategie von Sebastian Kurz schrieb ich am 15. November des vergangenen Jahres und schloss: „Kurz‘ strategische Inszenierung Teil 4: Die grüne Basis macht zwar mit, wirft aber der dann türkis-grünen Regierung Kurz so oft Knüppel zwischen die Beine, dass diese scheitert. Dann wäre für Kurz im Urteil der Öffentlichkeit noch eindeutiger als beim Ende der Koalition mit der FPÖ der Weg offen für Verhandlungen mit allen anderen, Regieren als Minderheitenkabinett oder Neuwahlen.“

Dieses Stadium hat Kurz nun nach bewusst langen und intensiven Verhandlungen mit den österreichischen Grünen erreicht. An diesen Verhandlungen waren aus der Neuen Volkspartei von Kurz und den Grünen neben Kogler so viele Funktionäre beider Parteien beteiligt, dass diese nicht so ohne weiteres aus dem gefundenen Rahmen ausbüxen können.

Anmerkung für Leser in Deutschland: Wie groß die politisch-inhaltlichen Schnittmengen der Grünen Österreichs und Deutschlands sind, wird die künftige Regierung in Wien zeigen. Welche Unterschiede es auf dem Papier gibt, lässt sich im Regierungsprogramm lesen. Wie viel dieses Papier allerdings dann in der Praxis wert sein wird, muss sich erst noch herausstellen.

Die deutschen Grünen würden nicht unterschreiben, was dort zur Fortsetzung der Migrationspolitik von Kurz aus der letzten Regierung steht – wie unter anderem eine Ausweitung des Kopftuchverbots oder eine Sicherheitshaft für Gefährder. Aber das ist eine rein theoretische Bemerkung, denn es gibt keine CDU, die so etwas von deutschen Grünen verlangen würde.

(Wenn die SPÖ den Grünen einen „türkisen Regierungspakt“ vorwirft, lobt sie Kurz. Und wenn aus der FPÖ tönt, „Kurz hat Kogler ja bis auf die Unterhosen ausgezogen“, kann auch das Kurz nur recht sein.)

Mit dem Oststeirer Werner Kogler (Jahrgang 1961) scheint der in Wien siedelnde Niederösterreicher Sebastian Kurz (Jahrgang 1986) ein Gegenüber gefunden zu haben, mit dem er kann. Wie weit das trägt, kann keiner von beiden wissen. So etwas stellt sich in der täglichen Probe der politischen und vor allem auch medialen Wirklichkeit heraus.

In der Regel teile ich politische Bewertungen der Tageszeitung Der Standard nicht. Dem Kommentar von Eric Frey – Türkis-Grün, ein Wagnis – stimme ich weitgehend zu.

Frey sagt erstens: „Kurz könnte auch mit der FPÖ oder der SPÖ eine Regierung bilden – wenn er das wollte. Und Kogler hätte vor den und während der Verhandlungen genügend Gründe finden können, in die Opposition zu gehen.“

Das ist richtig. Warum Kurz es weder mit FPÖ noch SPÖ versuchen durfte, habe ich in meinem Stück vom 15. November beschrieben.

Frey sagt zweitens: „Diese Koalition ist ebenso freiwillig wie das türkis-blaue Bündnis entstanden und müsste daher von beiden Partnern mit ebenso viel Willen zur Harmonie betrieben werden … Das bringt beide Parteien in eine Zwickmühle. Sie dürfen nicht viel streiten, müssen aber ihre sehr unterschiedliche Wählerschaft bei der Stange halten.“

Auch das stimmt. Diesen Harmonie-Zwang haben Kurz und Kogler sowohl mit der Dauer ihrer Verhandlungen wie mit der Disziplin, während dieser bis auf ganz wenige Ausnahmen den Medien gegenüber anhaltend zu schweigen, noch erheblich verstärkt.

Frey sagt drittens: „Für den Grünen-Chef ist die Aufgabe etwas leichter, weil der Klimaschutz bei seinen Wählern so stark dominiert. Wenn sich Österreichs CO2-Bilanz rasch verbessert – und das lässt sich ganz gut messen –, kann Kogler darauf verweisen und zu Recht behaupten: Ohne uns wäre dies nicht geschehen.“

Stimmt auch. Kurz sagte vor Beginn der Gespräche mit den Grünen: Klimaschutz ja, aber mit Hausverstand. Das übersetze ich so. Wozu soll ich dem Klimawort, das durch die westliche Welt hypt, widersprechen, da suche ich doch besser die Probe aufs Exempel nicht beim Ob, sondern beim Wie.

Frey sagt viertens: „Kurz wiederum muss bei jeder Gelegenheit beweisen, dass sich Österreich nicht für Flüchtlinge aus aller Welt öffnet, aber gleichzeitig eine Trennlinie zur Politik der Garstigkeit unter Türkis-Blau ziehen.“

Korrekt. Das wird die Kernkür des Sebastian Kurz.

Frey abschließend: „Kann dieses politische Abenteuer gelingen? Bei einer halbwegs ruhigen Wetterlage wohl ja, auch dank einer geschwächten Opposition. Aber sobald Gewitterwolken aufziehen – ein verstärkter Zustrom von Asylwerbern, neue Horrorprognosen für das Weltklima, ein Konjunkturabschwung mit all seinen Folgen für den Arbeitsmarkt und das Budget –, werden die Spannungen zwischen den widersprechenden Wählerpräferenzen in Wien-Neubau und im Waldviertel voll ausbrechen. Kurz und Kogler werden dann ein Geschick benötigen wie noch wenige Regierungspolitiker vor ihnen.“

Da kann ich neuhochdeutsch nur sagen: I couldn’t agree more. Dass Kurz und Kogler wissen, was auf sie wartet, sagt die Überschrift der Kronenzeitung: „Klima und Grenzen gleichzeitig schützen“.

Fehlt ein Hinweis bei Frey. Kurz hat im Ernstfall eine Alternative, Kogler nicht. Und dass sich im Burgenland, wo der frühere Verteidigungsminister und nun Landeshauptmann Hans Peter Doskozil am 26. Januar wiedergewählt werden will und wohl auch wird, sich der kommende SPÖ-Obmann in ganz Österreich positioniert, halte ich für gut möglich. Zwischen ihm und Sebastian Kurz würde die Chemie auch stimmen.

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Kommentare ( 59 )

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Carlotta
4 Jahre her

unter den Kommentaren ist der Tenor herauszulesen, dass von KURZ wohl verlangt wird, über’s Wasser zu gehen, vielmehr – da wir thematisch in Österreich sind – zu tänzeln. Warum wird von ihm so viel erwartet im Vergleich zu den Repräsentanten Deutschlands? Wenn ich mir die Politiker nur allein in der EU anschaue, ist KURZ doch ein erfrischender Lichtblick gegenüber den meisten Parteibuchgängern alias Landesfürsten, zum Teil im osteuropäischen Raum ‚geschult‘, die meinen, mit Taktik und Aussitzen, und allenfalls mit Rechts-Bashing und USA-Ignoranz sich hervorzutun sei ihre Aufgabe innerhalb der jeweiligen Legislaturperiode erfüllt. Ich bin sicher, dass KURZ unter den gegebenen… Mehr

Gruenauerin
4 Jahre her

Na, da haben Sie aber den Teletext nicht wirklich gelesen. Im 1. Artikel stand genau das, was Sie sagen und im nächsten, dass die Beschäftigung in Deutschland noch nie so hoch war. Passt doch zusammen? Oder doch nicht? 😉

Schonclode
4 Jahre her

Wetten das die ÖVP zwischen 20 – 25% nach dem Grünen Intermezzo landen wird. Ob der Kurz danach noch Alternativen hat, ist mehr als fraglich. Ich sehe da keine..

schmidthomas
4 Jahre her

So übertrieben die Lobpreisungen für Herrn Kurz wegen der Koalition mit der FPÖ waren, so übertrieben ist nun die Kritik wegen der Zusammenarbeit mit den Grünen. Das scheitern der bürgerlichen Koalition geht zu 100% auf das Konto der FPÖ und das haben hier einige Foristen offensichtlich verdrängt. Mit wem hätte er denn sonst noch eine Regierung bilden können? Eine Neuauflage der Koalition mit den Sozis, oder was? Herr Kurz hat in Bälde wieder Alternativen, die Grünen nicht. Es ist an der FPÖ, sich wieder aufzurichten und das verlorengegangene Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Politik ist die Kunst des Machbaren und ich… Mehr

Gruenauerin
4 Jahre her

Ich habe Kurz noch nie getraut. Der war viel zu lieb und zu gut, als dass er hätte wahr sein können. Was er ist: klug und schlau. Österreich will mit dieser Regierung in Punkto Klima sogar Deutschland toppen. Na dann viel Spaß. Klima ist doch der neue Gott der Grünen. Da nimmt man von dieser Seite sicherlich auch in Kauf, dass ein paar Schönheitskorrekturen bei der Migration vorgenommen werden. Man vergesse niemals woher Kurz kommt und wer die Grauen Eminenzen sind.

cmh ungefragt
4 Jahre her

Interessanterweise ist gerade ein Buch von Kelsen über die Demokratie im Reclam Verlag günstig zu erwerben. Das Buch wird zwar im Klappentext „Grundtext“ zur Demokratie genannt, doch ist es sicher nicht so, dass man nach der Lektüre zum freurigen Demokraten geworden wäre. Man ist sich aber über die zahllosen Stolpersteine zwischen Souverän und Regierung im Klaren.

Gerhard
4 Jahre her

Die neue Regierung geht mit einer großen Belastung an den Start. Die designierte Justizministerin wurde im November durch das Wiener Straflandesgericht zu einer Geldstrafe wegen übler Nachrede verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil die Beklagte Berufung eingelegt hat. Das Verfahren ist also offen, und die Beklagte wird jetzt Justizministerin. Wird also die künftige Justizministerin in diesem Fall gar gegen sich selbst ermitteln lassen und sich dem offensichtlichen Risiko der Befangenheit aussetzen?

Alf
4 Jahre her

„Mit dem Oststeirer Werner Kogler (Jahrgang 1961) scheint der in Wien siedelnde Niederösterreicher Sebastian Kurz (Jahrgang 1986) ein Gegenüber gefunden zu haben, mit dem er kann.“
Man muß den Stab nicht vorher brechen und man sollte, egal ob vorher od. nachher, Kogler und Kurz eine Chance geben und nicht über ungelegte Eier aus dem Burgenland schwadronieren. Vergleihe wie
„Kurz und Kogler werden dann ein Geschick benötigen wie noch wenige Regierungspolitiker vor ihnen“ – sind völlig unbehelflich. Bisher hat noch niemand die Zukunft voraussagen können.

derAlte
4 Jahre her

Der Artikel handelt nur von Machtoptionen. Politik als Handeln zum Wohle des Volkes kommt gar nicht vor. Vielleicht ist dieser ganze Zirkus nur als abstraktes Schachspiel noch erträglich? Der Bürger als Bauer – schnell geopfert.

Heimatland
4 Jahre her

Lieber Herr Goergen, ich gratuliere ihnen zu ihrer Voraussage im Nov., ich habe ihnen damals widersprochen, da ich mir dies mit den Grünen in Felix Austria nicht vorstellen konnte. Doch die Frage wird sein, was sagen am Wochenende die Delegierten, schlucken sie den Brei oder geht es zu wie bei Pilz. Wahrscheinlich schlucken sie, es geht um die Macht.